TY - JOUR A1 - Oestmann, Peter T1 - Und grün des Lebens goldner Baum : [Rezension zu: Seán Patrick Donlan, Dirk Heirbaut (eds.), The Laws’ Many Bodies. Studies in Legal Hybridity and Jurisdictional Complexity, c1600-1900 (Comparative Studies in Continental and Anglo-American Legal History 32), Berlin: Duncker & Humblot 2015, 269 S., ISBN 978-3-428-14715-1] T1 - And green the golden tree of life T2 - Rechtsgeschichte = Legal history N2 - Ob wirklich alle Theorie grau ist, wie der Teufel in Goethes Faust einem "Freund" einflüstern will, wissen wir nicht. Doch dass der Blick ins Leben überall bunte Bilder zeigt, kann die Rechtsgeschichte vielfach bestätigen. Selbst das von Goethe zitierte grüne Leben taucht in der frühen Neuzeit wörtlich auf, nämlich als viridis observantia, als grünende Observanz. Die Rechtspraxis hat je nach Sichtweise verschiedene Farben oder eben verschiedene Körper. "Many bodies", wie der Titel des Sammelbandes verheißt, ist also nicht nur auf gleichzeitig vorhandene mehrere normative Rechtstexte bezogen, sondern auch auf das Verhältnis von Rechtsnorm und Rechtspraxis. Die Anlage des Buches, die Auswahl der Beispiele und die einzelnen Fallstudien rennen offene Türen ein. Wenn Seán Patrick Donlan und Dirk Heirbaut, die beiden Herausgeber, sich auf legal hybridity und jurisdictional complexity berufen, klingt das nach einer Anbiederung an überstaatliche Globalisierungen des modernen Rechts. Aber solche aufgesetzten Modernisierungen hat der sehr lehrreiche Band nicht nötig. Die Einleitung sagt genau, worum es geht. Auch die Rechtsgeschichte kann nämlich ihren eigenen Beitrag leisten, um weltweite Rechtsvielfalt näher zu untersuchen. Den Schwerpunkt legen die Herausgeber und die meisten Verfasser der Einzelbeiträge auf die frühe Neuzeit. Das ist angemessen, denn in der älteren Zeit ohne Staat stellten sich zahlreiche Fragen noch gar nicht. Doch beim Blick auf die frühneuzeitlichen Jahrhunderte kann die Rechtsgeschichte die Fremdheit der Vormoderne auf sich wirken lassen, die zeitgenössische Staatsgewalt angemessen relativieren und auch den Gegensatz zwischen Norm und Praxis gezielt erforschen. Pluralität war immer Teil der europäischen Rechtstradition, die kleinräumigen iura propria ergänzten immer das großräumige ius commune, wie immer man die Rechtsmassen auch bezeichnete. Vollständige staatliche Herrschaft über das gesamte Recht gab es nie, wie die Herausgeber mit überzeitlichem Wahrheitsanspruch verkünden (16). Der Blick auf die tägliche Praxis, vor allem auf die Untergerichte, sei zu lange vernachlässigt gewesen, meinen sie. Ein europäisches Ergebnis stellt sich bei diesem Ansatz nahezu von selbst ein. Die besondere Rolle Englands verflüchtigt sich nämlich mehr und mehr. Viele übergreifende europäische Erscheinungen lassen sich auch hier erkennen, wenn man nicht immer ausschließlich nach der "Geltung" einzelner Sätze des römischen Rechts fragt. Die Gemeinsamkeit der europäischen Rechtsgeschichte besteht bei einer solchen Sichtweise nicht vornehmlich in der Prägung durch eine gelehrte Rechtswissenschaft oder in der Strahlkraft des römisch-kanonischen Rechts, sondern im gleichzeitigen Mit- und Nebeneinander kleinräumiger und großräumiger Rechtsordnungen, verschiedenster Versatzstücke für Argumentationen, gelehrter und dinggenossenschaftlich geprägter Gerichte und so weiter. Mehrere damals wichtige Rechtsquellen- und Rechtsanwendungsfragen stellten sich in vielen europäischen Ländern in derselben Weise bis hin zu Beweisfragen auf der Suche nach dem einschlägigen geltenden Recht. ... Y1 - 2017 UR - http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/frontdoor/index/index/docId/50558 UR - https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hebis:30:3-505588 SN - 2195-9617 SN - 1619-4993 N1 - Dieser Beitrag steht unter einer Creative Commons cc-by-nc-nd 3.0 VL - 25 SP - 323 EP - 325 PB - Max-Planck-Inst. für Europäische Rechtsgeschichte CY - Frankfurt, M. ER -