Zusammenfassung Während des gesamten Lebens von Säugetieren werden im Gyrus dentatus des Hippocampus neue Neurone vom Körnerzelltyp gebildet, was als adulte Neurogenese bezeichnet wird. Als Teil des Limbischen Systems ist der Hippocampus an der Verarbeitung räumlicher und zeitlicher Informationen beteiligt und spielt eine wichtige Rolle in der Gedächtnisbildung. Die adult neugeborenen Körnerzellen (ABGC) sind aktuell Gegenstand intensiver Forschung, da gezeigt werden konnte, dass sie eine Schlüsselrolle in hippocampalen Lernvorgängen einnehmen. Die ABGCs gehen aus Stammzellen hervor, die sich schrittweise zu Nervenzellen mit komplexen Dendritenbäumen entwickeln. Insbesondere das Zellalter von 4-6 Wochen hat sich für hippocampale ABGCs als interessant erwiesen. Während dieser Zeitspanne, die auch „kritische Phase“ genannt wird, zeigen die ABGCs eine verstärkte zelluläre Erregbarkeit und synaptische Plastizität sowie eine erniedrigte Schwelle für die Induktion von Langzeitpotenzierung (LTP). Letztgenannter Prozess wird mit Lernen und Gedächtnisbildung assoziiert und umschreibt die Verstärkung synaptischer Übertragungen. Im Gegensatz dazu beschreibt Langzeitdepression (LTD) die Abschwächung desselben. In der vorliegenden Dissertation wurden zwei unterschiedliche methodische Ansätze für die Erforschung der Dynamik synaptischer Integration und struktureller Plastizität von ABGCs in Ratten verfolgt. In beiden Ansätzen wurde Egr1 (early growth response 1) als gradueller Marker für synaptische Plastizität verwendet. Egr1 ist ein sogenanntes Immediate early gene welches nach der Induktion von Langzeitpotenzierung exprimiert wird und als stabiler Marker für synaptische Plastizität etabliert ist. Für das erste Projekt, wurden XdU-markierte ABGCs im Alter von 6, 12 und 35 Wochen verwendet. Adulte Ratten wurden einer angereicherten Umgebung ausgesetzt und, mittels intrahippocampaler Hochfrequenzstimulation (HFS) einer Hemisphäre, in vivo einer Langzeitpotenzierung unterzogen. Die Egr1 Expression im Zellkern von ABGCs und der Kontrollpopulation aus maturen Körnerzellen wurde immunhistologisch quantifiziert. Im Rahmen dieses Projekts wurde herausgefunden, dass die einseitige Stimulation des Tractus perforans des Hippocampus eine Zunahme der Egr1 Expression in ABGCs beider Hemisphären hervorruft. Es konnte gezeigt werden, dass die verstärkte Egr1 Expression in ABGCs kein Normalzustand junger Körnerzellen, sondern eine Reaktion auf die HFS ist. Sowohl ABGCs unstimulierter Kontrolltiere, als auch mature Körnerzellen exprimierten geringere Mengen Egr1. Interessanterweise induzierte die Stimulation ein vergleichbares Maß an Egr1 Expression in ABGCs aller Altersgruppen. Diese Resultate demonstrieren, dass die Aktivität von ABGCs mittels einer HFS auf ein langfristig erhöhtes Maß an Erregbarkeit angehoben werden konnte. Im zweiten Projekt wurden ABGCs durch intrahippocampale Injektionen eines retroviralen Vektors mit einem grün fluoreszierenden Protein markiert. Nach 28 und 35 Tagen wurde eine in vivo HFS durchgeführt. Die nukleäre Egr1 Expressionsintensität wurde bestimmt und mit strukturellen Veränderungen dendritischer Dornen korreliert. In der Literatur ist eine Assoziation von LTP mit einer Vergrößerung von Dornfortsätzen beschrieben ebenso wie von LTD mit einer Verkleinerung von Dornfortsätzen. Die Größe der dendritischen Dornfortsätze wurde jeweils in der inneren-, mittleren- und äußeren Molekularschicht (IML, MML, OML) ausgemessen. Die Ergebnisse konnten jeweils individuellen Körnerzellen zugeordnet werden. Nach der HFS war der Egr1 Expressionsanstieg in ABGCs geringer als in maturen Körnerzellen. In der stimulierten MML kam es nach HFS währenddessen zu einer signifikanten Vergrößerung von dendritischen Dornen, die als strukturelles Korrelat homosynaptischer LTP interpretiert werden kann. Die Stärke der Vergrößerung konnte mit einer intensiveren Egr1 Expression positiv korreliert werden. Gleichzeitig kam es in der benachbarten, unstimulierten IML und OML zu einer Verkleinerung von Dornfortsätzen. Dieses Phänomen bezeichnet man als heterosynaptische LTD, sie konnte negativ mit der Egr1 Expression im Zellkern korreliert werden. Homosynaptische Plastizität beschreibt eine Input spezifische Potenzierung von Synapsen, die direkt aktiviert werden. Im Gegensatz dazu wird die Abschwächung von Synapsen, die während homosynaptischer Potenzierung nicht stimuliert wurden, heterosynaptische Plastizität genannt1. Zusammengenommen liefern die gewonnenen Resultate detaillierte Informationen über die graduelle Integration von ABGCs während ihrer zunehmenden Reifung. Es wurde ein zellspezifischer Beweis für homo- und heterosynaptische Plastizität nach HFS in der kritischen Phase der synaptischen Integration von ABGCs gefunden, die mit der nukleären Expression von Egr1 korreliert werden konnte.