Neuronale Korrelate des Selbstverletzenden Verhaltens : eine fMRT-Studie mit symptomspezifischen Stimuli

  • Selbstverletzendes Verhalten – die selbst herbeigeführte Verletzung des eigenen Körpers – wird bisher in diagnostischen Manualen nicht als eigenständiges Krankheitsbild geführt, sondern lediglich als Symptom verschiedener psychischer Krankheitsbilder, wie Essstörungen, Abhängigkeitsstörungen, Zwangsstörungen und vor allem als ein Kriterium der Borderline Persönlichkeitsstörung, erwähnt. Aufgrund dessen beschäftigte sich die vorliegende Arbeit ausschließlich mit dem Symptomkomplex Selbstverletzendes Verhalten und suchte erstmalig nach einem gemeinsamen Korrelat des Phänomens auf neuronaler Ebene. Im Kontext der vorliegenden Untersuchung wurden zehn Patienten mit Selbstverletzendem Verhalten ausgewählt und zunächst gebeten unter Zuhilfenahme der Selbstbeurteilungs- Fragebögen DSHI und SHBQ ihre Selbstverletzung und mögliche suizidale Handlungen zu charakterisieren. In einem Interview wurden die Patienten zu ihrer psychischen Krankengeschichte befragt, der HADS-D diente der Erfassung von Komorbiditäten. Anschließend erfolgte eine Messung der zehn Selbstverletzer sowie zehn gesunder Kontrollprobanden mittels funktioneller Magnetresonanztomographie während einer visuellen Präsentation von symptomspezifischen Stimuli. Im Rahmen eines Blockdesigns wurden Bilder mit selbstverletzenden und suizidalen Szenen randomisiert dargeboten. Die emotionale Bedeutsamkeit und Valenz der gezeigten Bilder wurden anschließend mithilfe eines Post-fMRT-Befragungsbogens eruiert. Die Auswahl der Patienten nach dem Selbstverletzenden Verhalten und nicht nach der Diagnose war ebenso wie das Design mit selbstverletzenden und suizidalen Stimuli einzigartig. Die Ergebnisse dieser innovativen Studie offenbarten bei den Patienten beim Betrachten der selbstverletzenden Szenen eine gesteigerte Aktivität eines weit gefächertes Netzwerkes von Gehirnarealen, die eine essenzielle Rolle in der Verarbeitung von Emotionen spielen. Dazu zählen vor allem limbische Strukturen wie Amygdala und Hippocampus, aber auch frontale Areale, im Besonderen der präfrontale Cortex. Diese Strukturen sind vergleichbar mit denen, die bei einer Borderline Persönlichkeitsstörung neuronal verändert sind. Die Präsentation der suizidalen Bilder rief ebenfalls eine Mehraktivierung der genannten Regionen hervor, allerdings in einem geringeren Ausmaß. Im Zusammenhang mit den selbstverletzenden Szenen ist vor allem die erstmalige Darstellung von Arealen, die dem Belohnungssystem zuzuordnen sind und teilweise Bestandteil dopaminerger Bahnen sind, hervorzuheben. So präsentierten sich die Substantia nigra, Teile des Mesenzephalons und vor allem die Basalganglien verstärkt aktiviert. Dies deutet darauf hin, dass erstmalig neuronale Strukturen abgebildet wurden, die spezifisch für das Selbstverletzende Verhalten sind. Da die erhöhte Aktivität der genannten Gehirnareale mit der neuronalen Momentaufnahme eines Suchtkranken vergleichbar ist, wäre eine mögliche Einordnung der Selbstverletzung in die bestehende Kategorie der Abhängigkeitserkrankungen naheliegend. Die beschriebene Studie legt den Zusammenhang zwischen Selbstverletzenden Verhalten und einer Abhängigkeitsstörung zum ersten Mal in dieser Form dar, so dass weitergehende Untersuchungen in diese Richtung notwendig sind. Jedoch wird mittels der Resultate der funktionellen Magnetresonanztomographie ein besseres Verständnis des komplexen Charakters der Erkrankung ermöglicht und Veränderungen in der Behandlung und dem individuellen Umgang mit dem Selbstverletzer müssen in Betracht gezogen werden. Weiterhin verdeutlichen die Studienresultate, dass die Etablierung der Erkrankung als eigenständiger Symptomkomplex in gängige Diagnostikund Behandlungsmanuale in Zukunft unumgänglich sein wird.
  • Self-injurious behavior – the self-caused injury of one’s own body tissue– is not incorporated in common diagnostic classification systems until now but is mentioned as symptom of different psychiatric syndromes such as eating disorders, addictive diseases, obsessive compulsive disorders and especially as a diagnostic feature of borderline personality disorder. That’s why the present study dealed with self-injurious behavior as a complex of symptoms exclusively and searched for a mutual neuronal correlate of the phenomenon for the first time. In the study at hand ten patients suffering from self-injurious behavior were selected and asked to characterize their self-injury and possible suicidal actions by using self-report questionnaires like DSHI and SHBQ. Subsequently the patients were interviewed concerning their psychiatric anamnesis; in terms of further diagnostic results the HADS-D was completed. Using functional magnetic resonance imaging disease-related stimuli were presented visually to the ten patients as well as to ten healthy comparative subjects. In the context of a block design pictures showing self-injurious or suicidal scenes were presented in a randomized order. Emotional significance and valence were evaluated by a postscanning debriefing of the shown pictures. Choosing the patients because of their self-injurious behavior and not because of their diagnosis was unique as well as the design with self-injurious and suicidal scenes. The results of this innovative study revealed a widely spread network of increased activity in the brain areas playing an essential role in emotional processing while the patients watch the self-injurious scenes. Limbic structures like amygdala and hippocampus are as much a part as frontal areas in particular the prefrontal cortex. These structures are comparable to the ones being changed neuronally in borderline personality disorder. The presentation of the suicidal pictures also induced a greater activation in the mentioned regions but in a lesser extent. In context with the self-injurious pictures the presentation of regions belonging to the reward system and being part of the dopaminergic pathways is inimitable so far. A heightened activation of the substantia nigra, parts of the mesencephalon and basal ganglia has to be emphasized. This indicates that for the first time the present study succeeded in illustrating disease-related neural structures. Though the activation of the mentioned brain regions is comparable to a neuronal snapshot of an addict a possible integration of the syndrome self-injury in existing categories of addictive diseases would be obvious. The correlation of self-injurious behavior and addictive disorders was described by this study for the first time so it has to be proven by further analysis. Nevertheless the outcomes of the functional magnetic resonance imaging make it easier to understand the complex character of the disease and changes in therapeutical methods according to the patient have to be regarded. Moreover it clarifies that the establishment of self-injury as an independent disorder in current manuals of diagnosis and therapy will be inevitable in the future.

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Metadaten
Author:Katja Hödl
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-248442
Referee:Aglaja StirnGND, Christine M. FreitagORCiDGND
Document Type:Doctoral Thesis
Language:German
Year of first Publication:2010
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Date of final exam:2012/01/06
Release Date:2012/06/17
Note:
Diese Dissertation steht außerhalb der Universitätsbibliothek leider (aus urheberrechtlichen Gründen) nicht im Volltext zur Verfügung, die CD-ROM kann (auch über Fernleihe) bei der UB Frankfurt am Main ausgeliehen werden.
HeBIS-PPN:425414655
Institutes:Medizin / Medizin
Dewey Decimal Classification:6 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften / 61 Medizin und Gesundheit / 610 Medizin und Gesundheit
Sammlungen:Universitätspublikationen
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