Evidence for increasing homogenization and de-ruralization of the Central European village flora

Deutliche Hinweise auf eine zunehmende Homogenisierung und De-Ruralisierung der mitteleuropäischen Dorfflora

  • In this study, the spontaneous flora of North Rhine-Westphalian villages (NW Germany) recorded in the periods 1980–1984 and 2004–2005 was analyzed. We asked: (i) Did the similarity of the village flora increase with time and to what extent did non-native species contribute to this? (ii) Is the ongoing trend of urbanization reflected in the village flora? (iii) Regarding the species composition and β-diversity: are there differences between the results of a repeated survey and of a type comparison? In both periods, 200 villages were visited once, using consistent criteria for village selection and floristic investigation. Of these, a subset of 61 villages was investigated in both time periods and the rest were selected randomly for the second survey but with respect to the same criteria as used in the first. Using different β-diversity indices (Sørensen index of dissimilarity, Simpson index of dissimilarity and nestedness resultant index) to disentangle pure species turnover and nestedness of species assemblages, we tested whether the similarity among the villages increased over the years. This was done by calculating all pairwise comparisons among the villages of each time period, i.e. their spatial turnover. Additionally, different ecological groups were defined (e.g. "neophytes", "C-strategists" or "urbanophilous species") using the subgroups of species traits (floristic status, Grime's life strategy and urbanity) to indentify urbanization and compositional changes. Our results show that the traditional village flora (species of the Arction lappae, Bidention tripartitae and Potentillion anserinae) is further blurred towards unspecific ubiquitous assemblages found in the periphery of man and that the floristic urbanization is still ongoing. Supported by nearly all ecological groups regarded, our results corroborate that the species composition of Central European villages underwent a considerable degree of homogenization. To some extent this is caused by structural homogenization of villages. Regarding the considerable increase of common ubiquists and α-diversity in general, however, changes in weeding practices seem to be the main reason. Based on the reinvestigated subset we could show that comparable results can be obtained by a consistent use of criteria for the selection of villages, even if unpaired samples were used.
  • Einleitung: Urbane Räume sind durch ihre spezifischen physikalischen und ökologischen Bedingungen, die kleinräumig verzahnten Habitate, die Vermischung einheimischer Tier- und Pflanzenarten mit einer Vielzahl Neobiota und vielfältige anthropogene Einflüsse geprägt (z.B. Sukopp & Wittig 1998). Unter biologischer Homogenisierung versteht man die zunehmende Vereinheitlichung biologischer Gemeinschaften, die durch das Zusammenwirken des Verlusts von Artenvielfalt mit der Invasion von Neobiota entsteht (z. B. McKinney & Lockwood 1999). Die Frage, inwieweit Neobiota generell eine Homogenisierung fördern, ist allerdings noch nicht abschließend geklärt und bedarf weiterer Untersuchung auf unterschiedlicher zeitlicher und räumlicher Ebene. "Dörfer" ließen sich füher durch charakteristische Eigenschaften von urbanen Räumen unterscheiden (Vielzahl alter, unverputzter Mauern, Exkremente von Großvieh, geringer Grad an Bodenversiegelung, Nachbarschaft zur offenen (Agrar-Landschaft und Abwesenheit industrieller Emissionen), deren qualitative und quantitative Zusammensetzung zur Eigenständigkeit der Dorfflora führt (Wittig 1990, 2002). In dieser Studie wollen wir folgende Fragen beantworten: (1) Fand eine Homogenisierung der Dorfflora statt und welchen Anteil haben Neophyten daran? (2) Spiegelt sich die zunehmende Urbanisierung auch floristisch wider? (3) Finden sich Unterschiede zwischen dem Teilset der identischen Dörfer (s. Material und Methoden) und dem Gesamtdatensatz hinsichtlich ökologischer Gruppen und β-Diversität? Methoden: Wir untersuchten die Flora zufällig ausgewählter nordrheinwestfälischer Dörfer, die zwischen 1980 und 1984 ("1984", n = 200) bzw. 2004 und 2005 ("2005", n = 200) kartiert wurden (Abb. 1). 61 Dörfer wurden in beiden Zeiträumen kartiert und dienten als Vergleichsgruppe ("Teildatensatz"). Die Dörfer wurden nach folgenden Kriterien ausgewählt: (i) überschaubare Größe, (ii) nur ein Ortskern, (iii) vorwiegend Ein- und Zweifamilienhäuser, (iv) aufgelockerte Bebauung, (v) Neubaugebiete höchstens so häufig wie alte Strukturen, (vi) mindestens ein landwirtschaftlicher Betrieb und (vii) Abdeckung aller wesentlichen Naturräume. Es wurden jeweils nur die öffentlich zugänglichen Bereiche innerhalb der geschlossen Bebauung kartiert. Der floristische Status der Arten, Urbanität und Lebensstrategien nach Grime (BiolFlor-Datenbank) wurde zur Bildung ökologischer Gruppen genutzt, deren absolute und prozentuale Häufigkeit berechnet und ausgewertet wurde. Des Weiteren wurden die mittleren Zeigerwerte nach Ellenberg je Dorf ermittelt. Zur Klärung der Frage der Homogenisierung wurden BASELGA (2010) der Sørensen Index (βsor) und der Simpson Index (βsim). βsim ist im Gegensatz zu βsor nicht anfällig für Unterschiede im Artenreichtum zwischen einzelnen Dörfern; als Indikator für daraus resultierende Verschachtelungen (nestedness) der Artenkombinationen diente βnes (= βsor – βsim). Zur Berechnung wurden für jeden Index alle paarweisen Vergleiche zwischen den Dörfern eines Zeitraumes, d. h. der räumliche Artenumsatz, berechnet. Unterschiede der einzelnen ökologischen Gruppen zwischen den beiden Untersuchungszeiträumen bzw. zwischen dem Subset und dem Gesamtdatensatz wurden durch t-Tests überprüft. Unterschiede in den Stetigkeiten der Arten wurden mittels "multiple pattern analysis" (Funktion „multipatt“ des R-Pakets "indicspecies"). Die Tests wurden mit der freien Software R 3.00 durchgeführt. Ergebnisse: Die mittlere Artenzahl pro Dorf stieg signifikant, was sich, zumindest absolut gesehen, in allen betrachteten ökologischen Gruppen widerspiegelte (Abb. 2). Relativ gesehen, fanden sich sowohl Zu- als auch Abnahmen (Abb. 3). Die Zahl der häufigen Arten (Stetigkeit > 80 %) stieg von 28 auf 60 (Tab. 2). Weder die quantitative noch die relative Zusammensetzung der Flora unterschied sich zwischen dem Teildatensatz und dem Gesamtdatensatz (Tab. 3). Bei den Stetigkeiten einzelner Arten fanden sich allerdings Unterschiede zwischen den beiden Gruppen (Anhang S1): im Gesamtdatensatz änderten sich die Stetigkeiten von 296 Arten (231 Zu-, 65 Abnahmen), im Teildatensatz nahmen 125 Arten zu und 20 ab. Die floristische Ähnlichkeit der Dörfer untereinander war 2005 wesentlich höher als 1984. Sowohl βsor als auch βsim sanken signifikant. Dass dies kein Effekt zunehmender Verschachtelung der einzelnen Artenkombinationen ist, zeigt der ebenfalls signifikant gesunkene Index βnes (Abb. 4). Bei den Zeigerwerten sanken die mittleren Licht-, Feuchte- und Stickstoffzahlen signifikant, während die mittlere Temperaturzahl signifikant stieg (Tab. 5). Diskussion: Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich die Artengemeinschaften der einzelnen Dörfer deutlich ähnlicher geworden sind (Abb. 3). Mit Ausnahme der Neophyten in der Vergleichsgruppe (siehe auch Knapp & Wittig, 2012), fand eine Homogenisierung in allen betrachteten ökologischen Gruppen statt. Obwohl die mittlere Artenzahl pro Dorf deutlich zunahm, lassen die Werte von βnes nicht auf einen steileren Gradienten des Artenreichtums zwischen den Dörfern schließen. Der gesellschaftliche Druck zum regelmäßigen Unkraut-Jähten ist zwischen den beiden untersuchten Zeiträumen gesunken. Obwohl keine Daten zur Intensität des Unkraut-Jähtens aufgenommen worden sind, lassen sich die Entwicklungen der Lebenstrategien nach Grime in diesem Sinne interpretieren. Einjährige krautige Pflanzen mit hoher Samenproduktion (R-Arten) scheinen in zunehmendem Maße von konkurrenzstärkeren, langsamer wachsenden (C-) Arten, die als erste unter intensiverem Jähten leiden würden, unterdrückt zu werden. Die Zunahme der α-Diversität (insbesondere auch ubiquitärer Arten) ist höchst wahrscheinlich ebenfalls hierauf zurückzuführen. McKinney (2006) sieht generell die Urbanisierung als wesentlichen Grund der zunehmenden biologischen Homogenisierung. Zur Verbesserung des Ortsbildes und zur Steigerung der Attraktivität als reiner Ort des Wohnens, verschwanden mit der Zeit in zunehmendem Maße ruderale Strukturen. Dieser "Homogenisierung" der Dörfer folgte eine zunehmende floristische Ähnlichkeit. Homogenisierung kann darüber hinaus sowohl passiv als auch aktiv von der Zunahme des Verkehrs profitieren. Durch das weiterhin zunehmende Phänomen der Suburbanisierung haben auch in Nordrhein-Westfalen die Infrastuktur und das Volumen des Verkehrs zugenommen. Insbesondere bei der Einführung von Neophyten und der damit verbundenen Homogenisierung spielt der Gartenbau eine wichtige Rolle. In vielen Regionen erwies er sich als wichtigster Faktor für das Auftreten invasiver Neophyten. Auch bei den Neophyten der Dorfflora findet eine signifikante Homogenisierung statt, wenn auch, verglichen mit anderen Gruppen, relativ schwach (Tab. 4). Offen bleibt allerdings die gegensätzliche Entwicklung, die in der Gruppe der wiederholten Dörfer gefunden wurde. Der Großteil der hochsteten Arten nordrhein-westfälischer Dörfer (Tab. 2) besteht aus Ubiquisten, die die ehemals deutlichere Eigenständigkeit der Dorfflora weiter verwischen. Das von vielen Autoren beklagte Aussterben der „alten Dorfflora“ scheint weiter zu gehen, da sechs weitere dieser Arten 2005 nicht mehr nachgewiesen werden konnten (Anhang S1, fettgedruckt). Der Rückgang der relativen Häufigkeit einheimischer Arten und Archaeophyten zugunsten eines zunehmenden Anteils von Neophyten spricht ebenso für eine fortschreitende De-Ruralisierung der Dorfflora, wie die steigenden Anteile urbanophiler Arten. Obwohl signifikante Unterschiede gefunden wurden, unterstützen die mittleren Zeigerwerte diese Ergebnisse allerdings nur schwach. Die Ergebnisse zeigen, dass es bei Fokussierung auf Merkmalsgruppen zum Nachweis von Entwicklungen der Flora nicht erforderlich ist, identische Dörfer erneut zu untersuchen, sondern dass auch ein Typenvergleich plausible Ergebniss liefert (Tab. 3, 4). Zwar zeichnen für die Homogenisierung und De-Ruralisierung der Dorfflora mehrere Einflussfaktoren verantwortlich, die durch die veränderte Qualität und Quantität des Unkrautjähtens bedingte Zunahme der α-Diversität und der Anstieg hochsteter Arten scheinen allerdings am wichtigsten zu sein.

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Metadaten
Author:Andreas Huwer, Rüdiger WittigORCiDGND
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-354945
ISSN:0722-494X
Parent Title (Multiple languages):Tuexenia : Mitteilungen der Floristisch-Soziologischen Arbeitsgemeinschaft
Document Type:Article
Language:English
Date of Publication (online):2014/10/26
Year of first Publication:2013
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Release Date:2014/10/26
Tag:Ellenberg indicator value; Grime life strategy; North Rhine-Westphalia; Simpson index; Sørensen index; alpha diversity; archaeophyte; beta diversity; neophyte; nestedness; urbanization; weeding
Volume:33
Page Number:19
First Page:213
Last Page:231
HeBIS-PPN:366691325
Dewey Decimal Classification:5 Naturwissenschaften und Mathematik / 58 Pflanzen (Botanik) / 580 Pflanzen (Botanik)
Sammlungen:Sammlung Biologie / Sondersammelgebiets-Volltexte
Zeitschriften / Jahresberichte:Tuexenia : Mitteilungen der Floristisch-Soziologischen Arbeitsgemeinschaft / Tuexenia : Mitteilungen der Floristisch-Soziologischen Arbeitsgemeinschaft, Band 33 (2013)
:urn:nbn:de:hebis:30:3-302443
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