Untersuchungen zu Aufbau, Stratigraphie und Genese von Nehrungshaken am Beispiel der Nordseeinseln Sylt und Amrum : eine Methodenkombination aus Georadar und sedimentologischen Analysen

  • Barriereinseln und Nehrungshaken, geformt durch eine Kombination aus Wind, Wellen, Strömung und Küstenlängstransport gelten als geologisch junge und morphologisch hoch aktive Küstenbereiche und variieren häufig in Ursprung, Genese und Entwicklung. Bisherige Untersuchungen zur Stratigraphie dieser durch engräumige Fazieswechsel geprägten Sedimentationsräume basieren häufig allein auf Bohrungen. Daher sind die interne sedimentologische Struktur und die Prozesse, die zur Entwicklung von Barriereinseln und Nehrungshaken geführt haben, oftmals unzureichend untersucht. Ziel der folgenden Studie war es, anhand hochauflösender Georadarmessungen (GPR) und Bohrungen die Entstehung und interne sedimentäre Architektur der Nehrungshaken von Sylt und Amrum zu rekonstruieren. Durch die Korrelation von Sediment- und Radarfazies konnten über den bisherigen Kenntnisstand hinaus wertvolle, sich ergänzende Informationen zur Geologie des oberflächennahen Untergrundes der Inseln Sylt und Amrum gewonnen werden. Auf dieser Grundlage wurden für den Süden Sylts, die Westküste von Amrum und den Norden Amrums stratigraphische Modelle entwickelt, die schematisch den sedimentologischen Aufbau, die geomorphologisch-geologische Genese und die am Aufbau beteiligten Prozesse zusammenfassen. Die Einordnung in einen absoluten Zeitrahmen wurde durch Datierungen (AMS Radiokohlenstoff-Methode, Aminosäure-Racemisierungs-Methode) ermöglicht. Die Ergebnisse sind als Beispiel für die Heterogenität und Individualität von Nehrungshaken und Barriereinseln zu sehen. Es konnte gezeigt werden, dass Nehrungshaken hinsichtlich ihres Aufbaus, ihrer sedimentären Struktur sowie den Prozessen ihrer Entstehung sehr unterschiedlich sind. Mit Ausnahme der heutigen Dünen zeigt die Stratigraphie der Ansatzzone des südlichen Nehrungshakens von Sylt an den zentralen Inselgeestkern südlich der Ortschaft Rantum insgesamt eine Vergröberungs-Sequenz von tonigem Mischwatt im Liegenden über Sandwatt bis zu den gröberen washover-Schichten im Hangenden. Eine Besonderheit und regionale Abweichung stellt die Stratigraphie bei Puan Klent/Thörnhörn dar. Dort wurde im Liegenden der Watt-Fazies ein fossiler Strandhaken nachgewiesen. Die transgressive Sequenz der Ansatzzone des südlichen Nehrungshakens von Sylt bei Rantum auf Sylt ist kennzeichnend für eine landwärts gerichtete Wanderungsbewegung der Inselbarriere unter steigendem Meeresspiegel. Das Resultat des als „barrier rollover“ bezeichneten morphologischen Prozesses ist die allmähliche Erosion der westlichen Barrierefront. Das erodierte Sediment der Westküste wurde entweder durch overwash-Prozesse im rückwärtigen Inselbereich als washover fan abgelagert oder gelangte in den Küstenlängstransport, wurde zur Inselspitze transportiert und dort akkumuliert. Diese führte allmählich zum Wachstum und zur Progradation der südlichen Inselspitze (Hörnum Odde) in die sich südlich anschließende Tiderinne des Hörnum-Tiefs. Zahlreiche Erosionsdiskordanzen unterhalb des heutigen Meeresspiegels markieren ursprüngliche Inselspitzenendpositionen (time lines) und sind auf hochenergetische Sturmflutereignisse zurückzuführen. Die time lines werden nach Süden hin jünger und zeichnen unterschiedliche Stadien der Progradation nach, die ein episodisches Wachstum der Inselspitze in Abhängigkeit von der Sedimentverfügbarkeit und der Sturmflutintensität belegen. Alte Erosionsdiskordanzen belegen die frühe submarine Genese der Hörnum Odde. Ein starkes Wachstum der südlichen Inselspitze Sylts lässt sich im Mittelalter nachweisen. Sturmfluten führten zudem immer wieder zu overwash-Prozessen und Überschwemmungen der noch jungen Inselspitze. Dies belegen ältere washover-Ablagerungen, die in unterschiedlichen Phasen der Nehrungshakenentwicklung nachgewiesen werden konnten. Rezente overwash-Prozesse sind auf die heutigen Dünen beschränkt und wurden in dieser Arbeit mit der Fragestellung untersucht, ob und inwieweit das Georadar als Methode zur Prospektion von washover-Sedimenten herangezogen werden kann. Die unmittelbare Nachbarschaft der beiden Nehrungshaken von Sylt und Amrum lässt einen ähnlichen sedimentären Aufbau, eine analoge Genese in einem einheitlichen Prozess-System sowie ein vergleichbares Alter vermuten. Durch die Untersuchungen im Norden von Amrum sollte festgestellt werden, in wie weit das für die Hörnum Odde nachgewiesene Zusammenspiel von Küstenlängstransport, Progradation, sturmflutbedingten overwash-Prozessen und die zeitliche Unterbrechung des Längenwachstums durch Sturmfluterosion auch für Amrum zutrifft. Entgegen der Erwartungen unterscheidet sich der nördliche Nehrungshaken der Insel Amrum signifikant vom südlichen Nehrungshaken der Nachbarinsel Sylt. Studien zur Landschaftsentwicklung an der Westküste Amrums wurden in einem Modell zusammengefasst, dass die Sedimentationsbedingungen, die im Westküstenvorfeld herrschten bevor der Kniepsand an die Insel heranwanderte, beschreibt. Auf der Landoberfläche des ertrinkenden saaleeiszeitlichen Geestkerns wurden zu Beginn der Flandrischen Transgression feinkörnige Sedimente eines Misch- und Schlickwatts abgelagert. Es ist davon auszugehen, dass der damals noch weit vor der Küste Amrums liegende Kniepsand eine Barriere bildete und so an der heute hochenergetischen Westküste für strömungsberuhigte Sedimentationsbedingungen sorgte. Ein weiteres Modell beschreibt den Andockmechanismus des Kniepsandes an die Insel Amrum. Durch die Anlagerung des ehemaligen Außensandes und den damit einhergehenden Sedimentinput wurden die Bedingungen für eine großflächige Dünenbildung geschaffen.
  • Barriers comprise approximately 15 % of the world’s coastlines and are formed due to the combined action of wind, waves, and longshore currents. Barrier islands and barrier spits are geological young, highly dynamic and represent a complex coastal system that includes a number of different but closely related sedimentary depositional environments and geomorphologic elements of varying origin, genesis and evolution. The stratification of coastal barriers is merely investigated by using borehole data. Therefore, the processes of evolution and the internal structure of barrier islands and spits are often unknown. In this study ground-penetrating radar (GPR) data of different antenna frequencies, sedimentological data, radiocarbon dating (14C-AMS) and amino acid racemisation dating (AAR) have been combined to reveal the sedimentary structure and architecture of barrier island spit systems. As a first step a comprehensive radar facies analysis has been performed that describes the typical reflection patterns of the barrier islands of Sylt and Amrum. Based on these data, different sedimentary models have been generated which describe the interaction between extreme events, coastal processes and sedimentary development and contain the major episodes of barrier island evolution. The first model of the study area of Southern Sylt demonstrates a barrier spit accretion through southerly directed progradation. Eroded sediment was transported along the west coast of Sylt by longshore drift and was added to the southern spit-end. Growth and progradation of the southern spit-end has forced a southward directed tidal inlet migration of the Hörnum tidal inlet. Progradation and barrier spit accretion were interrupted by severe storm surges. Storm surge generated erosion unconformities in a foreshore to shoreface environment redraw old spit-end positions that represent stages of barrier spit progradation. Annual winter storms also caused inundation of the barrier spit-end and produced elongate washover channels formed during numerous erosional overwash processes. It was also the objective of this study to characterize erosional and depositional sedimentary features caused by overwash events as well as to find out and classify typical reflexion geometries in GPR data. Amino acid racemisation (AAR) was used as a tool for dating Holocene barrier island sediments. AAR help to define a chronological order and allows setting up a barrier island stratigraphy of Southern Sylt. Based on these dates the model of barrier spit accretion has been refined. AAR provided high temporal resolution and has been used for dating stages of barrier spit accretion. The stages of barrier spit accretion have been verified and correlated by historic maps and sea charts. As a result, spit enlargement increased significantly during the Middle Ages and was coupled with several intensive storm surges in this period. The second model of the study area of Southern Sylt is concerned with the spit add-on zone where the barrier spit is attached to the central island moraine core and shows a landward migration through barrier rollover affected by an interplay of barrier retreat and washover flooding associated with accumulation of sediment in a backbarrier environment as a result of several storm surges. With the exception of the uppermost dune facies the spit add-on zone reveals a transgressive coarsening upward sequence. Storm surge erosion, washover flooding and accumulation caused barrier retreat but did not lead to the total destruction of the island. Instead, the island was rebuild and shifting eastward by rollover in a natural way. The central part of the southern barrier spit takes up a special case concerning the geomorphological development. Next to the location of Puan Klent/Thörnhörn an underlying older barrier spit has been detected in the subsurface. Concisely, Southern Sylt includes a trangressive barrier add-on zone and a progradational barrier spit-end. The classical barrier spit development of Southern Sylt dominated by storm surge erosion, washover flooding, longshore drift and accretion is typical for a lot of spit systems of the Southern North Sea. A similar development of the northern barrier spit of Amrum seems to be most likely and has been supposed until now. Unexpectedly, remnants of an underlying older barrier spit have been detected in the underground of Northern Amrum. This fossil barrier spit shows a different direction of progradation and is overlain by Holocene sandy tidal flat deposits. The study discusses two theories of the fossil barrier’s origin and shows that barrier spit attachment is much more complex than previously supposed. The results make clear that the sedimentary architecture and the development of barrier spits of are quite multifaceted. For the study area next to the lighthouse of Amrum two sedimentary models were generated. One model describes the process of barrier sandbar migration and the attachment to the Pleistocene island core. Before the barrier sandbar was connected to the island, conditions for sedimentation had been quite different. Tidal flat deposits had been accumulated in a low energy environment. Tidal flat deposits show a general coarsening upward trend and turn into overlying coarser grained beach deposits. Old cliffs formed through several storm surges are also preserved in GPR data. The landscape evolution in front of the westcoast of Amrum was summarized in the second model. To sum up, the combination of cores and high-resolution GPR data allows a detailed facies analysis and provides new insights into the complicated sedimentary architecture of the barrier island of Sylt and Amrum. Sedimentary architecture and internal structure of variety coastal elements has led to the definition and interpretation of different coastal environments as well as leads to new theories about the development of both barrier island spits.

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Metadaten
Author:Tanja Tillmann
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-370636
Referee:Jürgen WunderlichORCiDGND, Andreas Vött
Advisor:Jürgen Wunderlich
Document Type:Doctoral Thesis
Language:German
Year of Completion:2015
Year of first Publication:2015
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Date of final exam:2014/06/24
Release Date:2015/02/25
Tag:Georadar; Küstenmorphologie; Nordsee; Sedimentologie
Ground penetrating radar (GPR)
Page Number:413
HeBIS-PPN:355734206
Institutes:Geowissenschaften / Geographie / Geographie
Dewey Decimal Classification:5 Naturwissenschaften und Mathematik / 55 Geowissenschaften, Geologie / 550 Geowissenschaften
Sammlungen:Universitätspublikationen
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht