Die Aufgabe des Musikers : Schönberg und die Wunder des Lumpensammlers

  • In Benjamins 1921 entstandenen Text Die Aufgabe des Übersetzers (GS IV), der ursprünglich als eine Art Prolog zu seiner Übersetzung von Baudelaires Tableaux parisiens gedacht war, ist die "reine Sprache" stets auf einen messianischen Horizont hin ausgerichtet. Demnach enthält jede Sprache ein ihr je eigenes Sagen-Wollen, das die Gesamtheit allen Sagen- Wollens aller Sprachen für sich allein auszudrücken imstande wäre. Daher stammt die Vorstellung, dass die reine Sprache an sich bereits eine Figur der Prosa der messianischen Welt sei. Sprachen aber unterliegen, wie Benjamin so wunderbar zeigt, ganz gegensätzlichen Bewegungen: Die einen nähern sich einander an, andere schließen sich gegenseitig aus. Sie tragen sich gegenseitig, sie wandern aus. Die Übersetzung schließlich nimmt sie bei sich auf und fügt wieder zusammen, was Benjamin die "Scherben eines Gefäßes" (18) der reinen Sprache nennt. So spricht er davon, dass das "was an Übersetzungen wesentlich ist" (12), zugleich unter dem Sinn eines Sprachgebildes "verborgen oder deutlicher" (19) sei. Antoine Berman zeigt eindringlich, wie der Akt des Übersetzens nicht nur zwischen zwei Sprachen vollzogen wird, sondern dass es eine dritte Sprache gibt, ohne die jener nicht stattfinden kann. Genau an diesem Punkt treffen Benjamins Gedanken zur Übersetzung auf grundsätzliche Überlegungen zur Musik. Denn die dritte Sprache ist auf eine geradezu geisterhafte Art anwesend in der mündlichen Dimension eines Textes, die ein Autor in seiner Schreibweise bewahren will. Dieses Geisterhafte lässt sich nur in dem Sinne deuten, dass das schöpferische Subjekt allein nicht die Totalität seiner Äußerungen wiedergeben kann, es seine eigene Rede also nicht zur Gänze beherrscht. Im Gefolge Heideggers geht Gadamer gar so weit, von der Verblendung des schreibenden Subjekts zu sprechen. Nur ein Leser, aber mehr noch ein Übersetzer oder Hermeneut sei in der Lage, die implizite Historizität eines Textes zu entschlüsseln und so dessen Bedeutung zu ermitteln. Doch die Vorstellung, dass ein Text im Wesentlichen messianisch oder prophetisch sei, läuft jeglicher Deutungstradition zuwider. Benjamins Essay beginnt mit einem Postulat, der daran keinen Zweifel lässt: "Nirgends erweist sich einem Kunstwerk oder einer Kunstform gegenüber die Rücksicht auf den Aufnehmenden für deren Erkenntnis fruchtbar." (GS IV, 9–21, hier 9)

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Metadaten
Author:Danielle Cohen-Levinas
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-385454
ISBN:978-3-7705-5343-3
Parent Title (German):Klang und Musik bei Walter Benjamin / Tobias Robert Klein in Verbindung mit Asmus Trautsch
Publisher:Wilhelm Fink
Place of publication:Paderborn
Editor:Tobias Robert Klein
Translator:Dirk Naguschewski
Contributor(s):Asmus Trautsch
Document Type:Part of a Book
Language:German
Year of Completion:2013
Year of first Publication:2013
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Release Date:2015/11/25
GND Keyword:Benjamin, Walter; Übersetzungstheorie; Musik; Schönberg, Arnold
Page Number:11
First Page:167
Last Page:177
HeBIS-PPN:381258610
Dewey Decimal Classification:8 Literatur / 80 Literatur, Rhetorik, Literaturwissenschaft / 800 Literatur und Rhetorik
Sammlungen:CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft / Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Berlin
BDSL-Klassifikation:03.00.00 Literaturwissenschaft / BDSL-Klassifikation: 03.00.00 Literaturwissenschaft > 03.08.00 Poetik / BDSL-Klassifikation: 03.00.00 Literaturwissenschaft > 03.08.00 Poetik > 03.08.04 Dichtung und Musik
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