Arbeit und Müßiggang und das Sprechen über Literatur um 1800

  • 'Arbeit und Müßiggang' in der Literatur? Die Berechtigung der Themenstellung scheint evident, denn schon ein flüchtiger Blick in die Initialtexte der abendländischen Tradition erweist, wie sehr das westliche Denken von seinen Anfängen her über den Binarismus von Arbeit und Müßiggang gesteuert worden ist. Dies gilt zunächst für die jüdisch-christliche Schöpfungsmythe, welche den nachparadiesischen Menschen nicht nur zur Arbeit verdammt ("Verflucht sey der Acker vmb · deinen willen/ mit kummer soltu dich drauff neeren dein Leben lang / Dorn vnd Disteln sol er dir tragen / vnd solt das Kraut auff dem felde essen. Jm schweis deines Angesichts solm dein Brot essen" [Gen 3,17-19]), sondern ihm zudem abverlangt, die Mühsal des Broterwerbs in dem Bewusstsein zu verrichten, dass sie eine Strafe für die Übertretung der göttlichen Ordnung darstellt. Denn das Vermögen zur Unterscheidung von 'Gut und Böse' ist es ja, das der Mensch durch die Übertretung des göttlichen Gebotes erwirbt ("Da sprach die Schlang zum Weibe / Jr werdet mit nicht des tods sterben / Sondern Gott weis / das / welchs tags jr da von esset / so werden ewre augen auff gethan / vnd werdet sein wie Gott / vnd wissen was gut vnd böse ist" [Gen 3,4f.]). Wer nachparadiesisch müßig geht, wird nicht nur darben, sondern verstößt gegen das über den Menschen verhängte Arbeitsgebot und missachtet damit, zum zweiten Mal, die Autorität des die Ordnung der Welt setzenden Schöpfergottes. Wer hingegen arbeitet, der akzeptiert die über das Menschengeschlecht verhängte Strafe und bejaht, den ursprünglichen Verstoß bereuend, die Schöpfungsordnung. So ist mit der Vetreibung des Menschen aus dem Paradies nicht nur die Mühsal der Arbeit gesetzt, sondern ebenso der Binarismus von Arbeit und Müßiggang als ein den abendländischen Diskurs prägendes Unterscheidungswissen von einem gottgefälligen und einem gotteslästerlichen Leben.

Download full text files

Export metadata

Additional Services

Share in Twitter Search Google Scholar
Metadaten
Author:Franz-Josef DeitersORCiDGND
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-479850
ISBN:978-3-7705-5938-1
Parent Title (German):Arbeit und Müßiggang in der Romantik
Publisher:Wilhelm Fink
Place of publication:Paderborn
Editor:Claudia Lillge, Thorsten Unger, Bjärn Weyand
Document Type:Part of a Book
Language:German
Date of Publication (online):2018/10/25
Year of first Publication:2017
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Release Date:2018/11/15
GND Keyword:Müßiggang; Arbeit; Geschichte 1800; Literatur; Arbeit <Motiv>; Müßiggang <Motiv>; Deutsche Klassik
Page Number:18
First Page:39
Last Page:56
HeBIS-PPN:439806801
Dewey Decimal Classification:8 Literatur / 80 Literatur, Rhetorik, Literaturwissenschaft / 800 Literatur und Rhetorik
Sammlungen:CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
BDSL-Klassifikation:04.00.00 Allgemeine Literaturgeschichte / BDSL-Klassifikation: 04.00.00 Allgemeine Literaturgeschichte > 04.02.00 Studien
13.00.00 Goethezeit / BDSL-Klassifikation: 13.00.00 Goethezeit > 13.13.00 Stoffe. Motive. Themen
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht