[Rezension zu:] Das Mittelalter für Kinder, erklärt von Jacques Le Goff. Aus dem Französischen übersetzt von Ursula Vones-Liebenstein, München (C. H. Beck) 2007, 112 S., ISBN 978-3-406-56439-0, EUR 14,90

  • Wohl kaum ein(e) Mittelalterhistoriker(in) kann umhin, bei der Lektüre des folgenden Satzes die Augen zu verdrehen: "Für alle, ob jung oder alt, gehören die Burgen zum 'schönen' Mittelalter" (S. 36). Eine solche Reaktion erklärt sich aus der Situation, in der wir Mittelalterhistoriker oft stecken: Kommentare wie, "Ich war vor kurzem auf einem Mittelaltermarkt/einer Burg. Das müsste Dich doch interessieren …" gehören wohl zum nichtwissenschaftlichen Alltag jedes Mitglieds unserer Spezies. Das ganze Studium über wurde man von Juristen, Politologen, Zeitgeschichtlern etc. belächelt, die dachten, sie würden die Welt verstehen, weil sie sich etwas intensiver mit den bundesrepublikanischen Gründervätern auseinandergesetzt hatten, einige UN-Abkürzungen mehr konnten und tatsächlich glaubten, mit der pax americana habe die erste Hegemonialmacht das Licht der Welt erblickt. Gerade als Mittelalterhistoriker(in) fällt einem immer wieder auf, wie viele Leute denken, sie hätten Verständnis für das Funktionieren menschlicher Gesellschaften, nur weil sie sich einen oberflächlichen historischen Überblick über das 20. Jahrhundert angeeignet haben. Nur selten sehen solche Leute, dass die Mittelalterwissenschaften – über Burgen und Ritter hinaus – massenhaft Themen zu bieten haben, ohne die unsere heutige Welt nicht verständlich wäre. Auf diesem Hintergrund erklärt sich die oben beschriebene, vorschnelle Reaktion auf Jacques Le Goffs Einführung ins Mittelalter für Kinder, die mit Rittern, edlen Frauen, Burgen, Kathedralen, Kaisern, Päpsten, Königen etc. aufwartet, dem klassischsten aller Mittelalterbilder. Denn gerade dieses Bild ist es, dass Nichtspezialisten über diese ach so archaische und primitive Zeit lächeln lässt, in der man ja tatsächlich noch auf Eseln oder Pferden ritt, noch religiös war und außerdem noch Hungersnöte kannte. Man sieht ja täglich in den Nachrichten, wie wunderbar wir die Probleme der Menschheit – viele schon im Mittelalter bekannt – in den Griff bekommen, wie weit wir uns von unseren "archaischen Wurzeln" entfernt haben …

Volltext Dateien herunterladen

Metadaten exportieren

Weitere Dienste

Teilen auf Twitter Suche bei Google Scholar
Metadaten
Verfasserangaben:Daniel König
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-492726
URL:https://prae.perspectivia.net/publikationen/francia/francia-recensio/2010-1/MA/le-goff_koenig
ISSN:2425-3510
Titel des übergeordneten Werkes (Deutsch):Francia Recensio
Verlag:Thorbecke ; Deutsches Historisches Institut
Verlagsort:Ostfildern ; Paris
Sonstige beteiligte Person(en):Jacques Le Goff
Dokumentart:Rezension
Sprache:Deutsch
Jahr der Fertigstellung:2010
Datum der Erstveröffentlichung:08.04.2010
Veröffentlichende Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Datum der Freischaltung:05.03.2019
GND-Schlagwort:Mittelalter
Jahrgang:37
Ausgabe / Heft:1, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500)
Seitenzahl:4
Bemerkung:
Lizenzhinweis: Dieser Beitrag unterliegt der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung (CC-BY-NC-ND), darf also unter diesen Bedingungen elektronisch benutzt, übermittelt, ausgedruckt und zum Download bereitgestellt werden. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de
HeBIS-PPN:447242938
Institute:Philosophie und Geschichtswissenschaften / Geschichtswissenschaften
DDC-Klassifikation:9 Geschichte und Geografie / 90 Geschichte / 900 Geschichte und Geografie
9 Geschichte und Geografie / 94 Geschichte Europas / 940 Geschichte Europas
Sammlungen:Universitätspublikationen
Lizenz (Deutsch):License LogoCreative Commons - Namensnennung-Nicht kommerziell-Keine Bearbeitung 3.0