Strukturelle Grundlagen und Mechanik von Zytogelen

  • Die G/F-­Transition zytoskelettärer Elemente bildet die molekulare Basis zur Kontrolle der Zellform, Motilität, Migration und Invasivität von Zellen. Die Änderungen der Filamentlängen werden durch bindende Proteine kontrolliert, wodurch sich die viskoelastischen Eigenschaften des Zytoplasmas ändern. Die Kenntnis der mechanischen Eigenschaften der einzelnen Zytoskelettelemente in vitro (mit und ohne bindende Proteine) ist die Grundlage zum Verständnis der Zellmechanik. Daher wurde eine nicht destruktive Methode zur Bestimmung viskoelastischer Eigenschaften von Gelen und Flüssigkeiten entwickelt. Als Viskositätssensor dient ein kleines Glasstäbchen, welches in der zu untersuchenden Flüssigkeit in seiner Resonanzfrequenz schwingt. Aufgrund der Zähigkeit der Flüssigkeiten kommt es zur Mitbewegung angrenzender Flüssigkeitsschichten. Die Eindringtiefe der erzeugten Scherwellen ist eine Funktion der Viskosität und der Dichte der Flüssigkeit. Die extrem kleinen Auslenkungen (1­100 nm) des Sensors werden von einem phasensensitiven akustischen Mikroskop detektiert, welches gleichzeitig die Detektion des Elastizitätsmoduls der Flüssigkeit ermöglicht. Nach Aufbau und Weiterentwicklung des Gerätes wurde die Viskoelastizität während der Polymerisation von Aktin, Tubulin und Neurofilamentprotein gemessen sowie während der Interaktion der Polymere mit einer Reihe spezifisch bindender Proteine, wie z.B. a­Aktinin, Profilin, Glykolyseenzyme, MAPs bzw. Zellgiften wie Cytochalasin D, Phalloidin, Colchizin und Taxol. Im Vergleich zu F­Aktinlösungen ist die dynamische Viskosität von Mikrotubulilösungen um eine Zehnerpotenz und die Schallgeschwindigkeit um etwa 100 m/s höher. Die Viskoelastizität von Nicht-­Muskelaktin ist im Vergleich zu Muskelaktin etwa dreimal höher. Die steady­state-­Viskositäten von F-­Aktin­ und Mikrotubulilösungen nähern sich mit steigender Proteinkonzentration einem Maximalwert an, wohingegen die Elastizitäten sich einem Minimalwert annähern, was auf eine nematische Phasentransition zurückzuführen ist. Der Schallgeschwindigkeitsverlauf während der Polymerisation von Aktin und Tubulin ist biphasisch: er nimmt zunächst vor messbaren Viskositätsänderungen zu, was hinsichtlich des Aktins auf eine Zunahme steifer Aktinprimer und hinsichtlich des Tubulins auf die Bildung oligomerer Strukturen mit hoher intrinsischer Steifigkeit zurückzuführen ist. Für Proteinkonzentrationen >20 µM fällt dann die Schallgeschwindigkeit nach dem Erreichen des Viskositätsmaximums ab, was durch eine erhöhte Volumenkompressibilität infolge zunehmender Hydratation der Polymere begründet ist. Versuche mit polymerisationsfördernden bzw. depolymerisierenden Agenzien wie Taxol bzw. Colchizin und Kalzium zeigen, dass die hohe Elastizität von Mikrotubulilösungen durch die intrinsische Elastizität der Tubulinoligomere dominiert wird. Die Viskosität von Mikrotubuli mit assoziierten MAPs (MTP) ist im Vergleich zu F­Aktin ungefähr doppelt so hoch und im Vergleich zu PC-­Tubulin ungefähr dreimal niedriger. Die Elastizität von MTP ist im Vergleich zu F­Aktin durchschnittlich 4 % höher und 3 % niedriger im Vergleich zu MAP-­freien Mikrotubuli. Die Assoziationen von Neurofilamenten an Mikrotubuli induzierte einen Viskositätsanstieg, während die Elastizität fiel, was auf eine Destabilisation der Mikrotubuli während der Interaktion zurückzuführen ist. Die Destabilisation ist möglicherweise eine Folge einer GTP-­Hydrolyse durch die an den Neurofilamenten assoziierte GTPase. Neben den zeitlich voneinander unabhängigen Verläufen der Schallgeschwindigkeit und der Viskosität konnte mit Hilfe der Detektion der Schalldämpfung während der Polymerisation von Aktin eine weitere zeitlich unabhängig verlaufende Kinetik bestimmt werden, welche mit der Quervernetzung und der Filamentlänge zusammenhängt. Die Schalldämpfung von Neurofilamenten ist im Vergleich zu F-­Aktin etwa 10­mal höher. Während der Polymerisation von Tubulin, mit und ohne MAPs, konnte aufgrund hoher Schallreflektionen, bedingt durch die festkörperähnlichen Strukturen, keine klar definierte Schalldämpfungskinetik bestimmt werden. Die Elastizität von Aktingelen (1 mg/ml) hängt nicht mit der Deformationsfrequenz (0,05­33 kHz) zusammen. Nach der Zugabe von a-­Aktinin steigt jedoch die Elastizität mit der Frequenz gemäß dem Verhalten eines elastischen Körpers an. Auch durch die Zugabe hoher ATP-­Konzentrationen (2 mM) kann die Elastizität von Aktin erhöht werden. Impulsartige Modulationen der Schwingungsamplitude von ± 30 nm senkten die Viskosität von Aktingelen (< 25 µM) um 50 %, was auf ein Zerschlagen und Umorientieren von Filamenten zurückzuführen ist. Durch die Zugabe von a­Aktinin waren diese Viskositätsänderungen siebenmal niedriger. Die Viskosität von Aktingelen > 50 µM konnte durch impulsartige Erhöhungen der Schwingungsamplitude (> 40 nm) nicht verringert werden. Ebenso wurden die Viskositäten von Tubulingelen (15­100 µM) und Neurofilamentlösungen (> 0,5 µM) durch impulsartige Deformationen im Nanometerbereich (10­100 nm) nicht beeinflusst. Niedrige Profilinkonzentrationen (Aktin:Profilin 1) fördern die Polymerisation von Mg 2 ­bg­G­Aktin. Ebenso führt die Zugabe von Profilin (Aktin:Profilin = 1:1) zu bereits polymerisiertem Aktin zu einer Viskositätszunahme. Profilin im Überschuss (Aktin:Profilin = 1:5) hemmt die Polymerisation von Mg 2 ­bg­G­ Aktin. Im Gegensatz zu Muskelaktin verliert Nicht­Muskelaktin nach einiger Zeit (> 40 Minuten) seine Elastizität. Dieser Elastizitätsverlust kann durch die Zugabe von Profilin verzögert werden. Nach der Zugabe geringer Profilinkonzentrationen zu bg­Aktin wurde anhand von EM-­Aufnahmen vermehrt nicht­ filamentöse Aktin-­Aggregate gezeigt, welches besonders hohe Elastizitätswerte aufwies. Zusammen mit den rheologischen Befunden für Aktin­ und Mikrotubulilösungen kann geschlossen werden, dass nicht­ filamentöse Formen zytoskelettärer Elemente (Tubulinoligomere, Aktintrimere, G­Aktincluster) in hohem Maße zur Elastizität von Zellen beitragen. Hexokinase fördert die Polymerisation von Aktin. In Gegenwart hoher ATP-­Konzentrationen wirkt sie durch Fragmentierung von Aktinfilamenten elastizitätsmindernd. In Gegenwart von Glukose wird dieser Effekt aufgehoben. LDH­H 4 fördert in Gegenwart ihres Coenzyms NADH die Polymerisation von Aktin. Gibt man zusätzlich Pyruvat hinzu, so wird dieser Effekt nahezu umgekehrt. Unter diesen Bedingungen ist ferner die Enzymaktivität der LDH­H 4 eingeschränkt. Umgekehrt fördert die LDH­H 4 in Gegenwart von Laktat und NAD die Polymerisation von Aktin, wobei gleichzeitig die Enzymaktivität der LDH­H 4 erhöht ist. Diese Befunde sprechen für eine deutliche Reziprozität zwischen LDH­H 4 und Aktin. Aldolase reduziert deutlich die Viskoelastizität von F-­Aktin, was in der Bildung von F-­Aktin­-Aldolase­ Parakristallen begründet ist. Die Zugabe des Substrates FBP erhöht hingegen die Viskoelastizität von F­ Aktin. Der Effekt hängt jedoch davon ab, ob Magnesium­-Ionen an den Aldolase-­G-­Aktin-­Komplex binden. Wird Aldolase zu polymerisierendem Aktin zugegeben, so bleibt die Viskosität der Lösung unverändert, während die Elastizität zunimmt. In diesem Falle wird die Steifigkeit der Filamente durch die Anla­ gerung der Aldolase erhöht. Zytosolische, nicht­membrangebundene Enzyme, wie die Aldolase, Hexokinase und LDH binden demnach an F-­Aktin und modulieren seine Mechanik. Das Ausmaß der Modulation hängt von der Konzentration der Enzyme sowie der Gegenwart der jeweiligen Substrate ab. Ferner moduliert Aktin reziprok die Aktivität der Enzyme.

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Metadaten
Author:Oliver Wagner
URN:urn:nbn:de:hebis:30-0000001445
Referee:Jürgen Bereiter-HahnORCiDGND
Document Type:Doctoral Thesis
Language:German
Date of Publication (online):2003/04/10
Year of first Publication:2000
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Date of final exam:2000/11/06
Release Date:2003/04/10
GND Keyword:Zellskelett; Viskoelastizität; Messung
HeBIS-PPN:09551564X
Institutes:Biowissenschaften / Biowissenschaften
Dewey Decimal Classification:5 Naturwissenschaften und Mathematik / 57 Biowissenschaften; Biologie / 570 Biowissenschaften; Biologie
Sammlungen:Sammlung Biologie / Biologische Hochschulschriften (Goethe-Universität)
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht