Die Rolle kognitiver Prozesse beim komplexen Problemlösen

  • Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Identifikation von leistungsrelevanten kognitiven Prozessen beim komplexen Problemlösen (KPL). Außerdem soll untersucht werden, ob sich Leistungsunterschiede beim KPL zwischen soziodemografischen Gruppen durch Prozessmaße erklären lassen. Dazu wurden in den drei Einzelarbeiten, auf denen diese Arbeit basiert, verschiedene Prozesse und ihr Zusammenhang mit der Leistung beim KPL untersucht. Darüber hinaus schafft die vorliegende Arbeit einen theoretischen Rahmen, in den sich die drei Einzelarbeiten einordnen lassen. Die Fähigkeit komplexe Probleme lösen zu können, ist eine grundlegende Kompetenz in Bildung und Alltag und ermöglicht eine aktive Teilhabe an der Gesellschaft. KPL kann daher auch als Schlüsselkompetenz in der Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts verstanden werden (Binkley et al., 2012; Trilling & Fadel, 2009). Komplexe Probleme begegnen jedem Menschen im beruflichen und privaten Umfeld sowie auf gesellschaftlicher Ebene. Daher ist es wichtig zu verstehen, welche Prozesse für effektives KPL relevant sind. Darüber hinaus wurden wiederholt Leistungsunterschiede beim KPL in Abhängigkeit vom Geschlecht und vom Migrationshintergrund der Personen festgestellt (OECD, 2014a; Sonnleitner, Brunner, Keller & Martin, 2014; Wüstenberg, Greiff, Molnár & Funke, 2014). In der ersten Arbeit wird der Zusammenhang verschiedener Aspekte von Planung mit der Leistung beim KPL untersucht. Die betrachteten Planungsaspekte sind die Dauer des längsten Planungsintervalls, der Zeitpunkt zu dem Planung erfolgt und die Variation der Dauer von Planungsintervallen im Problemlöseprozess. Zudem wird untersucht, ob die Effekte bei verschiedenen Aufgaben unterschiedlich ausgeprägt sind und ob es Interaktionseffekte der drei Planungsaspekte gibt. Die Ergebnisse zeigen, dass Planung grundsätzlich zu einem möglichst frühen Zeitpunkt stattfinden sollte. Die beiden anderen Planungsaspekte wiesen hingegen aufgabenabhängige Effekte auf. Außerdem gab es Interaktionseffekte. Insgesamt wurde bei leichten KPL-Aufgaben festgestellt, dass ähnlich wie beim analytischen Problemlösen Planung zu einem frühen Zeitpunkt einen positiven Einfluss auf die Leistung hat (Unterrainer & Owen, 2006). Auch der Einfluss der Variation der Planungsdauer hing mit der Aufgabenschwierigkeit zusammen, wobei bei leichten Aufgaben ein gleichmäßiges und bei schweren Aufgaben ein ungleichmäßigeres Vorgehen vorteilhaft war. Der Effekt der Planungsdauer war ebenfalls aufgabenabhängig, jedoch nur schwach mit der Aufgabenschwierigkeit korreliert. Somit scheinen andere Aufgabeneigenschaften für diesen Zusammenhang ursächlich zu sein. In der zweiten Arbeit werden Leistungsunterschiede beim KPL in Abhängigkeit vom Geschlecht und vom Migrationshintergrund der Schülerinnen und Schüler untersucht. Das Ziel dieser Arbeit ist es, Leistungsunterschiede zwischen diesen Gruppen durch Prozessmaße zu erklären. Da es Evidenz für einen Zusammenhang der Häufigkeit von Interaktion beziehungsweise Exploration mit der Leistung beim KPL gibt, werden diese als Prozessmaße verwendet (Bell & Kozlowski, 2008; Dormann & Frese, 1994; Naumann, Goldhammer, Rölke & Stelter, 2014). Erwartungskonform wurden Leistungsunterschiede beim KPL zugunsten von Jungen gegenüber Mädchen und zugunsten von Schülerinnen und Schülern ohne Migrationshintergrund gegenüber Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund festgestellt. Außerdem zeigte sich, dass beide Prozessmaße positiv mit der KPL-Leistung korrelierten. Der Leistungsunterschied zwischen Jungen und Mädchen konnte durch die Interaktionshäufigkeit teilweise und durch die Explorationshäufigkeit vollständig aufgeklärt werden. Der Leistungsunterschied in Abhängigkeit des Migrationshintergrundes konnte hingegen durch keines der beiden Maße erklärt werden. Die dritte Arbeit hat zum einen das Ziel, die Rolle von Explorationsverhalten beim KPL genauer zu klären. Zum anderen werden mit einem explorativen Ansatz komplexe Verhaltensmuster untersucht. Dazu wurde eine weitere Differenzierung von Exploration in lösungsrelevante und lösungsunabhängige Exploration vorgenommen. Es konnte gezeigt werden, dass im Gegensatz zu den Ergebnissen aus der zweiten Arbeit lösungsunabhängige Exploration vermehrt bei erfolgloser Aufgabenbearbeitung auftritt. Lediglich lösungsrelevante Exploration scheint also zu einer höheren KPL-Leistung beizutragen. Zudem wurden verschiedene Verhaltensmuster identifiziert, die auf konkrete Stärken und Schwächen im komplexen Problemlöseprozess von Schülerinnen und Schülern hinweisen. Die vorliegende Arbeit erweitert die theoretische Basis für KPL, indem sie kognitive Prozesse ordnet und im Sinne einer Intention interpretierbar macht. Weiterhin werden durch die empirischen Arbeiten Erkenntnisse über die Relevanz der untersuchten Prozesse für die Leistung beim KPL und für die Erklärung von Leistungsunterschieden gewonnen. Damit erleichtert diese Arbeit die Erklärung der Rolle kognitiver Prozesse beim KPL, um so das Verständnis dieses Konstruktes zu verbessern. Dies ist wiederum die Basis, um Schülerinnen und Schüler beim Erwerb der Kompetenz zum Lösen komplexer Probleme zu unterstützen und sie so auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorzubereiten.

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Metadaten
Author:Beate Eichmann
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-561129
Place of publication:Frankfurt am Main
Referee:Frank GoldhammerORCiDGND, Holger HorzORCiDGND
Document Type:Doctoral Thesis
Language:German
Date of Publication (online):2020/09/22
Year of first Publication:2019
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Date of final exam:2020/09/16
Release Date:2020/09/25
Page Number:137
HeBIS-PPN:469801069
Institutes:Psychologie und Sportwissenschaften
Dewey Decimal Classification:1 Philosophie und Psychologie / 15 Psychologie / 150 Psychologie
Sammlungen:Universitätspublikationen
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht