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Thukydides als Therapeut? Berthold Beitz, Golo Mann und "Das Geheimnis der Freiheit"

  • Die Studie untersucht die Rezeption des Thukydides und deren geschichtspolitische Funktion in Dror Zahavis Biopic Das Geheimnis der Freiheit (2020), das vom Scheitern der 1974 von Berthold Beitz bei Golo Mann in Auftrag gegebenen Biographie über Alfried Krupp v. Bohlen und Halbach erzählt. In dem Film werden – so die These – bundesrepublikanische Kontroversen über Modi des Umgangs mit dem Nationalsozialismus (re-)inszeniert. Dieses Thema besitzt wegen gesellschaftlicher Wandlungsprozesse auch in der Gegenwart, in der sich die Frage nach der Stellung des Nationalsozialismus im Geschichtsbewusstsein neu stellt, eine hohe gesellschaftsdidaktische Relevanz. Als zentrale Argumentationsfigur der Protagonisten im Film dient ein zum Sprichwort mutierter Satz aus dem Epitaphios des Perikles (Thuk. 2,43,4). Die Untersuchung weist nach, wie der Film bei der Nutzung des Zitats in Bezug auf Beitz’ Biographie eine Deutungstradition fortschreibt, die Berthold Beitz selbst begründet hat und die von seinem Biographen Joachim Käppner und Bundespräsident Joachim Gauck in das kulturelle Gedächtnis der Bundesrepublik eingeführt worden ist. Es zeigt sich, dass Das Geheimnis der Freiheit seine geschichtspolitischen Ziele nur durch eine fundamentale Manipulation am Wortlaut des Thukydides erreicht, damit jedoch seine erkenntnistheoretischen Prämissen und sein Plädoyer für Professionalität im Umgang mit der Geschichte konterkariert. Der Name des Thukydides, dessen Autorität der Film als historiographische Instanz in Anspruch nimmt, wird so zu einem Etikett ohne Substanz. Durch die unsachgemäße Berufung auf sein Werk werden überdies effektivere, in der deutschen Geschichtskultur angelegte Zugänge zur Debatte über die künftige Bedeutung der nationalsozialistischen Vergangenheit blockiert. Perspektiven für eine konstruktive Rezeption des Thukydides im gesellschaftlichen Diskurs über die Geschichte sieht der Aufsatz im Verzicht auf das Konzept einer historia magistra vitae, das auf der Einebnung von Alteritäten zwischen Vergangenheit und Gegenwart fußt, sowie in der Nutzung des Reflexionspotentials, das Thukydides’ Darstellung bietet und das auch in seinem „Methodenkapitel“ (1,20-3) eingefordert wird. Zumindest auf diese Weise besitzt Thukydides eine orientierungsstiftende Aktualität für die Bundesrepublik.

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Verfasserangaben:Nils SteffensenORCiDGND
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-592079
DOI:https://doi.org/10.21248/fera.42.298
ISSN:1862-8478
Titel des übergeordneten Werkes (Deutsch):Frankfurter elektronische Rundschau zur Altertumskunde : FeRA
Verlagsort:Frankfurt am Main
Dokumentart:Wissenschaftlicher Artikel
Sprache:Deutsch
Datum der Veröffentlichung (online):27.12.2020
Datum der Erstveröffentlichung:27.12.2020
Veröffentlichende Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Datum der Freischaltung:25.05.2021
Jahrgang:2020
Ausgabe / Heft:42
Seitenzahl:36
Erste Seite:60
Letzte Seite:95
HeBIS-PPN:481180273
Institute:Philosophie und Geschichtswissenschaften / Geschichtswissenschaften
DDC-Klassifikation:3 Sozialwissenschaften / 30 Sozialwissenschaften, Soziologie / 300 Sozialwissenschaften
9 Geschichte und Geografie / 93 Geschichte des Altertums (bis ca. 499), Archäologie / 930 Geschichte des Altertums bis ca. 499, Archäologie
Sammlungen:Universitätspublikationen
Zeitschriften / Jahresberichte:Frankfurter elektronische Rundschau zur Altertumskunde : FeRA
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