Politische Geldkritik in der französischen Literatur des 19. Jahrhunderts im Kontext von Balzac, Vallès, Zola und Jarry

  • In den bislang veröffentlichten literaturwissenschaftlichen Arbeiten zum Geldmotiv dominiert zumeist das "Entfremdungsparadigma". Das Geld wird aus soziologischer und philosophischer Perspektive als ein Motor des sozialen Wandels betrachtet, durch den soziale Beziehungen entfremdet, entmenschlicht und versachlicht werden. Bei der Lektüre dieser Arbeiten hat man zumeist den Eindruck, dass das Geld als eine Macht erscheint, die ihre Gestalt im Verlauf des 19. Jahrhunderts nicht verändert hat, die zwar scharf kritisiert worden ist, jedoch nicht im geringsten hat "gebrochen" werden können. Die vorliegende Arbeit geht hingegen davon aus, dass in literarisch gestalteten Geldmotiven nicht nur ein Aufbegehren gegen das Geld gestaltet ist, sondern dass Schriftsteller mit literarischen Werken auch an sozialen Kämpfen um die Aneignung von Geld und um den Wandel seiner Zirkulationsrichtung partizipiert haben. Während des 19. Jahrhunderts entfaltet sich ein Prozeß, der als Desillusionierung des utopischen Liberalismus bezeichnen wird. Unter "utopischer Liberalismus" wird die sich im 18. Jahrhundert formierende Doktrin verstanden, nach der es genüge, das Geld aus seinen feudalen Fesseln zu befreien, um eine sich selbst regulierenden ökonomische und soziale Prosperitätsbewegung in Gang zu setzen. Man schreibt dem ohne Schranken unreguliert zirkulierenden Geld eine soziale Harmonie herstellende gesellschaftsverändernde Kraft zu. Geld erscheint als die Verkörperung der Vernunft. Die in der vorliegenden Arbeit behandelten Autoren und Werke (Balzac, Daumier, Jarry, Vallès, Zola und andere) stellen im 19. Jahrhundert diese Sicht auf das Geld in Frage. Sie stellen dar, welche Auswirkungen die deregulierte Geldzirkulation im 19. Jahrhundert hat. Sie greifen Reformvorschläge ihrer Zeitgenossen auf, die Konzepte zu einer Regulierung der Geldzirkulation entworfen haben und sie entwickeln diese in literarischen Texten weiter. Die Wirtschaftsgeschichte Frankreichs zeigt, dass diese Gegenentwürfe einer Regulierung des Geldes erfolgreich gewesen sind. Die Geldzirkulationsspäre, die Finanzwelt und damit auch das Geld haben ihre Form im 19. Jahrhundert verändert. In der Restauration ist das unproduktive Geldkapital, das vor allem in Staatsrenten angelegt wird, die das politische und ökonomische Leben bestimmende Form des Geldes. Die Gewinne der Kapitalanleger und der Haute Banque, die die Staatsrenten profitabel verwaltet, werden finanziert, indem das Restaurationsregime und auch die Julimonarchie stetig sich verteuernde Steuern auf Konsumgüter erhebt. Den Schaden tragen das produzierende Bürgertum und die unteren Bevölkerungsschichten. Zwischen dem Beginn der Julimonarchie und der Blütephase des Second Empire gelingt es dem industriellen Bürgertum jedoch, die Geldzirkulation in ihrem Interesse zu regulieren. In der Dritten Republik führt dieser Wandel der Geldzirkulation zu einer Überakkumulation von Profiten, die dann in die Epoche des französischen Kapitalexports mündet. Frankreich wird zum Weltbankier, exportiert Geldkapital und importiert ausländische Staatsanleihen mit häufig sehr unsicherer Wertdeckung. Geld wird mehr und mehr zu einem auch fiktiven Wertzeichen. In der Arbeit wird in den unterschiedlichen sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Epochen exemplarisch belegt, welche konkreten Stellungnahmen zur Frage einer notwendigen Regulierung der Macht des Geldes in der Literatur zu finden sind.

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Metadaten
Author:Achim Schröder
URN:urn:nbn:de:hebis:30-0000001797
Referee:Raimund Rütten
Document Type:Doctoral Thesis
Language:German
Date of Publication (online):2003/04/25
Year of first Publication:1999
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Date of final exam:2001/03/07
Release Date:2003/04/25
GND Keyword:Französisch; Literatur; Geld <Motiv>
HeBIS-PPN:100357806
Institutes:Neuere Philologien / Neuere Philologien
Dewey Decimal Classification:8 Literatur / 84 Französische und verwandte Literaturen / 840 Literaturen romanischer Sprachen; Französische Literatur
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht