Hydroxyethylstärke (HES) im Urin nach Mehrfachinfusion von HES (450/0,7) : physiko-chemische Veränderungen der Substanzcharakteristika einer hochsubstituierten, hochmolekularen HES

  • Die bei verschiedenen klinischen Indikationen, wie beispielsweise als Volumenersatz oder zur Hämodilution, eingesetzte Hydroxyethylstärke wird vorwiegend über das Molekulargewicht und, sachlich richtiger, über die molare Substitution charakterisiert. In neueren Publikationen wurde die Beachtung der Substituentenverteilung, das C2/C6- Verhältnis, als zusätzliches Merkmal gefordert. Ferner sollten nicht die Parameter der Ausgangslösung, sondern die "in vivo- Merkmale" als maßgeblich für die Charakterisierung von HES herangezogen werden. Obwohl die hochsubstituierte HES in den siebziger Jahren eingeführt wurde, fehlen bisher noch immer Untersuchungen dieser HES. Die überwiegende klinische Anwendung der nachträglich eingeführten mittelsubstituierten HES hat hierzu entscheidend beigetragen. Ziel dieser Arbeit war es, an freiwilligen Versuchspersonen die in vivo- Veränderungen einer hochsubstituierten, hochmolekularen, HES (HES 450/0,7) nach Mehrfachinfusionen mit längerer Nachbeobachtung zu untersuchen. Dabei sollten die chemischen Veränderungen der HES im Serum und im Sammelurin mittels High Performance Liquid Chromatographie (HPLC) und Gaschromatographie (GC) bestimmt werden. Wie bereits in früheren Untersuchungen nachgewiesen wurde, konnte erneut festgestellt werden, dass auch langfristig weniger als 50 Prozent der am Probanden infundierten HES im Harn wiedergefunden werden (lediglich 37,35% der infundierten Menge). Aufgrund einer langsamen Elimination der verwendeten hochsubstituierten HES aus dem Plasmaverteilungsraum führen die täglich wiederholten Infusionen zu einem raschen Anstieg der Serumkonzentration von HES. Andererseits ist festzustellen, dass die Serumkonzentration von HES 30 Tage nach der letzten Infusion noch immer mehr als 50 Prozent der HES- Konzentration nach Abschluß der ersten Infusion beträgt. Das mittlere Molekulargewicht (Mw) der HES im Serum nimmt zunächst rasch auf Werte knapp über 200.000 Dalton (Da) ab; auch 30 Tage nach der letzten Infusion werden noch Werte knapp unter 200.000 Da gemessen. Das Zahlenmittel (Mn) steigt hingegen rasch an und bleibt dann relativ konstant um etwa 130.000 Da. Dies bedeutet, dass die HES in vivo einheitlicher wird. Eliminiert werden zunächst die hochmolekularen Anteile durch Aufspaltung und die niedermolekularen durch renale Elimination. Der Polydispersitätsquotient nimmt dementsprechend erheblich ab. Die gaschromatographische Bestimmung der molaren Substitution und des C2/C6- Verhältnis beschränkte sich auf die im Harn wiedergefundene HES. Hierbei konnte festgestellt werden, dass sich die molare Substitution kaum veränderte. Andererseits erfolgte ein deutlicher Anstieg des C2/C6- Verhältnis im Versuchsverlauf. Dies bedeutet eine Verminderung der Substitution an C6. Erwartungsgemäß erfolgte durch die Applikation von HES eine Hämodilution, die im weiteren Verlauf der mehrtätig wiederholten Infusionen durch versuchsbedingte Blutverluste überlagert und verstärkt wurde. Der kolloidosmotische Druck (KOD) nahm während der Infusion geringfügig zu, ebenso die Plasmaviskosität, die im Gegensatz zum KOD auch langfristig erhöht blieb. Die Amylaseaktivität im Serum nahm erwartungsgemäß zu und war auch 30 Tage nach der letzten Infusion als Ausdruck der Komplexbildung mit HES noch um 150 Prozent gegenüber dem Ausgangswert erhöht. Als wesentliches Ergebnis der vorgelegten Untersuchungen ist das Ausmaß der Kumulation von HES im Serum nach Mehrfachinfusionen anzusehen, die auch durch den dauerhaften Anstieg der Serumamylaseaktivität untermauert wird. Die verwendete Dosierung von HES lag noch im Bereich der Herstellerempfehlungen, wobei dieser keinerlei Hinweise auf eine mögliche Kumulation gibt. Der Nachweis hoher HES- Konzentrationen auch Wochen nach Infusion von hochsubstituierter HES scheint bedeutsam für die Dosierung bei Mehrfachinfusionen zu sein. Das Gewichtsmittel der Molmassen von hochmolekularer HES nimmt innerhalb des Organismus von 409.880 Da auf 232.580 Da nach der letzten Infusion ab, während das Zahlenmittel von 101.480 Da auf 132.020 Da zunimmt. Dies führt zu einer Abnahme des Polydispersitätsquotienten, d.h. zu einem engeren Schnitt der Molekülverteilung. Interessanterweise liegen die mittleren Molmassen von hochsubstituierter HES (0,7) im Serum deutlich oberhalb der Werte für mittelsubstituierte HES (0,5) und damit auch deutlich oberhalb der für diese HES ermittelten Nierenschwelle von 40.000 Da. Auch diese Daten, die erheblich von den Daten für mittelsubstituierte HES abweichen, können als Argument gegen die Charakterisierung von HES nach der in-vivo- Molmassenverteilung angeführt werden. Grundsätzlich kann aus den Daten abgeleitet werden, dass nicht kontrollierte Mehrfachinfusionen hochsubstituierter HES bei nachweislicher Kumulation zu Nebenwirkungen in Folge von überhöhter Volumenwirkung führen können. Dem entspricht, dass klinisch relevante Nebenwirkungen in der Regel nur bei Verwendung hochsubstituierter HES beobachtet wurden. Die vorgelegten Daten sollten Anlaß sein, die Dosierungsrichtlinien für Mehrfachinfusion hochsubstituierter HES zu modifizieren.
  • Hydroxyethyl-starch (HES) which is used for hemodilution or as volume substitute is characterized by it's molecular weight and by it's molar substitution in vitro. More recent publications focus on the C2/C6 ratio as an additional characteristic. Further it is suggested to typify HES by it's in vivo characteristics. Even if high- substituted HES has been introduced in the seventies until now there are no investigations on this kind of HES in the scientific literature. This leak of data may be due to the predominant use of middle- substituted HES in clinical routine. The purpose of this study was to investigate the longterm in vivo changes of high- substituted HES (HES 450/0,7) after repetitive infusion in healthy volunteers. We investigated the chemical changes of HES by High Performance Liquid Chromatography (HPLC) and gas chromatography (GC) in serum and collected urine specimens. Similar to former publications we observed that less than 50% of the HES which was infused could be found in the collected urine (only 37,35%). Due to it's slow elimination repetitive infusions of high- substituted HES lead to a rapid increase of serum levels. On the other hand we found, that the serum levels of HES after 30 days still were above 50% of the levels we found after the first infusion. The mean molecular weight (Mw) of HES initially decreases to approximately 200.000 Dalton (Da). After 30 days the mean molecular weight still was just less than 200.000 Da. The mean number average weight of the mol masses (Mn) increased quickly and remained at about 130.000 Da. This means that HES becomes more homogeneous by the time in vivo. Initially the high molecular fraction is eliminated by fission and the low molecular part by renal elimination. Therefore the quotient of polydispersity decreases considerably. Molar substitution and C2/C6 ratio were measured by gas chromatography only in urine. We found that there were no significant changes in molar substitution but a distinct increase of the C2/C6 ratio. This may be caused by a decrease of the C6 substitution. As expected there was a hemodilution due to the repetitive application of HES which was intensified by the loss of blood according to the study protocoll. The colloid osmotic pressure (COP) and the plasma viscosity initialy increased slightly during the infusions. However there was a longterm elevation of the viscosity only and not of the colloid osmotic pressure. As expected the activity of serum amylase increased and remained on elevated levels (150% of starting level) until 30 days after the final infusion. One of the major results of this study is the degree of the accumulation of HES after repeated infusions which is supported by the long lasting elevation of serum amylase activity. We used doses of HES according to the producer's instructions. However the producer's instructions do not content any information on a potential accumulation. The proof of high serum levels of HES even weeks after the final infusion of high molecular HES seems to be important for dose findings when repetitive administration is necessary. The mean molecular weight of high molecular HES in vivo decreases from 409.880 Da to 232.580 Da after the final infusion, while the mean number average weight of the mol masses increases from 101.480 Da to 132.020 Da. This leads to a decrease of the quotient of polydispersity and indicates a smaller width of the molecular distribution. The mean molecular weight of high substituted HES (0,7) exceeds the values of medium substituted HES (0,5) in the serum and it is consequently above the renal threshold of medium substituted HES which was determined at 40.000 Da. These data, which differ significantly from those on mean substituted HES, suggest not to use the in vivo distribution of molecular weight for characterization of HES. We furthermore conclude from our data that uncontrolled repetitive administration of high substituted HES leads to accumulation and consecutive side effects due to volume overload. Accordingly clinically relevant side effects are usually only seen after the use of high substituted HES. With reference to our results we recommend to modify the producer's dose instructions for repetitive administration.

Download full text files

Export metadata

Additional Services

Share in Twitter Search Google Scholar
Metadaten
Author:Alexander Lesch
URN:urn:nbn:de:hebis:30-0000004056
Referee:Harald Förster
Document Type:Doctoral Thesis
Language:German
Date of Publication (online):2004/05/11
Year of first Publication:2003
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Date of final exam:2004/05/04
Release Date:2004/05/11
HeBIS-PPN:120998998
Institutes:Medizin / Medizin
Dewey Decimal Classification:6 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften / 61 Medizin und Gesundheit / 610 Medizin und Gesundheit
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht