Hildegard von Bingen – eine widerständige Frau

  • Wie nur wenige Personen der mittelalterlichen Geschichte ist Hildegard von Bingen noch heute gegenwärtig. Versuchte man zu ihrem 800. Todestag im Jahr 1979 noch, sie mit einer Festschrift dem Vergessen zu entreißen, ist das Interesse der Wissenschaft – nicht nur der Historiographie – mittlerweile enorm gestiegen. Auch außerhalb von Forschung und Lehre befassen sich viele Menschen mit der prominentesten Nonne des 12. Jahrhunderts. Die Aufmerksamkeit, welche man der Klosterfrau entgegenbringt, ist dabei oft anderer Art als eine solche, mit der man zum Beispiel historische Romane aus der Zeit des „romantischen“ oder „finsteren Mittelalter“ liest. Augenscheinlich gibt es viele Menschen, die sich von einer Auseinandersetzung mit Hildegard von Bingen und ihrem Werk persönlich etwas versprechen. Die Mannigfaltigkeit des oevres, das nach Peter Dronke für die Zeit des Mittelalters nur mit der des Avicenna vergleichbar ist, scheint auf eine ebenso große Vielfalt an Interessen und Bedürfnissen der Gegenwart zu treffen. Hildegard steht im Mittelpunkt als Prophetin und Politikerin, Heilkundige und Naturforscherin, Musikerin und Dichterin, Esoterikerin und manches andere mehr. Der Blick zurück führt dabei gelegentlich zu einer sehr selektiven Rezeption. Die so genannte „Hildegard-Medizin“, die mit mittelalterlichen Rezepten „vorbeugen und heilen“ will, und Hildegard-Kochbücher, nach denen man „gesund und schmackhaft kochen“ kann, seien hier als Beispiele genannt. Es soll nun in dieser Arbeit nicht darum gehen, diese Rezeptionen als falsch oder richtig zu beurteilen. Denn gerade sie haben dazu geführt, dass die Ordensschwester heute nicht nur das Objekt kleiner Gelehrtenzirkel ist. Eine bedeutende Rolle in der Forschung spielt die Rekonstruktion ihrer Anthropologie, ihrer Ansichten von geschlechtsspezifischer Differenzierung und insbesondere von der Stellung der Frau. Das Interesse an diesen Komplexen gründet sich dabei oftmals auch auf die Hoffnung, hier einen Teil einer „kontinuierlichen, aber weitgehend verdeckten Frauentradition freizulegen“. Zudem scheint ihre aktive Teilnahme am öffentlichen, politischen und kirchlichen Leben beispielhaft für die Emanzipation von Frauen zu sein. Hildegard von Bingen kann nach diesem Verständnis mit ihrem Leben und Werk den Anschluss an eine kirchliche Tradition ermöglichen, die Frauen nicht abwertete. Zudem kann sie innerhalb der katholischen Kirche Modell für ein neues Rollenverständnis sein.

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Metadaten
Author:Christian Sperber
URN:urn:nbn:de:hebis:30-1035832
URL:http://www.magi-e.historicum.net/reihe/magi-e_band_06.pdf
ISBN:3-929303-25-6
Parent Title (German):magi-e – forum historicum , Band 6
Publisher:Schwarten Verlag
Place of publication:Aichach
Document Type:Book
Language:German
Date of Publication (online):2003/04/15
Date of first Publication:2003/04/15
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Release Date:2006/10/19
GND Keyword:Hildegardis <Bingensis>
Page Number:139
First Page:1
Last Page:139
Note:
Zugl.: Bayreuth, Univ., Magisterarbeit, 1999 (Überarb. Fassung)
Source:Freier Download von http://www.magi-e.historicum-archiv.net/reihe/magi-e_band_06.pdf
HeBIS-PPN:181829215
Dewey Decimal Classification:9 Geschichte und Geografie / 94 Geschichte Europas / 943 Geschichte Mitteleuropas; Deutschlands
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht