Rechtfertigungslehre und kirchliche Religiosität

  • „Meine Herren – Es wackelt alles“. Mit diesen berühmten Worten hatte Ernst Troeltsch die kirchliche, die religiöse und die theologische Situation der Zeit vor gut 100 Jahren umrissen: Es war 1896, auf einem Kongreß der „Freunde der Christlichen Welt“, einer Gruppe liberal denkender Professoren aus allen Fakultäten. Troeltsch hatte dabei beides im Blick: den Zustand der Kirche und die Sache der Theologie. „Es wackelt alles.“ Genau diese Empfindung war es, die vielen von uns jüngeren Theologen in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts zu schaffen machte. Was „wackelte“, war zunächst die Sache der Theologie selbst, die damals häufig, beispielsweise auf dem Stuttgarter Kirchentag von 1969, als „Streit um Kaisers Bart“ in Frage gestellt und lächerlich gemacht wurde. Und zwar keineswegs von Atheisten oder anderen Gegnern der Kirche, sondern von jungen Theologen, von Studenten und Vikaren. Verunsichert waren sie vor allem durch die Ergebnisse der historisch-kritischen Bibel-Exegese, die gar nicht mit den Ursprungsmotivationen für ihr Theologiestudium zusammenpassen wollten. Verunsichert waren sie zusätzlich durch die marxistische Religionskritik, die damals ihre große Renaissance erlebte. Und „es wackelte“ nicht nur die Theologie; sondern es begannen auch die nach 1945 so kräftig restaurierten Funktionen und Rollen der Kirche zu wackeln. Als verunsichernd wurde vor allem die ungewohnte und scharfe (dabei de facto unwissenschaftlich einseitige) sozialkritische Analyse des Handelns der Kirche und seiner Folgen in 2000 Jahren Christentumsgeschichte empfunden. „Vom Elend des Christentums“ hieß die polemische Kampfschrift des jungen Marburger Dr. theol. Joachim Kahl. Das kleine Rowohlt-Büchlein fand reißenden Absatz unter den theologischen und nichttheologischen Kritikern der Kirche. ...

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Metadaten
Author:Karl-Wilhelm Dahm
URN:urn:nbn:de:hebis:30-49433
URL:http://web.uni-frankfurt.de/irenik/religionskultur.htm
ISSN:1434-5935
Parent Title (German):Journal of religious culture = Journal für Religionskultur
Series (Serial Number):Journal of religious culture = Journal für Religionskultur (38)
Publisher:Univ.
Place of publication:Frankfurt am Main
Document Type:Part of Periodical
Language:German
Year of Completion:2000
Year of first Publication:2000
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Release Date:2007/10/26
Issue:38
Note:
Am 7. Dezember 1999 wurde Prof. Dr. Edmund Weber, der Herausgeber des Journal of Religious Culture, 60 Jahre alt. Am 10. Dezember wurde ihm zu Ehren im Gästehaus der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main im Rahmen einer akademischen Feier die Festschrift "Annäherungen an das Heilige", 1999 erschienen im Verlag W. Kohlhammer, übergeben.
Prof. Dr. Karl Wilhelm Dahm, Münster, hielt dabei den hier wiedergegebenen akademischen Festvortrag. (M. Benad)
HeBIS-PPN:192098691
Institutes:Angeschlossene und kooperierende Institutionen / Institut für Wissenschaftliche Irenik
Dewey Decimal Classification:2 Religion / 23 Christentum, Christliche Theologie / 230 Christentum, Christliche Theologie
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht