Selektive Erinnerung : Selbstbegründungsmythen der literarischen Intelligenz in Ost und West nach 1945

  • Wendet man sich der Frage nach dem Selbstverständnis und den Rollen von deutschen Intellektuellen nach 1945 zu, so muß man sich bewußt halten, daß vier, fünf wichtige Jahrzehnte der Geschichte 'des' modernen Intellektuellen - mit fast allen denkbaren diskursiven Zuschreibungen - bereits absolviert und auch realisiert sind. Es gab den Typus des Intellektuellen als Sprecher für universelle Werte (Gerechtigkeit, Wahrheit, Vernunft), der als Moralist die Unabhängigkeit des Geistes gegenüber der Macht behauptete. Es gab inzwischen aber auch zuhauf den 'intellektuellen Verräter', um es pointiert zu sagen, der im Namen einer partikularen National-, Rassen- oder Klassenidentität auftrat und als Ideologe einer säkularisierten Heilslehre mit einem totalitären Regime gemeinsame Sache machte; der also an die Kompatibilität von Geist und Macht glaubte oder sie opportunistisch praktizierte. Nazideutschland hatte genügend Beispiele hervorgebracht. Martin Heidegger, Carl Schmitt und Gottfried Benn (für ein reichliches Jahr) sind nur die berühmtesten. Doch auch linke Intellektuelle, und unter ihnen viele Schriftsteller, die als Parteikommunisten (oder "Kommunisten ohne Parteibuch") agierten, kann ich nicht anders denn als Abtrünnige von der universalen Mission der Intellektuellen sehen - im Licht unseres geschichtlichen Wissens selbst dann, wenn sie an ihre Mission und die Universalität der von ihnen vertretenen Werte glaubten.

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Metadaten
Author:Wolfgang EmmerichGND
URN:urn:nbn:de:hebis:30-1161311
Publisher:Univ.
Place of publication:Rostock
Document Type:Report
Language:German
Date of Publication (online):2010/09/07
Year of first Publication:1997
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Release Date:2010/09/07
GND Keyword:Intellektueller; Schriftsteller; Deutschland; Kollektives Gedächtnis; Nachkriegszeit
Page Number:22
Note:
Postprint, ursprünglich in: Orientierung – Gesellschaft – Erinnerung. Hrsg.v. H. Hastedt, H. Lethen und D. Thomä. Universität Rostock 1997 (= Rostocker Philosophische Manuskripte. Neue Folge. Heft 4), S. 95-114
Source:Orientierung – Gesellschaft – Erinnerung. Hrsg.v. H. Hastedt, H. Lethen und D. Thomä. Universität Rostock 1997 (= Rostocker Philosophische Manuskripte. Neue Folge. Heft 4), S. 95-114
HeBIS-PPN:289528100
Dewey Decimal Classification:8 Literatur / 83 Deutsche und verwandte Literaturen / 830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
Sammlungen:Germanistik / GiNDok
Germanistik / GindokWeimar
BDSL-Klassifikation:03.00.00 Literaturwissenschaft / BDSL-Klassifikation: 03.00.00 Literaturwissenschaft > 03.14.00 Literatursoziologie
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht