Analyse von Struktur und Potential elektronischer Gesundheitsnetzwerke am Beispiel des Online-Expertenrats muko.info zum Schwerpunktthema Mukoviszidose

  • Elektronische Gesundheitsnetzwerke entwickeln sich zunehmend zu einer wichtigen Sparte im Bereich der Gesundheitsinformation. Mittlerweile stehen zahlreiche Online-Foren und -Expertenräte für den Austausch von Patienten untereinander oder zur Ratsuche in Gesundheitsfragen zur Verfügung. Besonders chronisch kranken Patienten kann so der Kontakt zur Außenwelt erleichtert und einer psychosozialen und medizinischen Unterversorgung entgegen gewirkt werden. Während es unstrittig ist, dass virtuelle Foren und Expertenräte bedeutende Chancen eröffnen, gibt es bisher kaum wissenschaftlich begleitete Projekte, die die Qualität und Effizienz der verfügbaren Dienste evaluieren. In der vorliegenden Arbeit wird der Nutzen elektronischer Gesundheitsnetzwerke am Beispiel des Online- Expertenrats muko.info analysiert. Das Modellprojekt wurde 2003 in Kooperation zwischen der Johann- Wolfgang- Goethe- Universität Frankfurt und dem Mukoviszidose e.V. zum Schwerpunktthema „Mukoviszidose“ initiiert. Hierbei wird die Hypothese geprüft, dass professionelle Beratungsangebote im Internet geeignet sind, einen relevanten Beitrag in dem vielschichtigen Versorgungskonzept chronisch kranker Patienten mit Mukoviszidose zu leisten. Im Rahmen einer 4- jährigen Projektphase wurden insgesamt 1.035 Kontaktaufnahmen mit 2.045 gestellten Fragen registriert. Davon verteilten sich 1.922 der Fragen auf das Patientenforum, während 123 Fragen aus dem Fachforum stammten. Die Fragen wurden unter Berücksichtigung quantitativer, qualitativer sowie emotionaler und psychosozialer Parameter untersucht. Als quantitative Parameter fanden in unserer Analyse die Gesamtzahlen der Kontakte und Fragestellungen, der Ratsuchenden und Ratgeber sowie eine Auswahl von 15 thematischen Kategorien Berücksichtigung. Ebenso ging die Unterscheidung zwischen Fragestellern und Patienten sowie die jeweilige Geschlechter- und Altersverteilung, aber auch die Berufsparten und Fachrichtungen sowohl der berufsbedingten Fragesteller als auch der Experten mit ein. Hinsichtlich der qualitativen Parameter wurden die Gründe der Ratsuchenden für ihre Teilnahme am jeweiligen Forum, die professionellen Rahmenbedingungen des Projekts und die Patientenzufriedenheit in die Auswertung miteinbezogen. Hierfür war ebenfalls die Betrachtung sowohl der inhaltlichen und haftungsrechtlichen Richtlinien als auch der organisatorischen, ethischen und prozeduralen Prinzipien erforderlich. Ferner fand eine Analyse der verbalisierten Emotionen in den Fragetexten statt. Es wurde eine Einteilung in 10 Emotionen gewählt und diese quantitativ der Anzahl der rein sachlich formulierten Antworten gegenübergestellt. Die daraus gewonnenen Ergebnisse wurden in Korrelation mit speziellen Rubriken, Altersklassen und Personengruppen gesetzt. Die Ergebnisse unserer Analyse belegen eine ausgeglichene Frequentierung des Expertenrats während der Projektzeit, wobei sich ein deutlicher Überhang weiblicher Fragesteller in beiden Foren zeigte. Die Gründe für die Teilnahme der Patienten beruhten in beiden Foren primär auf dem Wunsch nach Beantwortung fachlichmedizinischer Fragen, relevant häufig auch in den Bemühungen um eine Zweitmeinung. Qualitativ herrschte im Expertenrat eine grundsätzlich freundliche und spannungsarme Atmosphäre, welche von dem professionellen Verhalten der Experten sowohl in fachlicher als auch in psychosozialer Hinsicht gestützt wurde. Der sensible und ermutigende Umgang mit den Patienten sowie die meist zeitnahe, ausführliche und fundierte Bearbeitung der Anliegen wurde von den Fragestellern hoch geschätzt und wiederholt positiv bewertet. Im Zusammenhang der emotionalen und psychosozialen Situation der Betroffenen spiegelten sich im Patientenforum die enormen Belastungen und der starke emotionale Druck der Menschen im Umgang mit der chronischen Erkrankung in einer Vielzahl der Fragen wider. Demgegenüber wies sich das Fachforum durch fachlich- distanzierte, meist sachlich formulierte Anliegen aus. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Qualität der Antworten und die Patientenzufriedenheit wesentlich davon abhängen, ob es dem Experten gelingt, sich von der rein fachlichen Problematik zu lösen und seinen Blick für die emotionalen Bedürfnisse der Patienten zu öffnen. Ein respektvoller, ermutigender Umgang mit den Fragestellern sowie die Berücksichtigung ihrer emotionalen Bedürfnisse konnten neben der medizinisch- fundierten Beratung als wichtigste Aufgaben der Experten registriert werden. Finden diese Basisvariablen ihre Anwendung, hat ein professioneller Expertenrat im Internet nicht nur das Potential, einen ergänzenden Beitrag zum bestehenden Versorgungssystem für Patienten mit Mukoviszidose zu leisten. Vielmehr zeigte sich der Expertenrat vor dem Hintergrund der spezifischen Vorteile des Mediums Internet in einem geschützten, professionellen Rahmen als geeignetes Angebot für chronisch kranke Menschen, um diese zeitlich, geographisch, fachlich sowie emotional zu entlasten und zu stabilisieren. Die komplexen Anforderungen des Online- Expertenrats stellen die aktiven Mitglieder vor besondere Belastungen. Unsere Ergebnisse machen deutlich, dass neben medizinisch- fachlicher Expertise auch psychosoziale Kompetenz notwendig ist, welche ggfs. im Rahmen projektbegleitender Schulungen vermittelt und gepflegt werden sollte.
  • Electronic health networks are becoming an increasingly crucial part of health information. Now more than ever, numerous online forums and expert panels are available for the exchange of experiences and information between patients for the search for information concerning matters of health. Especially for chronically ill patients, these networks allow simplification of contact to the external world and possibly prevent a lack of psychosocial and medical attention. While it cannot be disputed that virtual forums and expert panels provide important platforms for exchange, there remain very few academically-escorted projects which evaluate the quality and efficiency of the available services. This dissertation analyzes the value of electronic health- networks using the example of the online expert panel muko.info. The model project, with emphasis on cystic fibrosis (German: “Mukoviszidose”), was initiated by the Johann Wolfgang Goethe University of Frankfurt in cooperation with “Mukoviszidose e.V.” in 2003. The study tested the hypothesis that professional offers of counselling on the internet provide a useful and relevant contribution to the care concept of chronically ill patients with cystic fibrosis. During a 4- year period, 1,035 forum users were registered with a total of 2,045 questions, 1,922 of which came from the patient forum, while 123 questions were derived from the expert forum. The questions were investigated under consideration of quantitative, qualitative, as well as emotional and psychosocial parameters. In our analysis, the examination of the quantitative parameters took into consideration the total numbers of users, questions of the individual users, the responses they received, and a selection of 15 thematic categories. Likewise, we made the distinction between questioners and patients as well as documenting the distribution across gender and age groups. We additionally examined the professions and specializations of the questioners and experts. Concerning the qualitative parameters, the motivation of the questioners for their participation in the particular forum, the basic conditions of the project and the patient satisfaction were incorporated. In this respect, it was also necessary to observe the guidelines for content and liability as well as organizational and ethical principles. In order to analyze the verbalized emotions within the questions, those emotions were graded into 10 variations and compared to the number of purely objective answers. Those results were correlated with specific categories, age groups and persons. The results of our analysis show a balanced use of the expert panel during the period of the project, though a clear majority of questioners in both forums were female. The most frequent motivation for patient participation was the desire for a response to professional medical questions, frequently in order to get a second opinion. In the expert panel forum, a basically friendly atmosphere could be observed, which we attributed to the professional behaviour of the experts with regard to psychosocial as well as technical issues. The sensitive and encouraging contact with the patients and the predominantly timely, detailed und fundamental handling of the cases were repeatedly rated very positively by the users. The enormous emotional and psychosocial burdens and pressures of the patients’ chronic illness were evident in several questions in the patient forum. In contrast, the expert forum was characterized by distanced and objective discussions. Our results illustrate that the response quality and patient satisfaction go hand in hand with the ability of the expert to distance himself from the purely objective point of view and to be responsive to the emotional needs of the patient. Respectful and encouraging management of user questions and the consideration of user needs as well as professional medical advice could be determined as the experts´ most important tasks. The application of our findings suggests that a professional online expert panel has the potential to make a meaningful contribution to the existing system for cystic fibrosis patients. Furthermore, our results show that professional counselling can be applied online, using the Internet as a protective setting to relieve and stabilize chronically ill persons not only chronologically and geographically, but also technically and emotionally. These complex demands put the active members of the expert panel under significant pressure. Our results show that, in addition to medical and functional competence, psychosocial skills are critical and should be offered and refreshed as needed through accompanying trainings.

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Metadaten
Author:Sandra Foth
URN:urn:nbn:de:hebis:30-115494
Referee:Tim Oliver HircheGND, Andrea Siebenhofer-KroitzschORCiDGND
Document Type:Doctoral Thesis
Language:German
Date of Publication (online):2011/09/16
Year of first Publication:2011
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Date of final exam:2011/07/14
Release Date:2011/09/16
HeBIS-PPN:277202604
Institutes:Medizin / Medizin
Dewey Decimal Classification:6 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften / 61 Medizin und Gesundheit / 610 Medizin und Gesundheit
Sammlungen:Universitätspublikationen
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht