Frühpleistozäne Vegetationsentwicklung im Südlichen Kaukasus : pollenanalytische Untersuchungen an Seesedimenten im Vorotan-Becken (Armenien)

  • Die lakustrinen Sedimente im Vorotan-Becken (Armenien) wurden palynologisch untersucht. Aus den Ergebnissen konnte die Vegetationsgeschichte im Südlichen Kaukasus während des Frühpleistozäns teilweise rekonstruiert werden. Bei den Sedimenten handelt es sich um diatomeenreiche Tone, Silte und Feinsande, in denen Pollen gut und pflanzliche Makroreste ausgezeichnet erhalten sind. Die Datierung ist durch die Kombination von Paläomagnetik und 39Ar/40Ar-Methode eindeutig: Die Sedimente decken den Beginn der „mid Pleistocene transition“ (1?110?–?960 ka) ab. An zehn Aufschlüssen wurden insgesamt 506 Sedimentproben genommen und die darin enthaltenen Pollen untersucht. So konnten insgesamt 64 Taxa nachgewiesen werden. Sie wurden in Pollenprofilen zusammengefasst und ökologisch bewertet. Die erhobenen Daten wurden zudem einer Faktorenanalyse und einer Clusteranalyse unterzogen, deren Ergebnisse ebenfalls in die Pollenprofile eingingen. Die Pollenprofile lassen deutlich regionale Vegetationszyklen während des Frühpleistozäns erkennen. Diese Zyklen werden ausführlich beschrieben und mit Ergebnissen anderer Autoren aus dem Mittelmeerraum verglichen. Auch ein Bezug zur rezenten Vegetation im Südlichen Kaukasus und den angrenzenden Gebieten wird hergestellt. Die Paläovegetation im Südlichen Kaukasus ist demnach während des Frühpleistozäns geprägt von einem Vegetationsmosaik aus Grassteppe und offenen Wäldern. Je nach Klima lassen sich Einflüsse von angrenzenden Vegetationszonen erkennen: borealer Nadelwald der Höhenlagen des Kaukasus, thermophiler Laubwald der euxinischen und hyrkanischen Wälder sowie xerotherme Steppe des Nordiran. Während der Interglaziale herrscht eine Waldsteppe aus thermophilem Laubwald (z.?B. Quercus, Carpinus, Ulmus, Zelkova, Tilia) vor, in der bei starken Erwärmungsphasen die Grassteppe deutlich dominiert und die Wälder wohl an Nordhänge und in Uferbereiche zurückgedrängt werden. In den Glazialphasen finden sich zunehmend Koniferen in der Vegetation (z.?B. Tsuga, Abies, Picea, Pinus) – bis hin zu einem nahezu geschlossenen Kiefernwald am Ende des ersten lang andauernden Glazials MIS 30. Es zeigt sich, dass sich die einzelnen Klimazyklen in der Ausprägung der Vegetation signifikant unterscheiden. Hierbei spielt sowohl die Amplitude der Erwärmung als auch die Dauer der jeweiligen Phase eine Rolle. Der Vergleich mit anderen Untersuchungen zeigt, dass die Vegetationszyklen im Südlichen Kaukasus teilweise deutlich anders verlaufen als im westlichen, zentralen und östlichen Mittelmeerraum. Entlang einer Ost-West-Achse ist hier ein „Vegetationsgradient“ zu erkennen. Das hat Auswirkungen auf die Interpretation der Ausbreitung früher Menschen aus Afrika nach Eurasien. Es ist davon auszugehen, dass sich nicht jeder Vegetationszyklus des Frühpleistozäns gleichermaßen gut für ein Vordringen nach Eurasien eignete. Geeignete Bedingungen (offene Landschaft, Vegetationsmosaik, warmes Klima) herrschten im Südlichen Kaukasus vor allem während stark ausgeprägter Interglaziale. Dagegen brachten lang anhaltende Glazialphasen wohl eher lebensfeindlichere Bedingungen für Homo erectus. Weil in den südlichen Regionen Europas teilweise eine stark abweichende Vegetation während der unterschiedlichen Klimaphasen vorherrschte, ist es naheliegend, dass der Südliche Kaukasus für die frühen Menschen eine Rolle als Refugium spielte. Deutlich zeichnen sich in den Ergebnissen Veränderungen in der Vegetation beim Übergang von den obliquitätsdominierten 41-ka-Klimazyklen zu den exzentrizitätsbestimmten 100-ka-Zyklen ab („mid Pleistocene transition“). Diese Veränderungen haben sich sicherlich auch auf die Population der Menschen ausgewirkt und größere Wanderbewegungen und/oder Anpassungen hervorgerufen. Möglicherweise haben in dieser drastischen Veränderung sogar kulturelle Entwicklungen ihren Anfang – zum Beispiel die Nutzbarmachung des Feuers.
  • The lacustrine sediments in Vorotan Basin (Armenia) have been examined palynologically. The results were used to reconstruct the vegetation history in the Southern Caucasus during parts of the early Pleistocene. The sediments consisted of diatomaceous clay, silt and fine sand, where pollen shows good and plant macrofossils show excellent preservation. Combination of palaeomagnetic and 39Ar/40Ar-method delivers a reliable dating of the sediments: they are covering the beginning of mid Pleistocene transition (1?110?–?960 ka). At ten outcrops 506 sediment samples were taken for pollen examination. A total of 64 different pollen taxa have been determined. They were summarized in pollen profiles and underwent an ecological interpretation. In addition all data were analysed statistically in a factor analysis and a cluster analysis. Their results are also included in the pollen profiles. The pollen profiles clearly show regional vegetation cycles during early Pleistocene. These cycles are described and compared with some results of other authors within the whole Mediterranean. Additionally relations to modern vegetation in the Southern Caucasus and adjacent areas are drawn. Palaeovegetation in Southern Caucasus shows a mosaic of grass steppe with more or less open forests. According to climate there are influences of neighbouring vegetation zones: boreal conifer forest of the Caucasus heights, thermophile deciduous forest of the euxinian and hyrcanian regions, xerothermous steppe of northern Iran. During interglacials an open forest with thermophile deciduous taxa (e.?g. Quercus, ­Carpinus, Ulmus, Zelkova, Tilia) occurs. During pronounced warming grass steppe areas are dominating whereas forests are pushed back to northern slopes and riparian areas. In glacial phases conifers are becoming increasingly important (e.?g. Tsuga, Abies, Picea, Pinus), finally leading to a closed pine forest at the end of the first long lasting glacial MIS 30. It becomes clear that the climate cycles differ significantly in the character of the according vegetation. For that amplitude of warming as well as duration of the phase play the most important role. The comparison with other investigations shows that vegetation cycles in Southern Caucasus are partly completely different to those in western, central and eastern Mediterranean. There is a „vegetation gradient“ along the east-west-axis. These results have some consequences to the interpretation of early human dispersals out of Africa into Eurasia. It seems obvious that not every vegetation cycle is convenient for the expansion of human population. In Southern Caucasus there were suitable conditions (open landscape, vegetation mosaic, warm climate) at pronounced interglacial phases. On the contrary long lasting glacial phases brought more hostile conditions for Homo erectus. As in southern regions of Europe the vegetation had been partly extremely different during certain climatic phases, it seems obvious that Southern Caucasus played an important part as a refuge for early humans. Vegetation changes at the transition from obliquity induced 41 ka cycles to eccentricity induced 100 ka cycles (mid Pleistocene transition) are very clearly shown by the results. These changes surely influenced the human population at that time and may have caused migrations and/or adaptations. Possibly they even have caused the beginning of cultural development, such as the utilization of fire.

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Metadaten
Author:Steffen Scharrer
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-301084
Referee:Volker MosbruggerORCiDGND, Angela Bruch
Advisor:Angela Bruch
Document Type:Doctoral Thesis
Language:German
Date of Publication (online):2013/06/26
Year of first Publication:2013
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Date of final exam:2013/06/24
Release Date:2013/06/26
Tag:Armenien; Kaukasus; Pleistozän; Pollen; Vegetation
Page Number:205 + Anhang
HeBIS-PPN:323039790
Institutes:Geowissenschaften / Geographie
Dewey Decimal Classification:9 Geschichte und Geografie / 93 Geschichte des Altertums (bis ca. 499), Archäologie / 930 Geschichte des Altertums bis ca. 499, Archäologie
Sammlungen:Universitätspublikationen
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht