Hochauflösende Erfassung der Seismizität im nördlichen Oberrheingraben : Schwarmbeben, Spannungsregime und seismische Gefährdung

  • Die Seismizität des nördlichen Oberrheingrabens (ORG) ist aufgrund seines Potentials für die geothermische Nutzung und der damit möglicherweise verbundenen seismischen Risiken von allgemeinem Interesse. Detaillierte Kenntnisse der natürlichen Seismizität erlauben Rückschlüsse auf aktive Störungszonen und Spannungsverhältnisse im Untergrund. Sie liefert außerdem wichtige Hintergrundinformationen für die Abschätzung einer möglichen induzierten Seismizität. Untersuchungen zur Charakterisierung der natürlichen Seismizität, des Spannungsfeldes und der seismischen Gefährdung des nördlichen ORG sind Hauptbestandteil dieser Arbeit, die innerhalb des BMU/BMWi-Projektes SiMoN (Seismisches Monitoring im Zusammenhang mit der geothermischen Nutzung des Nördlichen Oberrheingrabens) entstanden ist. Aufzeichnungen eines Netzwerkes aus 13 seismischen Stationen dienen als Datengrundlage zur Charakterisierung der Seismizität innerhalb eines etwa 50 x 60 km2 großen Areals im dichtbesiedelten Rhein-Main Gebiet. Untersuchungen der Rauschbedingungen zur Bewertung der Eignung der Stationsorte für das Aufzeichnen der natürlichen Seismizität lieferten bei den Stationen auf felsigem Untergrund sehr gute spektrale Eigenschaften, während alle Stationen im Sediment des ORG deutlich höhere Rauschanteile aufzeigten. Anhand systematischer Messungen in flachen Bohrlöchern konnten laterale und vertikale Variationen des seismischen Rauschens beschrieben werden und dadurch eine Verbesserung der Detektionsschwelle beobachtet werden. Es werden die Ergebnisse des seismischen Monitorings für den Zeitraum November 2010 bis Dezember 2014 dargestellt. Die Detektionsschwelle für das Netzwerk liegt bei einer Lokalmagnitude von etwa 0,5, die Vollständigkeitsmagnitude beträgt Mc = 1,2. Seit Beginn der Datenaufzeichnung konnten 243 Erdbeben im unmittelbaren Bereich des Stations-netzwerkes mit Magnituden im Bereich zwischen ML = -0,5 und ML = 4,2 lokalisiert werden. Die Epizentren liegen hauptsächlich entlang der östlichen Grabenschulter und im Graben; entlang der westlichen Grabenschulter ist die seismische Aktivität deutlich geringer. Eine weitere aktive Region konnte entlang der südlichen Ausläufer des Taunus im Nordwesten des Untersuchungsgebietes identifiziert werden. Die Seismizität erstreckt sich bis in eine Tiefe von 24 km mit einem Maximum der hypozentralen Tiefenverteilung im Bereich von 12-18 km. Im Graben ist die Seismizität dabei auf die tiefere Kruste im Bereich von 9-24 km beschränkt. Das Fehlen von seismischer Aktivität in der oberen Kruste bis ca. 9 km Tiefe im Graben könnte auf eine aseismische Deformation in diesem Tiefenbereich hindeuten. Seit Mai 2014 konnte südöstlich von Darmstadt bei der Ortschaft Ober-Ramstadt zum ersten Mal seit fast 150 Jahren eine Schwarmbebenaktivität im Bereich des nördlichen ORG registriert werden. Die Hypozentren sind in zwei Cluster unterteilt, die räumlich voneinander getrennt sind und unterschiedliche Aktivitätsraten aufweisen. Die Herdtiefen liegen im Bereich von 1-8 km. Zusätzlich zu den Daten des SiMoN Netzwerkes wurden Aufzeichnungen der regionalen Erdbebendienste in Herdflächenanalysen für insgesamt 58 Erdbeben einbezogen. Die Herdflächenlösungen weisen überwiegend Blattverschiebungen (Strike-slip-Mechanismen) auf. Auf- und Abschiebungen spielen nur eine untergeordnete Rolle. Die berechneten Herdmechanismen bestätigen, dass sich das Spannungsfeld des nördlichen ORG transtensional verhält, im Vergleich zu früheren Studien konnte jedoch eine deutlich ausgeprägte Blattverschiebungskomponente identifiziert werden. Zur Bestimmung der Hauptspannungsachsen wurde eine Inversion der Herdflächenlösungen durchgeführt und die Richtung der maximalen horizontalen Spannung, welche hauptsächlich in N135°E orientiert ist, bestimmt. Aufbauend auf den neu gewonnen Erkenntnissen zur natürlichen Seismizität und zum Spannungsfeld des nördlichen ORG wurde eine probabilistische seismische Gefährdungsanalyse durchgeführt. Um Unsicherheiten in den seismischen Quellregion-modellen zu berücksichtigen, wurden sechs unterschiedliche Modelle entwickelt. Für jede Quellregion wurden spezifische Parameter bestimmt. Ihre Unsicherheiten werden in einem logischen Baum behandelt. Auf der Grundlage eines neu zusammengestellten Momentmagnituden-basierten Erdbebenkatalogs wurden die Magnitudenhäufigkeits-parameter bestimmt. Unter Berücksichtigung des tektonischen Regimes in jeder Quelle wurden unterschiedliche Dämpfungsrelationen der Bodenbeschleunigung verwendet. Zur Quantifizierung der maximal zu erwartenden Magnitude in jeder Quelle wurden Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen berechnet. Die Resultate der Gefährdungsanalyse werden in Form von Karten der Spektralbodenbeschleunigungen und Spitzenboden-beschleunigungen für Wiederkehrperioden von 475 und 2475 Jahren und Antwortbeschleunigungsspektren dargestellt. Im Vergleich zu früheren Studien konnte eine erhöhte seismische Gefährdung für den nördlichen ORG festgestellt werden.
  • The seismicity of the northern Upper-Rhine Graben (URG) and its seismic hazard have recently attracted new attention due to the potential of this region for geothermal power generation. The natural seismicity can be used to determine active fault zones and stress conditions within the crust. It also provides important background information for the estimation of possible induced seismicity. The characterization of the region’s natural seismicity, the stress field and the seismic hazard is one of the main goals of this study and part of the SiMoN-project (Seismic Monitoring of the Northern Upper-Rhine Graben), which is funded by the BMU/BMWi. Recordings from a network of 13 seismic stations serve as data base for the characterization of natural seismicity in an area of approximately 50 x 60 km2 in the densely populated Rhine-Main region. Investigations of the noise conditions to assess the suitability of the station locations for the recording of the natural seismicity delivered very good spectral properties at stations on solid ground, while all stations on the sediments of the URG show significantly higher noise ratios, regardless of the location of the stations. Based on systematic measurements in shallow boreholes, lateral and vertical variations of the seismic noise are described and an improvement of the detection threshold by including borehole measurements is observed. Results of the seismic monitoring program period between November 2010 and December 2014 are shown. The detection threshold is a local magnitude of approximately 0.5, the magnitude of completeness is Mc = 1.2. 243 local earthquakes occurred within the immediate vicinity of the network with magnitudes in the range between ML = -0.5 and ML = 4.2. The majority of the epicenters are located along the eastern shoulder of the URG, while the western graben shoulder shows less activity. A further active region is located along the southern rim of the Taunus Mountains to the northwest of the study area. The seismicity extends to a depth of 24 km with a pronounced maximum in the depth distribution between 12-18 km. The seismicity in the graben is restricted to lower crustal depths of 9-24 km. The absence of seismic activity in the upper crust up to about 9 km depth in the graben may indicate an aseismic deformation in this depth range. Since May 2014, for the first time in nearly 150 years in the area of the northern URG, earthquake swarm activity could be registered southeast of Darmstadt near the city of Ober-Ramstadt. The hypocenters are divided into two clusters that are spatially separated from each other and have different activity levels. The hypocenter depths are in the range of 1-8 km. In addition to the data recorded by the SiMoN stations recordings provided by the regional seismological services were used to derive focal mechanisms for a total of 58 events. The associated fault-plane solutions show predominantly strike-slip mechanisms. Normal and reverse faulting mechanisms rarely occur. The calculated focal mechanisms presented in this study confirm that the area is in transtension, however, in contrast to previous studies, a stronger strike-slip component is identified. The azimuths of the principle stress axes were derived by inverting the fault plane solutions and the direction of the maximum horizontal stress, which is mainly oriented N135°E, was calculated. Based on the newly gained insights into the natural seismicity and the stress field of the northern URG, a probabilistic seismic hazard analysis was performed. To account for uncertainties in the seismic source zone models, a set of six different models has been developed. Specific parameters are determined for each source zone. Their uncertainties are implemented in a logical tree. Based on a newly assembled moment magnitude based earthquake catalog, magnitude recurrence parameters are determined. Considering the tectonic regime in each source zone, different ground motion prediction equations are used. In order to quantify the maximum expected magnitude in each source zone probability density functions were calculated. The results of the hazard analysis are presented in terms of maps of spectral accelerations and peak ground accelerations for return periods of 475 and 2475 years as well as acceleration response spectras. Compared to previous studies, a higher seismic hazard for the northern URG was calculated.

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Metadaten
Author:Benjamin Homuth
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-378703
Publisher:Univ.-Bibliothek
Place of publication:Frankfurt am Main
Referee:Georg RümpkerORCiD, Marco Bohnhoff
Advisor:Georg Rümpker
Document Type:Doctoral Thesis
Language:German
Date of Publication (online):2015/07/22
Year of first Publication:2015
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Date of final exam:2015/07/14
Release Date:2015/07/22
Tag:Nördlicher Oberrheingraben; Schwarmbeben; Seismische Gefährdung; Seismizität
Page Number:211
Last Page:191
HeBIS-PPN:362224463
Institutes:Geowissenschaften / Geographie / Geowissenschaften
Dewey Decimal Classification:5 Naturwissenschaften und Mathematik / 55 Geowissenschaften, Geologie / 550 Geowissenschaften
Sammlungen:Universitätspublikationen
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht