Katamnese und Lebenszufriedenheit von Kindern und Jugendlichen mit Geschlechtsidentitätsstörungen

  • Die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Geschlechtsidentitätsstörungen (GIS) wird seit dem Beginn der pubertätshemmenden Hormontherapie in den neunziger Jahren international kontrovers diskutiert. Diese Störung scheint bei Kindern durch psychotherapeutische Intervention besser behandelbar als bei Jugendlichen. Erwartet wurden weniger psychopathologische Auffälligkeiten und eine höhere Lebenszufriedenheit bei umfassender psychotherapeutischer Begleitung. Des Weiteren wurden die Hypothesen geprüft, dass sich ein Geschlechtswechsel ebenfalls positiv auf Lebenszufriedenheit und Psychopathologie auswirkt. Es nahmen insgesamt 37 Kinder, Jugendliche und Erwachsene an der schriftlichen Nachuntersuchung teil, die mindestens drei Jahre vor Studienbeginn aufgrund der Diagnose GIS des Kindes- und Jugendalters in der KJP Frankfurt vorgestellt wurden. Erfasst wurden Daten zur Geschlechtsidentität, zum Behandlungsverlauf und zur sexuellen Orientierung, zur Ausprägung der Psychopathologie laut altersangemessenem Screening-Inventar (CBCL, YSR, YASR) und zur Lebenszufriedenheit mithilfe des Inventars zur Erfassung der Lebensqualität bei Kindern und Jugendlichen (ILK). Außerdem wurden die Ausprägung der Psychopathologie (erfasst mit dem CBCL und oder YSR) bei der Erstvorstellung in der Klinik mit der jetzigen Einschätzung verglichen. Die erhobenen Daten geben keinen Hinweis darauf, dass umfangreiche Psychotherapie oder ein Geschlechtswechsel zu einer höheren Lebenszufriedenheit und einer Verbesserung der Psychopathologie führen. Im Laufe der Zeit kam es zu einer signifikanten Reduktion der Werte der Syndromskalen soziale Probleme und aggressives Verhalten bei allen Studienteilnehmern. Allerdings wurde ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Lebenszufriedenheit im Bereich seelische Gesundheit und der Zufriedenheit mit ihrer Psychotherapie gefunden. Die Drop-out-Analyse zeigte, dass Betroffene mit einer unbewältigten Problematik im Zusammenhang mit ihrer GIS eher nicht bereit waren, an dieser Studie teilzunehmen. Des Weiteren ergab sich, dass sich in der Gruppe der Studienteilnehmer signifikant mehr Personen für einen Geschlechtswechsel entschieden haben als in der Gruppe der Studienabbrecher. Aus den Ergebnissen lässt sich ableiten, dass alle Teilnehmer der Nachuntersuchung mit ihrem Lebensweg gleichsam zufrieden sind, unabhängig vom Ausmaß der Psychotherapie und der Entscheidung für einen Geschlechtswechsel. Außerdem haben alle Personen der Stichprobe heute weniger Probleme mit aggressivem Verhalten und weniger soziale Probleme. Da von einer Verzerrung der Stichprobe durch einen systematischen Ausfall von Teilnehmern auszugehen ist, sind weitere Nachuntersuchungen nötig, um die Hypothesen dieser Arbeit weiter zu überprüften. Darüber hinaus gilt es zu klären, ob bestimmte Psychotherapieformen bei einigen Patienten effektiver als andere sind.
  • Treatment of children and adolescents with gender identity disorder (GID) has been disputed internationally since the introduction of puberty-delaying hormonal treatment in the nineties. Children with this disorder seem to respond more positively to psychotherapy than adolescents. It was expected, that patients with long psychotherapy show more improvement of psychopathological problems and life satisfaction. Moreover, the hypothesis was tested, that sex change has a positive effect in these two areas as well. Altogether 37 children, adolescents and adults participated in the follow-up study. They were all diagnosed with gender identity disorder of childhood and adolescence in the Department of Child and Adolescent Psychiatry, Psychosomatics and Psychotherapy (DCAP) Frankfurt at least three years before the beginning of the study. Data were collected on gender identity, course of treatment, sexual orientation, psychopathology using Achenbach age-appropriate screening inventories (CBCL, YSR, YASR) and the Inventory for Quality of Life in Children and Adolescents (ILK) for measuring life satisfaction. Furthermore, Achenbach questionnaires’ scores (CBCL, YSR) obtained at initial examination at the DCAP were compared with current results. The collected data could not proof the hypotheses, that extensive psychotherapy or sex change contributes to a higher life satisfaction and an improvement of psychopathology. In the course of time scores of syndrome scales ‘social problems’ and ‘aggressive behavior’ were reduced in all participants. However, a significant correlation was found between life satisfaction in the area ‘mental health’ and satisfaction with psychotherapy. Drop-out analysis showed that more patients with unresolved gender identity problems refused participation in this study. Moreover, participants chose sex change significantly more often than non-participants. These results are interpreted as evidence that all participants of the follow-up study are equally satisfied with their lives, regardless of their decision for sex change and extent of psychotherapy. In addition, today all participants had fewer problems with aggressive behavior and fewer social problems. Because of some evidence for systematic distortion of our sample more follow-up studies are needed to proof the hypotheses of this study. Further studies are needed to assess whether certain methods of psychotherapy are more effective than others in GID patients.

Volltext Dateien herunterladen

Metadaten exportieren

Weitere Dienste

Teilen auf Twitter Suche bei Google Scholar
Metadaten
Verfasserangaben:Rebecca Neugebauer
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-419626
Verlagsort:Frankfurt am Main
Gutachter*in:Christine M. FreitagORCiDGND, Ralph Grabhorn
Dokumentart:Dissertation
Sprache:Deutsch
Datum der Veröffentlichung (online):08.11.2016
Jahr der Erstveröffentlichung:2014
Veröffentlichende Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Titel verleihende Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Datum der Abschlussprüfung:06.10.2016
Datum der Freischaltung:08.11.2016
Freies Schlagwort / Tag:Geschlechtsdysphorie bei Kindern und Jugendlichen; Geschlechtsidentitätsstörungen im Kindes- und Jugendalter; Katamnese Transidentität im Kindes- und Jugendalter; Transidente Kinder und Jugendliche
follow-up study of transidentity in children and adolescents
Seitenzahl:114
HeBIS-PPN:390385255
Institute:Medizin / Medizin
DDC-Klassifikation:6 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften / 61 Medizin und Gesundheit / 610 Medizin und Gesundheit
Sammlungen:Universitätspublikationen
Lizenz (Deutsch):License LogoDeutsches Urheberrecht