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Rilke erzählen
(2016)
Für die Erforschung von Rilkes "Leben und Persönlichkeit", ihre Möglichkeiten und Probleme, hat Joachim W. Storck bereits 2004 eine Zwischenbilanz vorgelegt. Er zeigt dabei eine biographische Linie auf, die 1936 mit Joseph-François Angelloz
beginnt und u.a. über Hans Egon Holthusen (1958) und Eudo C. Mason (1964) bis zu Donald Prater (dt. 1989) und Ralph Freedman (dt. 2001/2002) führt. Der Erfolg von Klaus Modicks Roman "Konzert ohne Dichter" (2015)2 verweist jedoch noch auf eine zweite Linie – auf die künstlerische Auseinandersetzung mit Rilkes Biographie, die sich der Fiktionalität als Darstellungsmodus bedient. Hier wären etwa Walter Hasenclevers Roman "Irrtum und Leidenschaft" (entstanden 1934- 1939, veröffentlicht 1969) zu nennen, außerdem Béatrice Commengés Erzählung "En face du jardin: Six jours de la vie de Rainer Maria Rilke" (2007) und die Romane von Moritz Rinke: "Der Mann, der durch das Jahrhundert fiel" (2010), Heiner Egge: "Tilas Farben" (2013) und die bereits erwähnte Publikation von Modick. Diese "erzählten Welten" sollten im Folgenden im Blick auf Rilke untersucht werden.
Klaus Modicks im Februar 2015 erschienener Worpswede-Roman "Konzert ohne Dichter" wurde vom Feuilleton begeistert aufgenommen, in der Rilke-Philologie sorgte er hingegen für hitzige Diskussionen. Doch neben einer recht oberflächlich ausagierten Häme gegen den im Titel ausgeschlossenen Dichter entwickelt der Roman eine komplexe Verflechtung von Bildern der bildenden Kunst und Bildern im Sinne von Images. Der folgende Beitrag führt Modicks biografischen Zugang in diesem höchst unterschiedlich rezipierten Text mit einem ekphrastischen Sonett Rilkes eng, das ebenso ein bestimmtes Image transportieren will.
2003 konstatiert Erwin Pracht in den Weimarer Beiträgen für den Beginn der 1990er Jahre einen "Ästhetisierungs-Boom" in Bezug auf die häufige Verwendung des Begriffs in zeitgenössisch aktuellen Debatten. Ästhetisierung erscheint in diesen Debatten nicht selten als postmoderne Modevokabel, wenngleich der Begriff bereits eine gut 200-jährige Verwendungsgeschichte hat: Ästhetisierung ist ein Neologismus der 'Sattelzeit' (Reinhart Koselleck), womit die Begriffsbildung von den gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Umbrüchen um 1800 zeugt. Gleichzeitig ist Ästhetisierung im Sinne einer Idee auch als Antwort auf diese Umbrüche zu verstehen. Aus der Ästhetisierung spricht ein Wunsch nach ästhetischer Bildung und politischer Teilhabe an Debatten gesellschaftlich relevanter Fragen. Im Kern liegt in der Ästhetisierung das Utopiepotential für ein besseres, das heißt schöneres Leben, welches weniger vollständig erreichbar, denn mehr als Ideal erstrebenswert scheint. Es zeugt von der Möglichkeit, die Perspektive zu wechseln und ästhetisierend wahrnehmen zu können. Dabei erweist sich eine ästhetisierende Haltung nicht als Flucht, sondern mehr als Vorsatz des Individuums, in der modernen Gesellschaft ein kultiviertes Leben zu führen und persönliche Gestaltungsoptionen, die zunehmend demokratischere Gesellschaftsstrukturen bieten, zu nutzen. Ästhetisierend wahrzunehmen ist so weniger Ausdruck davon, andere Perspektiven in den Hintergrund zu drängen, vielmehr zeigt sich daran, dass die unmittelbaren Lebensbedürfnisse gestillt sind. Zudem beinhaltet Ästhetisierung im Sinne individueller Gestaltungsmöglichkeiten einen Kern rebellierenden Protests, wie er sich besonders in den Ausprägungen des Dandys und Flaneurs äußert. Analog zum Anwachsen von Wohlstand, Bildung und politischer Teilhabe in Deutschland wird der Begriff der Ästhetisierung im Verlauf des 19. Jahrhunderts immer häufiger gebraucht. Die Fundierung des Begriffs liegt dabei im Nachdenken über Literatur.
Auch wenn der hier vorgenommene Vergleich die gegensätzlichen Erinnerungsentwürfe der Romane besonders betont hat, ist es doch beeindruckend, von welcher Komplementarität beide Texte im Hinblick auf die von ihnen erzählten Geschichten und ihren Einsatz der Familie sind. Während die Erinnerungsarbeit Austerlitz' an der Unerzählbarkeit des Traumas einer verlorenen Vergangenheit scheitert und damit den Bruch des 'post-memory' markiert, gelingt Wackwitz nicht nur die Herstellung einer Kontinuität der Erinnerung als 'trans-memory', sondern letztlich auch die Verschiebung ihres 'Ursprungsortes'. Mithilfe eines 'erschriebenen' 'transmemory' gelingt es in 'Ein unsichtbares Land' durch den Entwurf einer männlich codierten Genealogie, die Mitläuferschaft des Großvaters in die eigene Herkunftsgeschichte zu integrieren. Dabei bedingt Wackwitz' 'Herkunftssehnsucht' seine Erkenntnisbedingungen, Gegenläufiges und Widersprüchliches muss ausgeklammert bleiben. Im Vergleich mit Austerlitz offenbart sich dabei eine hermeneutische Sehnsucht, die die Brüche zu den Erinnerungen der anderen, die auch die Erinnerungen der Opfer sind, systematisch übergeht. Ganz anders Sebalds Roman, in dem sich die Vergangenheits- und Zukunftslosigkeit der Figur Austerlitz jeder Kontinuität der Erinnerung verweigert.
In 2015, the last work of Günter Grass appeared: Vonne Endlichkait (On Finiteness). This offers the opportunity to recall the highly personal style of this great German author. The whole book can be described as an artistic triad, consisting of short prose pieces, poems and drawings, most of them dealing with old age and death. The following linguistic and literary aspects are dealt with: genres and text types, the semiotic relations between prose, poetry and drawings, allusions to poets and philosophers, the representation of spoken and dialect German, syntactic constructions, semantics, and especially metaphorical processes. Finally, the article discusses some stylistic features which are typical of Grass's writing.
Das Buch gegen das Verschwinden ist Ulrike Almut Sandigs zweite Prosaveröffentlichung und kann mit dem Etikett lyrische Prosa versehen werden, da die Autorin bisher doch zumeist im lyrischen Bereich veröffentlicht hat. Klar und hart sind die Sätze, überlegt durchdacht die Szenen, ausgefeilt die Erzählstrukturen, die sich manchmal jedoch erst später strukturieren. Und doch findet Ulrike Almut Sandig einen Ton, der die Geschichte Die Blauen Augen Deiner Mutter in einer schwebenden Ambivalenz hält" (Schröder 2015). Sicher, man könnte all das rein realistisch lesen und daneben auch versuchen sich eine Meinung über den Gezi-Park zu bilden, als würde man eine rationale Erklärung für die Thematik finden. "Und doch sickert in die Grundfesten des Plausiblen immer wieder eine Form von Unheimlichkeit und Restunerfindlichkeit ein. Sandig torpediert Gewissheiten, die ihrer Figuren und die ihrer Leser" (ebd.). Ohne sich einem Erzählschema unterzuordnen, ist allen Texten in diesem Band eines gemeinsam: Etwas kommt abhanden, löst sich in Luft auf, verschwindet. Zurück bleiben Vereinsamte, die, wenn überhaupt, über das Erzählen xistieren.
In den letzten Jahrzehnten haben Deutschlands Teilung und die darauf folgende Wiedervereinigung die Art und Weise beeinflusst, wie die Geschichte des Landes verstanden wird, wobei östlich und westlich geprägte Erzählungen zu einer neuen Geschichtsschreibung verschmolzen. Die verschiedenen Sichtweisen auf das Leben und den Tod der jüdisch-deutschen Kommunistin Olga Benario, der Lebensgefährtin des brasilianischen Freiheitskämpfers Luis Carlos Prestes, dienen der deutschen Autorin Dea Loher in diesem Zusammenhang als aussagekräftige Fallstudie. In ihrem Theaterstück Olgas Raum (1994) werden die leeren Wände der Bühne genutzt, um auf ihnen Geschichte, Geschichten und Mythen zu projizieren, bevor die Figuren durch ihre eigenen tragischen Fehler diese Entwürfe dekonstruieren. Dabei werden die Konstruktionsmechanismen, die hinter der Entstehung von Geschichte und Geschichten liegen, enthüllt. Das Publikum wird so in eine aktive Rezipientenrolle gedrängt, nicht zuletzt wenn es mit dem leeren Raum, den Olga und die anderen Akteure nach einander verlassen, alleingelassen wird. Eine Flucht in den Mythos ist nicht mehr möglich in Anbetracht der Erkenntnis, dass Gewalt und allgemeine Fehlbarkeit zutiefst menschlich sind.
No âmbito da literatura infantil e juvenil em língua alemã contemporânea, destaca-se a produção de Cornelia Funke. Nascida em Dorsten em 1958, a autora - ou mais especificamente a contadora (Erzählerin), como gosta de se denominar -, acrescenta a seus textos a habilidade de ilustradora. Desde o sucesso mundial da triologia Tintenherz (Coração de tinta), Funke tornou-se uma personalidade de sucesso no universo infantil e juvenil. Em grande parte de suas obras, há a presença latente do imaginário ocidental acerca do medievo. Todavia, trata-se de uma recepção desse medievo, seja através da (re)criação de imagens ou da (re)estruturação de temáticas referentes ao universo cortês. O artigo aqui proposto analisa três obras de Funke, a saber: Die geraubten Prinzen (1994), Igraine ohne Furcht (1998) e Der geheimnisvolle Ritter Namenlos (2001), tendo como ponto de partida entrevistas da própria autora acerca do tema; ou seja, pensar-se-á a relação estabelecida entre o factual e o ficcional. Ao focar na questão da releitura do medievo, o artigo prentende compreender a ressignificação do medievo através tanto de imagens recriadas quanto da inserção de um novo tipo de herói, protagonistas femininas.
Dea Loher (1964-), dramaturga contemporânea alemã, propõe ao seu leitor/espectador
histórias que retratam a sociedade, conduzindo seu público a uma reflexão acerca de temas
inerentes à realidade na qual eles se encontram inseridos. Através de um estilo próprio e
peculiar, de uma estética que combina elementos vários, Loher retoma o teatro político
enfocando os menos favorecidos, com o objetivo de criar espaços para que seu interlocutor
encontre possibilidades de mudança. A escritora dá vida a personagens que, livres de uma
utopia salvadora, têm a opção da rebeldia ou da resignação até o aniquilamento total, garantindo
uma vertente trágica à escrita da dramaturga. Dea Loher compila histórias diversas que, embora
retratem figuras descaracterizadas e tristes, não as coloca em posição de vítimas, mas enfatizam
as múltiplas perspectivas que as levaram à ação ou ao ostracismo. Uma abordagem que
privilegia as micronarrativas e as relações de poder que as circundam, além de um
questionamento acerca do tênue limite que há entre realidade e ficção.
"Wie der Geist zum Kamele ward" : Zu einem Leitmotiv in Jonas Lüschers 'Frühling der Barbaren'
(2016)
This paper deals with the semantics of 'barbarism' in Jonas Lüscher's novella "Frühling der Barbaren" (2013). It aims to show that the text incorporates the concept of 'barbarism' into what Lüscher himself calls a "narratology of social complexity": a narrative mode that enables literary texts to serve as platforms for the reflection of moral problems. Lüscher achieves this by referring to specific intertexts by Friedrich Nietzsche and Ingeborg Bachmann while subtly modifying and distorting them. In doing so, "Frühling der Barbaren" acquires a diagnostic and genuinely critical quality: with this sleight of hand, which could be considered a prime example of 'barbarian theorizing' (Walter Mignolo, Maria Boletsi), the novella evokes existing narratives only to recode them into a sardonic critique of global capitalism.