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Rilkes "Bezug zu Gott"
(2016)
Ob Rilke nun gläubig war oder nicht, seit er in seiner Kindheit der extremen katholischen Frömmigkeit seiner Mutter ausgesetzt war, hat er nie aufgehört, Gott und der Religion einen prominenten Platz in seinem Leben und seinem Geist zu sichern.
Die Bedeutung, die Rilke der Bibel beimaß, ist gut belegt.
Rilkes Poesie des Grundes in den "Duineser Elegien" : Prolegomena zu einer metaphysischen Lektüre
(2016)
Die Perspektive auf eine Logik des Grundes mitsamt ihrer metaphysischen Diskursgeschichte in den "Duineser Elegien" ist deshalb sinnvoll, weil wesentliche ihrer Denkfiguren von Rilke poetisch aufgenommen und eigensinnig im Medium lyrischer Gestaltung neu vermessen werden: wie dem menschlichen Dasein das, worin es gründet, als Ganzes gerade deshalb entzogen bleibt, weil es darin gründet und sich dieses Gründens mittels Transzendenz und Freiheit zu vergewissern sucht. Die Paradoxie des absoluten Seinsgrundes, zwischen sich und das von ihm Begründete einen Abgrund zu legen, gerade weil er als letzter, tragender Grund aus der Logik des Ableitbaren und damit rational Rekonstruierbaren herausfällt, welche er zugleich erst ermöglicht, erfährt bei Rilke nicht nur eine poetische Zuspitzung: Die Elegien zeigen auf, wie diese Grenzfigur des Denkens einzig in lyrischer Bildlichkeit ihre adäquate Formulierbarkeit erhält.
Rezension zu Rainer Maria Rilke: "Im ersten Augenblick". Bildbetrachtungen. Herausgegeben von Rainer Stamm. Berlin: Insel Verlag 2015. Insel-Bücherei Nr. 1407. 96 Seiten, 75 farbige Abbildungen. ISBN 978-3-458-19407-1 und Rainer Maria Rilke: "Gesammelte Werke". Herausgegeben von Annemarie Post-Martens und Gunter Martens Stuttgart: Reclam 2015. 1006 Seiten. ISBN 978-3-15-011009-6
Die Mädchenfigur in Rilkes Werk ist keineswegs eine singuläre Erscheinung, sondern vielmehr ein Motivkomplex, der bei genauerer Betrachtung eine stringente Entwicklung erfährt. Zum Motivkomplex gehörig sind unter anderem die lyrischen Zyklen "Mädchen-Gestalten, die Lieder der Mädchen", die in diesem Aufsatz in den Mittelpunkt gestellten "Gebete der Mädchen zur Maria" sowie der Essay "Intérieur", worin Rilke einige theoretische Überlegungen zu – wie er betont – "seinen Mädchen" anstellt. Darüber hinaus lassen sich auch Verbindungen zu weiteren einzelnen Gedichten finden. Die Entwicklungslinie der Rilkeschen Mädchenfiguren verläuft bis hin zu den beiden wesentlich später entstandenen gleichnamigen Gedichten "Die Liebende", womit sich schließlich sogar eine Schnittmenge zur Theorie der Intransitiven Liebe aufweisen lässt. In den zumeist lyrischen Texten, die dem Motivkomplex der Mädchenfiguren angehören, ist der ständige Versuch Rilkes spürbar, "seinen Mädchen" einen Sonderstatus zukommen zu lassen. Allerdings ist damit auch die weitgehend unspezifische Suche verbunden, den Rilkeschen Mädchen eine außergewöhnliche Aufgabe und Funktion zuschreiben zu können, die eben diesem Sonderstatus gerecht wird.
Als Rilke am 5. April 1898 in Florenz ankam, war er bestens vorbereitet, um die Renaissance vor Ort zu studieren und ein Buch darüber zu schreiben. Belegt ist, dass er sich laut "Testierbuch" für das WS 96/97 in München eingeschrieben und bereits bei dem Kunsthistoriker Berthold Riehl eine Vorlesung zum Thema "Geschichte der bildenden Künste im Zeitalter der Renaissance" teilweise oder ganz gehört hat.
"Weiblichkeit im Werden" möchte die "Mädchengedichte" Rilkes, die hautpsächlich 1898 während seines Aufenthalts in Italien entstanden sind, mit der "Geburt der Venus" in Verbindung bringen und diskutieren. Letztere gehört zum Zyklus der "Neuen Gedichte" (1907) und reiht sich, 1903 in Rom geschrieben, in die Erzählgedichte "Hetärengräber", "Alkestis" und "Orpheus. Eurydike. Hermes" ein. Welchen Status, welchen Stellenwert haben die Mädchengedichte im poetischen Werdegang Rilkes, welche Thematik und "Topoi" lassen sich darin ausmachen? Und welcher qualitative Sprung trennt die "Mädchengedichte" der Frühzeit von der "Geburt der Venus"?
Rilkes "Der Geist Ariel" übt auf den Leser eine besondere Faszination aus. Ohne ganz zu verstehen, wo diese Faszination herrührt, hatte ich schon als Studentin das Gedicht ins Englische übersetzt und in einer Studentenzeitschrift der Universität Sydney veröffentlicht. Dass eine Übersetzung dieses Gedichts höchst problematisch ist, war mir damals nicht bewusst: die Übersetzungsarbeit ging ja schnell vonstatten. Damals wusste ich nichts vom komplizierten Werdegang des Gedichts, das ohne den Einfluss von Katharina Kippenberg nicht zustande gekommen wäre.
Im Herbst 1938 und im Frühjahr 1939 weilte Ernst Zinn (geboren 1910 in Berlin, gestorben 1990 in Tübingen), damals Hilfsassistent am Institut für Altertumskunde der Universität Berlin und gleichzeitig von Anton Kippenberg mit der Herausgabe der Werke Rainer Maria Rilkes im Insel-Verlag betraut, auf Duino. Er kollationierte dort eine Handschrift, die den Anfang der "Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge" in einem früheren Zustand enthält und teilweise wohl auch für das Diktat der Satzvorlage im Januar 1910 in Leipzig verwendet wurde. Rilkes Manuskript (ein Taschenbuch) vom Rest des Ersten Teils der "Aufzeichnungen" gilt als verschollen; vom Zweiten Teil ist seine Handschrift nahezu vollständig erhalten (Taschenbuch des Schweizerischen Literaturarchivs in Bern; eine Faksimile-Ausgabe erschien 2012 im Wallstein Verlag, Göttingen).
In den lyrikgeschichtlichen Erörterungen wird überwiegend angenommen, dass die Entstehung der modernen Lyrik eine Wende in der Geschichte der Gattung bedeutet. Um die Schlüssel-kategorien dieser Annahme in Erinnerung zu bringen: Die prämoderne Lyrik habe immer einen Ansatz zur abbildenden, figurativen, naturnahen und persönlichen Darstellung bewahrt, und sie habe dementsprechend ihren Aussagen auch eine außerkünstlerische, ja oft universale Gültigkeit zugetraut; während die moderne Lyrik, in thetischer Gegenüberstellung zur früheren Periode, sich durch einen stets zunehmenden Ansatz zur abstrakten, nicht-figurativen, imaginären und objektiven Schöpfung entwickelt habe. Sie habe dementsprechend die Gültigkeit ihrer Aussagen streng darauf beschränkt, was sie in ihr künstlerisch erschaffenes Universum hineingenommen hat – wobei dieses rein eigengesetzliche, rein selbstbestimmende Universum sich auf die Breite und die Tiefe einer wahrhaftigen Religion erstrecken kann. Im folgenden Beitrag will ich darzulegen versuchen, wie sich Rilke, mit dem Titel eines berühmten Gedichts gesagt, diese prinzipielle "Wendung" angeeignet hat. Um es im voraus kurz zu resümieren: Er hat sie aus einer noch stärker selbstthematisierenden Perspektive heraus, als Schicksalswende des schöpferischen Worts, begriffen – aus dieser Perspektive aber bis zu ihrer zwei-einen äußersten Konsequenz, sei es zu kosmischer Bestätigung, sei es zu kosmischer Verneinung des schöpferischen Worts geführt.