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Maren Lorenz zeigt anhand gedruckter ärztlicher Gutachtensammlungen und Rechtstexten der Aufklärung zu "Notzucht", wie das sexuelle Verhältnis der Geschlechter im gerichtsmedizinischen Diskurs nachhaltig naturalisiert wurde. Soziale Normen und patriarchale Mythen setzten "neue" naturwissenschaftliche Normen, die Kraft ihrer axiomatischen Autorität Legislative und Judikative gleichermaßen bis zum Ende des 20. Jahrhunderts prägten. Die Möglichkeit sexueller Gewalt, v.a. gegen erwachsene Frauen, wurde auf diese Weise de facto "wegdefiniert".
Die Frage nach Zugehörigkeit und infolgedessen nach Vereinbarkeit, vielmehr Unvereinbarkeit, von laizistischer und individualistischer Gesinnung mit einer religiös und tribal geprägten Gesellschaft stellen einen zentralen Aspekt im Theater von Lina Saneh und Rabih Mroué dar. Beide Künstler beziehen eine explizit anti-konfessionelle Position bei der Analyse und Kritik der libanesischen Geschichte und der Zerrissenheit ihrer Gesellschaft, in der Religion und Politik sich überlagern. Dies führt zu dem paradoxen Phänomen einer konfessionell geprägten und organisierten Demokratie, die den zivilen Personenstatus in die Hände der religiösen Autoritäten legt und somit dem Einzelnen wenig Entscheidungsfreiheit in Bezug auf individuelle Lebensentwürfe und alternative Zugehörigkeiten jenseits der vorgegebenen Grenzen einräumt. Welche Möglichkeiten hat das Individuum sich der Hegemonie der Gruppe zu entziehen, sein Anders-Sein und Anders-Denken zu leben und öffentlich zu vertreten? Welchen Status hat ein Künstler in einem Land, dessen innen- und außenpolitische Fragilität sowie latente und akute Konflikte einen lähmenden Zustand der "Suspension" hervorrufen, in dem Kultur zur Nebensache wird und Kunst bestenfalls als Zeitvertreib einiger weniger realitätsferner Idealisten angesehen wird? Welche Rolle schließlich spielt Kunst in einer Gesellschaft, die sich mit einem Bein im existentiellen Chaos, mit dem anderen in einer artifiziellen Hyperkonsumwelt befindet, in einer Realität, die sich zwischen einer mystisch erhöhten Vergangenheit und dem Glücksversprechen einer unmittelbar konsumierbaren Zukunft zerreibt?
A relação pai-filho é uma das pedras angulares da pesquisa psicanalítica. Este artigo examina tal relação, assim como se apresenta no romance "Zipper und sein Vater" (1928, "Zipper e seu pai"), de Joseph Roth, em um contexto histórico e psicossocial relevante. Traçando um paralelo entre a figural paternal do Imperador Austro-Húngaro, Franz Joseph, e o pai de Arnold Zipper, e valendo-se da experiência pessoal do narrador (e do próprio Roth), o artigo apresenta uma análise da importância da figura e as consequências devastadoras de sua ausência.
"...jede Zeile von ihm mit dem wärmsten Interesse" : Aspekte der Rousseau-Rezeption bei Knigge
(2004)
Die nachfolgenden Überlegungen ergänzen die Aspekte der Rousseau-Rezeption in Knigges zivilisationskritischen und geschichtsphilosophischen Entwürfen um den Diskurs über das (männliche) Kind und über die Frau bzw. die Bestimmung des Weiblichen. Zum anderen sollen - und auch dies kann nur als grobe Skizze geschehen - die Fragestellungen und Untersuchungskriterien der Intertextualitätstheorie für jenen Bereich des Textvergleiches fruchtbar gemacht werden, der traditionell als Quellen- bzw. Einflußforschung bezeichnet wird. In der Zusammenführung von systematisch-analytischen Kriterien und vergleichender Textinterpretation wird versucht, die Kniggesche Rousseau-Rezeption zwischen den Polen von Epigonalität und Dialogizität zu verorten.
In Nabokovs postum erschienenen "Lectures on literature" skizziert er in einem kurzen Essay sein Idealbild von good readers and good writers. Nabokov argumentiert für Eigenständigkeit, Zweckfreiheit und Magie der Kunst. Der good writer, eine Kombination aus Geschichtenerzähler, Lehrer und insbesondere Magier, schöpft aus dem Fiktionspotenzial der "Realität" – laut Nabokov ein so problematischer Begriff, dass er stets in Anführungszeichen gesetzt sein müsste – und erschafft bzw. erfindet eine neue – literarische – Welt, die der good reader in einem nahezu detektivischem Lektüreprozess in all ihren Einzelheiten erkunden und unabhängig von Forderungen wie Wahrheit oder Wirklichkeitstreue goutieren soll. Good reading bedeutet für Nabokov dementsprechend stets re-reading, ein detailverliebtes Immer-wieder-lesen.
Ein ganz entscheidendes Repertoire an Spuren und Beweismitteln für den detektivischen Leser, der dem Geheimnis der literarischen Strukturen Lolitas auf die Schliche kommen will, findet sich in der Art und Weise wie Nabokov in seinem Roman Namen, ihre Verwendung und Funktion stilisiert, bespiegelt und inszeniert.
Der Begriff der Nationalliteratur fungiert bei Herder […] vor allem als eine Differenzkategorie, die in Frontstellung zu den Konzepten eines universalistischen Rationalismus :und einer durch ihn begründeten klassizistischen Ästhetik entworfen wird, weil in ihrem Horizont das Problem der kulturellen Differenz nicht gedacht werden kann. Herders Konzept ist daher primär zu lesen als ein solches, das nach Wegen sucht, die Frage kultureller Differenz sowohl in synchroner wie in diachroner Perspektive zu erfassen.
Rezension zu: E. T. A. Hoffmann, A janela da esquina de meu primo. Tradução: Maria Aparecida Barbosa, Ilustrações: Daniela Bueno, Posfácio: Marcus Mazzari. São Paulo, Cosac Naify, 2010
Neste artigo, comparamos duas traduções em língua portuguesa do romance "Verstörung" (primeira edição em língua alemã em 1967) do escritor austríaco Thomas Bernhard: a tradução portuguesa (1986, por Leopoldina Almeida) e a brasileira (1999, por Hans Peter Welper e José Laurenio de Melo). Partimos da premissa de que "Verstörung" é um livro com uma dimensão performativa acentuada, ou seja, a perturbação que dá nome ao livro não está representada apenas no enredo e na caracterização dos personagens, mas também – ou sobretudo – no estilo, na linguagem do texto em alemão. Discutimos e comparamos diferentes soluções tradutórias nas referidas versões em português, assim como os paratextos que constam nas duas publicações. Constatamos duas posturas divergentes ao lidar com as especificidades da linguagem da obra, ambas com consequências para o seu efeito performativo. Por fim, sugerimos que essas posturas possam ser reflexos das diferenças da própria crítica literária em relação a Thomas Bernhard em dois momentos diversos.
Maren Lorenz untersucht die individuelle Wahrnehmung von Schwangerschaft durch ledige Frauen des 18. Jahrhunderts anhand von Prozessakten und ärztlichen Gutachten. Während der medizinische Nachweis der Schwangerschaft eine auf normativen Axiomen basierende Scheingewissheit ist, orientieren sich die Frauen selbst an individuellen Erfahrungsmustern, Wunsch- bzw. Abwehrdenken und der Kommunikation mit anderen. Die historische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Deutungsmustern körperlicher Vorgänge, die auch auf medizinischer Seite weit von heutigen Vorstellungen abweichen, und die Ungewissheit über einen Zustand, der sich erst mit (k)einer Entbindung klärt, führt zur Auflösung scheinbar transhistorischer Gewissheiten. Damit eng verknüpft sind sich wandelnde Definitionen über den Beginn des menschlichen Lebens.
This article deals with the relevance of deconstructivist theory today, more precisely, in the context of modern philologies. The author introduces the theory of deconstruction with an "elementary gesture", which we can find in the use and the analysis of quotation marks in certain texts of Jacques Derrida. The quotation marks indicate a special treatment of the concepts of the Western metaphysical tradition; the moments of quotation, distance and literality are also important for the theory of literature of Paul de Man. The critical, non-ideological use of deconstructive concepts and their "lectio difficilior" is interesting for research into texts and interpretation.