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"The retina of the mind’s eye" : Philosophie als Film am Beispiel fon David Cronenbergs Videodrome
(2004)
In seiner einhundertjährigen Geschichte haben der Film und seine Autoren stets versucht, den Nimbus der bloßen Unterhaltungsware abzulegen. Eines der nachhaltigsten Ergebnisse dieser Bemühung war, dass nach dem zweiten Weltkrieg zwischen Unterhaltungs- und Kunstfilm unterschieden wurde. Die Theorien der "Neuen Wellen" haben aber nicht "ausgegrenzt", sondern den vormals als Unterhaltung per se diskreditierte Genrefilm ebenfalls vom Verdacht befreit, anspruchslos zu sein: Die Western John Fords oder die Thriller Alfred Hitchcocks sind zwei Beispiele von hochgradig reflektierendem Autoren-Genre-Kino. Hinter der Differenzierung von ernstem und Unterhaltungsfilm scheint ein besonderes Ansinnen zu stecken: Der Autorenfilm soll nicht allein gefallen, sondern Intention oder doch wenigstens Bedeutung transportieren, die dem Zuschauer dann auch jenseits der Kinomauern "nützt".
In aller Welt treffen Menschen mit den verschiedensten und fremdesten Namen aufeinander – fremde Namen aber migrieren mitunter auch ohne Menschen: denn man trägt in Zeiten der postkolonialen und globalisierten LifeStyle-Weltgemeinschaft nicht nur Issey Miyake, sondern auch japanische Vornamen. In Diskussionsforen des Internets schwärmen Männer und Frauen von der Schönheit nordamerikanisch-indianischer, hawaiianischer, keltischer und orientalischer Namen. ...
Als 1963 der amerikanische Exploitationfilmer Herschell Gordon Lewis den allerersten Gorefilm Blood Feast drehte, änderte sich das Gesicht des Horrorfilms. Jetzt hat das Berliner DVD-Label "cmv" eine Auswahl seiner Filme erstmals auf den deutschen Markt gebracht – und selbst 41 Jahre nach der Erstveröffentlichung von Blood Feast scheint der Film die Gemüter noch immer maßlos zu erregen. "Haben Sie jemals einer wirklichen Menschenschlachtung beigewohnt?", fragt Zauberer Montag in Herschell Gordon Lewis’ Film Wizard of Gore (1970) sein Publkum. Das hat es nicht und deshalb führt er sie ihm vor. "Live, in Farbe und aus nächster Nähe“ werden von Show zu Show junge Frauen auf kreativste Art und Weise zu Tode gebracht. Die Darstellung eskaliert jedes Mal in einer Orgie aus Blut und Eingeweiden. Hier wird die Grundidee des Gorefilmes mitinszeniert. ..."
Liebesbriefe sind im 20. Jahrhundert vieles: Brautbriefe oder Zettelchen, Berichte aus dem Alltag von Schülern, aber auch Soldatenbriefe, E-Mail-Korrespondenzen im Internet, Flirtbotschaften als Mail oder SMS. Sprachgeschichte als eine Geschichte des Kommunizierens, eine Geschichte der Texte beschreibt Veränderung oder Erneuerung. Sogar das vermeintlich vertraute 20. Jahrhundert, meist wahrgenommen als das Jahrhundert der Gegenwartssprache, zeigt sich in der historischen Perspektive und mit Blick auf die Texte in einem neuen Licht und in einer Vielfalt, die über das Bekannte und Vertraute hinausgeht. ...
"Wissen als Schauspiel" – nach den Möglichkeiten theatraler Formen von Wissensrepräsentation fragt Peter Matussek. Er beobachtet eine Wende vom "pictorial turn" zum "performative turn" und gibt uns einen historischen Abriss der wiederauflebenden Gedächtnistheater. Kann die theatrale Form der Wissensrepräsentation die Aufmerksamkeitsstörungen der Informationsgesellschaft kurieren, oder ist sie selbst das Symptom, das sie zu kurieren vorgibt? Matussek betont, welchen bisher weitgehend übersehenen Einfluss "The Art of Memory" von Frances Yates auf Wissensingenieure, Interface-Designer und Computerkünstler ausgeübt hat. Dabei gehe es nicht nur um die Anordnung, sondern auch um die Erfindung von Wissen und neuen Werkzeugen zur Systematisierung, Kontextualisierung, Visualisierung und Inszenierung von Information.
Dialectal variation in german 3-verb clusters : a surface-oriented optimality theoretic account
(2004)
We present data from an empirical investigation on the dialectal variation in the syntax of German 3-verb clusters, consisting of a temporal auxiliary, a modal verb, and a predicative verb. The ordering possibilities vary greatly among the dialects. Some of the orders that we found occur only under particular stress assignments. We assume that these orders fulfil an information structural purpose and that the reordering processes are changes only in the linear order of the elements which is represented exclusively at the surface syntactic level, PF (Phonetic Form). Our Optimality theoretic account offers a multifactorial perspective on the phenomenon.
Kino ist im besten Fall immer auch ein Anlass zur Auseinandersetzung über Moral, Tabus und Werte. Mel Gibsons "Passion Christi" ist vielleicht der erste christlich motivierte Splatterfilm. Was steckt hinter der Diskussion? Gibsons Film ist in seiner künstlerischen Einfachheit, mit der er die vier Evangelien des neuen Testamentes zu einer Erzählung verbindet, verblüffend "unkünstlerisch" (im Sinne von "eigenständiger Interpretation einer literarischen Vorlage"). Dargestellt werden die letzten 15 Stunden im Leben Jesu – vom Verrat im Garten Gethsemane über das Verhör bei den jüdischen Hohepriestern und die Folter durch die Römer bis hin zu seiner Verurteilung und Kreuzigung. Ein Stoff, der jedem Zuschauer christlicher Kultur bestens bekannt sein dürfte. Gibson interessiert sich nicht für den Vorwurf der Redundanz, sondern insistiert darauf, dass er einen Film drehen wollte, der sich so nah wie möglich an die "Realität der Bibel" hält: Er lässt seine judäischen Figuren ein rekonstruiertes Aramäisch sprechen und die Römer eine Art italienisch klingendes Vulgärlatein. Er dokumentiert die Geschichte mit fast schon journalistischem Eifer, hält seine Kamera immer nah am Geschehen und versucht kein noch so winziges Detail, das ihm die Evangelien "vorschreiben", auszulassen.
Interjektionen werden oft als eine Art Sammelbecken anderweitig nur schwer einzuordnender Partikeln betrachtet. Der vorliegende Beitrag untersucht das interjektionale Spektrum, das von primären (emotiv-expressiven) Interjektionen (wie "ach" und "au") über Appellinterjektionen ("he", "psst") und sekundären Interjektionen ("oh Gott", "Donnerwetter") bis hin zu so genannten „Inflektiven“ ("ächz", "würg") reicht. Dieser Bereich wird von den primär schallimitativen Onomatopoetika ("tatütata") abgegrenzt, die ihrerseits unterteilt werden. Anhand zahlreicher funktionaler und formaler Kriterien, die wiederum obligatorischer oder fakultativer Natur sein können, wird versucht, alle diese (und andere) Einheiten um das prototypische Zentrum der Interjektion und des Onomatopoetikums zu gruppieren; dabei wird den funktionalen Eigenschaften der Vorrang gegeben. Die systematische Berücksichtigung all dieser Determinanten führt zu einer komplexen, doch dafür adäquateren Taxonomie des interjektionalen Spektrums und schließt Gliederungs- beziehungsweise Gesprächspartikeln ("äh", "ne") und kindersprachliche Ausdrücke ("Wauwau" für ,Hund’) aus.
Der Nobelpreis ist immer ein Politikum. Jedes Jahr auf Neue wird auch spekuliert, welche Gründe jenseits des Werkes des ausgezeichneten Autors noch eine Rolle gespielt haben mögen: Geschlecht, Hautfarbe, Herkunftsland, Kontinent, nicht-literarische Aktivitäten oder was man sonst noch so anführen mag. Man darf solche literaturfernen Gründe für einen Literaturnobelpreis nicht grundsätzlich kritisieren. Wären sie nicht im Spiel, wäre es schwieriger, gegenüber dem dominanten westlichen mainstream die Literaturen aus eher peripheren Kulturkreisen überhaupt hervorzuheben. Und insofern hat der Literaturpreis auch die Funktion, die Aufmerksamkeit der literarischen Weltöffentlichkeit zu lenken. Doch dieses Jahr [2004] landet der Literaturnobelpreis in Österreich und damit auch in einem historischen Zentrum der westlichen Kultur – die Österreicher hören’s gern. Elfriede Jelinek ist eine klassische Autorin, wenn man das so sagen kann. [...] Elfriede Jelinek hat Österreich viel zu verdanken – nämlich ihr Werk. Und jetzt hat auch noch Österreich Elfriede Jelinek den Literaturnobelpreis zu verdanken!