Refine
Year of publication
Document Type
- Article (15)
- Part of a Book (8)
- Book (1)
- Working Paper (1)
Keywords
- Fontane (3)
- Johnson (3)
- Theodor (3)
- Uwe (3)
- Historisches Drama (2)
- Mann (2)
- Textverstehen (2)
- Adolph von (1)
- Ambiguität (1)
- Berck (1)
- "Effi, du bist verloren!" : vom fragwürdigen Liebreiz der Fontaneschen Effi Briest (1988)
- Wenn Effi Briest in den letzten zwei Jahrzehnten in unseren Schulen fast zur Pflichtlektüre geworden ist, so hängt das aufs engste damit zusammen, daß dieser Roman heute allgemein als gesellschaftskritisch verstanden wird, Effis Schicksal also als ein Beispiel dafür gilt, wie ein natürlich veranlagter, rein seinen Empfindungen folgender Mensch an bestimmten gesellschaftlichen Konventionen scheitert und ihnen schließlich zum Opfer fällt. Effi sei es um nichts als um ein ,schlichtes und schönes Leben' gegangen, lautet etwa ein in diesem Sinne paradigmatisch gewordenes Urteil von Lukacs, die Gesellschaft jedoch habe diesen ihren Anspruch einfach ,zerstampft'. Oder man denke an die immer wieder als besonders werkgetreu gelobte Verfilmung des Romans durch Faßbinder, in der Effi, regelmäßig ganz in Weiß, von lauter deformierten Gesellschaftswesen umgeben ist, die nicht ruhen, bis sie dieses einzige unverdorbene Geschöpf zugrunde gerichtet haben. Daß hinter solchen Deutungen stets auch die Absicht steht, heutige gesellschaftliche Verhältnisse zu kennzeichnen und zu kritisieren, versteht sich von selbst, soll hier aber nicht weiter beachtet werden, zumal natürlich auch zweifelhaft ist, daß ausgerechnet der Fall Effi Briest zur Bestimmung heutiger gesellschaftlicher Mißstände viel beitragen kann. Zunächst stellt sich die Frage nach der Plausibilitat jener Deutungen selbst, denn erst einmal sind sie es, die sich bei der Behandlung des Romans bewähren müssen.
- Ironischer Stil und realistischer Eindruck : zu einem scheinbaren Widerspruch in der Erzählkunst Thomas Manns (1986)
- Ironie als Redefigur, die das Gegenteil dessen sagt, was sie meint, kommt bei Thomas Mann nicht vor. An ihrer Stelle steht - der Aufsatz legt es an einer Reihe von Beispielen dar - ein System von Über- und Untertreibungen, in dem Hochwertiges in seinem Ansehen vermindert und Geringes aufgewertet wird. Damit wird die Wirklichkeit zwar wohl karikiert, aber nicht 'verletzt.' Das ist zugleich der Grund, warum Thomas Manns Werk realistisch wirkt.
- Von Wendisch Burg nach Jerichow : Anmerkungen zu Uwe Johnsons imaginärer Topographie (1988)
- Wohl jedem Leser der Romane Uwe Johnsons wird auffallen, daß örtliche und räumliche Angaben bei diesem Autor eine große Rolle spielen. Zwar sind diese Angaben - zumal in den frühen Romanen - nicht immer im kartographischen Sinne exakt, aber man spürt doch, daß es in dieser Hinsicht sorgfältig kalkulierte Verhältnisse gibt. Der wichtigste, der eigentliche Raum dieser literarischen Topographie ist natürlich Mecklenburg. Bereits in Ingrid Babendererde, dem ersten Roman, entworfen, kehrt er zunächst in den Mutmaßungen über Jakob, dann als Lebensstation des Journalisten Karsch wieder und wird schließlich in den Jahrestagen in umfassender Weise zur Geltung gebracht. Das Kleine Adreßbuch zu diesem Werk verzeichnet weit über einhundert Namen von mecklenburgischen Städten, Dörfern, Seen1), und nicht wenige von ihnen werden im Text in Einzelzügen berührt und einander räumlich zugeordnet nach Himmelsrichtungen und Verkehrswegen, Landschaftsmerkmalen und Aussichtshorizonten.
- Ines und der Trambahnmord : eine Dresdner Skandalgeschichte in Thomas Manns "Doktor Faustus" (1993)
- Im Frühjahr 1902 schreibt der noch wenig bekannte, eben erst mit den Buddenbrooks hervorgetretene Thomas Mann an ein "verehrtes Fräulein Hilde" in Dresden einen ungewöhnlichen Brief. Nachdem er ihr zunächst artig zum Geburtstag gratuliert und sich mit einer kleinen Plauderei hinreichend bei ihr eingeschmeichelt hat, rückt er unverhohlen mit etwas ganz anderem heraus. Es ist ein Mordfall, der sich in Dresden zugetragen hat. Vor einiger Zeit habe eine 'Dame der Gesellschaft' in der Dresdner Straßenbahn einen jungen Musiker erschossen, ob sie ihm nicht, mit den Beteiligten bekannt, mehr darüber berichten könne. Der Fall habe einen "ganz merkwürdig starken Eindruck" auf ihn gemacht, vielleicht, daß er sich seiner einmal zu einer "wundervoll melancholischen Liebesgeschichte" bedienen werde. Und dann gießt er einen wahren Sturzbach von Fragen über sie aus: nach der Dauer der Beziehung zwischen den beiden, nach den Familienverhältnissen der Täterin, ob sie Kinder habe, wie man gesellschaftlich miteinander umgegangen sei, was mit den Geschenken gewesen sei, die sie dem Geliebten gemacht haben solle, wie sich die Tat im einzelnen abgespielt habe und vieles mehr. In jedem Falle aber benötige er "Détails", sie vor allem seien ihm wichtig. Wenn sie also irgend könne, so möge sie ihm doch "bitte, bitte, bitte!" einmal alles "recht genau, recht eingehend, recht ausführlich erzählen.
- Uwe Johnsons "Zwei Ansichten" oder : zielloses Fahren und aufrechter Gang (1997)
- So eingehend sich die deutsche Literaturwissenschaft mit Uwe Johnson im ganzen bislang beschäftigt hat - an einem seiner Werke ist sie dabei vorbeigegangen: an Zwei Ansichten. Bei seinem Erscheinen 1965 von immerhin einem halben Hundert Rezensionen begrüßt, ist sehr bald von dem Roman nicht mehr die Rede gewesen, nur ein paar Aufsätze und einige Besprechungen in Gesamtdarstellungen sind später zu ihm noch zu finden. Jüngere Materialien-Bände zu Johnson müssen deshalb auf seine Einbeziehung in ihre Rezeptions-Überblicke schon verzichten, oder sie greifen verlegen auf Beiträge zurück, die mehrfach anderweit schon gedruckt worden sind.
- Theodor Fontanes uneheliche Kinder und ihre Spuren in seinem Werk (1998)
- Manche mögen noch immer für einen Scherz halten, was der knapp dreißigjährige und damals noch unverheiratete Theodor Fontane am 1. März 1849 an einen seiner Freunde schrieb, einen Scherz, weil es zu seiner sonstigen Redlichkeit und Umsicht so gar nicht zu passen scheint. "Denke Dir", schrieb er an den zwei Jahre älteren Bernhard von Lepel, 'Enthüllungen No II'; zum zweiten Male unglückseliger Vater eines illegitimen Sprößlings. Abgesehn von dem moralischen Katzenjammer, ruf ich auch aus: "Kann ich Dukaten aus der Erde stampfen usw." Meine Kinder fressen mir die Haare vom Kopf, eh die Welt weiß, daß ich überhaupt welche habe. O horrible, o horrible, o most horrible! ruft Hamlets Geist und ich mit ihm. Das betreffende interessante Aktenstück (ein Brief aus Dresden) werd' ich Dir am Sonntage vorlegen, vorausgesetzt, daß Du für die Erzeugnisse meines penes nur halb so viel Interesse hast wie für die meiner Feder.
- Beliebt, doch nicht ganz einwandfrei : Fontanes Effi Briest (1894) (2000)
- Fontane, ja gewiß - aber muss es Effi Briest sein? Bietet nicht Irrungen Wirrungen die wahrere, Frau Jenny Treibel die deftigere, L'Adultera die erfreulichere Geschichte? Doch Effi Briest kennt jeder, kann jedenfalls jeder nennen, und weil Bekanntheit immer auch motiviert und diesen Roman nicht zu kennen auch wiederum zu wenig wäre, kann ruhig mit ihm der Anfang gemacht werden.
- Theodor Fontane oder Die neue Bescheidenheit (2004)
- Der Blick auf Dichterruhm und Dichterverehrung im 19. Jahrhundert kann leicht in Vergessenheit geraten lassen, daß das immerwährende Hauptproblem dichterischer Existenz für die meisten der damals lebenden Autoren ein ganz anderes gewesen ist: die Bezahlung, das Geld. Während die Dichter des 18. Jahrhunderts ihren Lebensunterhalt noch weitgehend aus Familienbesitz oder ihrer mäzenatischen Versorgung durch die Höfe bestreiten konnten - alles andere wäre wegen des noch nicht gegebenen Urheberrechtsschutzes auch ausgeschlossen gewesen -, sind die des 19. Jahrhunderts zunehmend auf die Einnahmen aus ihren Werken angewiesen, und hier zeigte sich, daß auf die Gunst des Publikums noch viel weniger Verlaß war als vormals auf die Gunst der Mäzene. Auch Theodor Fontane hat sich so zeitlebens weniger um sein Ansehen als um sein Einkommen sorgen müssen, und je länger je mehr interessierte ihn dieses Ansehen überhaupt nur noch unter dem Gesichtspunkt, ob es ihm auch etwas eintrug.
- Johnsons Prager Geheimagent : Schluss-Strich unter eine Legende (2006)
- Als Uwe Johnson im Frühjahr 1980 in seinen "Begleitumständen", der Buchfassung der im Jahr zuvor an der Frankfurter Universität gehaltenen Poetik-Vorlesung, erstmals mitteilte, er sei von seiner Frau seit 1961 mit einem Agenten des tschechoslowakischen Staatssicherheitsdienstes betrogen und von beiden einvernehmlich ausspioniert worden, war die Ratlosigkeit unter seinen Lesern groß. Welches Interesse konnte der tschechische Staatssicherheitsdienst an Johnsons dichterischem Werk gehabt haben oder haben, und welches Interesse im besonderen daran, den Autor am Abschluss der "Jahrestage" zu hindern?
- Exaktheit als ästhetische Kategorie : zur Rezeption des historischen Dramas der Gegenwart (1972)
- Es ist nunmehr fast zehn Jahre her, daß mit der Uraufführung von Rolf Hochhuths Stellvertreter das schon recht antiquiert wirkende Genre des historischen Dramas neu belebt wurde und auf der Stelle Wirkungen hervorrief, wie sie für die Theatergeschichte der Nachkriegszeit beispiellos sind. Auf dem Kothurn des jambischen Verses präsentiert und Szene für Szene als Literatur ausgewiesen, beschäftigte dieses "christliche Trauerspiel" weniger die literarische Welt als Historiker und Publizisten, Politiker und Bürger, Kleriker und Laien. Von Podiumsdiskussionen über Demonstrationen bis hin zu parlamentarischen Anfragen reichte die Skala der Reaktionen, fixiert allein auf die von dem Stück aufgeworfene Frage, ob Papst Pius XII. mehr, als er getan hat, hätte tun müssen und tun können, um die Juden Europas vor der Vernichtung durch Hitler zu bewahren. Als Literaturwissenschaftler könnte man versucht sein, das lediglich als ein Stück Wirkungsgeschichte des politischen Theaters abzuhandeln, dem man gewiß Respekt, aber ein weitergehendes Interesse dann doch nicht schuldig sei, wäre in diesem Zusammenhang nicht ein altes und seither häufig diskutiertes ästhetisches Problem aufs neue relevant geworden: das Problem der Autonomie der Kunst, bzw. die Frage nach der Freiheit des Autors gegenüber dem historischen Stoff.