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Ein exotischer Gast versetzte im August 2011 die Beverunger Bevölkerung in Aufruhr. Zwischen den Enten am Weserkai stelzte plötzlich ein Ibis umher. Zunächst stand man beim NABU Holzminden und bei der Landschaftsstation im Kreis Höxter den Meldungen über die Sichtung des Schreitvogels skeptisch gegenüber. Denn Verwechslungen bei gemeldeten Raritäten aus der Vogelwelt sind nicht selten. Doch ein Ortstermin beseitigte schnell jeden Zweifel: Es war ein Heiliger Ibis (Threskiornis aethiopicus), dessen eigentliche Heimat sich über das südlich der Sahara befindliche Afrika erstreckt. Der Koloniebrüter ist als Neozoon in Frankreich, Spanien und Italien verbreitet, ferner gibt es einzelne kleinere Populationen in Nordamerika. Einzug erhielt der zu der Familie der Ibisse und Löffler zählende Vogel in diese Gebiete, wenn auch ungewollt, durch die Hilfe des Menschen. Durch sein elegantes Erscheinungsbild und seine Zutraulichkeit, aber auch bedingt durch den Mythos, den diese Spezies schon zur Zeit der Pharaonen umgab, war der Ibis ein willkommener Gast in zoologischen Gärten, in denen er in freifliegenden Kolonien gehalten wurde. Einigen Exemplaren gelang die Flucht, deren Nachfahren heute, zum Teil mit drastischen Folgen für andere Vogelarten, in freilebenden Populationen sowohl an den Küsten aber auch im urbanen Raum anzutreffen sind. Die Gefahr, die vom Ibis für andere Vogelarten ausgeht, besteht nicht darin, dass er den Lebensraum der einheimischen Arten besetzt, sondern darin, dass auf dem Speiseplan des Nahrungsopportunisten neben Wirbellosen, Amphibien und kleinen Fischen auch die Eier und Jungtiere anderer Seevögel stehen [YÉSOU & CLERGEAU 2005]. Bei dem Beverunger Ibis handelte es sich ebenfalls um einen Gefangenschaftsflüchtling. Ein deutliches Anzeichen dafür war der weiße Ring an seinem rechten Bein, aber auch seine Zutraulichkeit gegenüber dem durch ihn verursachten Zustrom neugieriger Besucher. Diese konnten den Ibis nicht nur aus nächster Nähe fotografieren sondern auch aus der Hand füttern.
Als Charakterfisch der Nethe war die Äsche (Thymallus thymallus) bis in die 1990er Jahre dort durchaus häufig anzutreffen. Das hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert – heute muss man lange suchen, um fündig zu werden. Die Ursachen für den Rückgang der Äsche in der Nethe sind vielfältig: Der mit Forelle und Lachs verwandte Fisch reagiert auf Gewässerbelastungen sehr empfindlich und bevorzugt reich strukturierte Gewässer mit einem Wechsel von schnell und langsam fließenden Abschnitten, Flachwasserbereichen und tiefen Kolken (Abb. 1). Zur Fortpflanzung ist die Äsche weiterhin auf von schnell fließendem Wasser über- und durchströmte Kiesbänke angewiesen (LANUV 2011). Eigentlich sollte die Nethe, immerhin ein Gewässer, das nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) der Europäischen Union Schutz genießt und zum europäischen Naturerbe gehört, dem Fisch günstige Lebensbedingungen bieten. Bei genauerem Hinschauen wird aber deutlich, dass insbesondere die Kiesbänke sich heute in keinem guten Zustand befinden. Von angrenzenden Äckern gelangt bei Starkniederschlägen oder Hochwasser Feinsediment in den Fluss, der das Lückensystem in den Kiesbanken verstopft. Die Folge: Das Verletzungsrisiko der adulten Tiere steigt, da durch den hohen Feinsedimentanteil die Steine in den Kiesbänken miteinander „verbacken“. Dieser Vorgang wird durch den natürlicherweise hohen Calciumgehalt in der Nethe noch verstärkt. In solch kolmatierten Bänken können die Fische ihre Laichgruben nur unter extremen Körpereinsatz anlegen. Dies führt häufig zu Verletzungen der empfindlichen Schleimhäute, woraufhin Pilze die Fische befallen. Häufig resultieren ernsthafte Erkrankungen daraus, nicht selten mit Todesfolge. Auch die Eier und Larven der Äschen sind von dieser Entwicklung betroffen, denn durch die Verstopfung des Lückensystems mit Feinsedimenten werden sie nicht mehr von sauerstoffreichem Wasser umspült und sterben häufig ab (vgl. BAARS et al. 2001). Diese Faktoren können die Reproduktionserfolge der Äschen dramatisch verringern. Seit gut 10 Jahren wirkt zudem der Kormoran, massiv bevorteilt durch die ungünstigen Gewässerstrukturen und zahlreichen Querbauwerke, negativ auf den Äschenbestand. Die Kormoranpopulation hat sich seit Ende des 20. Jahrhunderts, nach der beinahe Ausrottung durch den Menschen, wieder erholt und eine Bestandsgröße erreicht, wie es sie seit vermutlich seit mehr als 200 Jahren nicht mehr gegeben hat. Auf der Suche nach Nahrung werden die Äschen in strukturarmen Gewässern ohne Versteckmöglichkeiten zu einfacher Beute für den schwarzen Vogel, da sie sich oft im Freiwasser aufhalten (LANUV 2011). Weiterhin wirkt sich auch der Klimawandel negativ auf die Äschenbestände aus. Die Ergebnisse der vom nordrhein-westfälischen Umweltministerium in Auftrag gegebenen Studie über die wahrscheinlichen Einflüsse des Klimawandels zeigen auf, dass in unseren Gewässern v. a. die Äsche der größte Verlierer sein wird. Die Erwärmung der Gewässer stellt für sie ein besonderes Problem dar, da die Art eine enge Toleranzgrenze bezüglich der Wassertemperatur besitzt (BUNZEL-DRÜKE 2011). Die hier aufgezeigten negativen Entwicklungen gelten natürlich nicht nur für die Äsche in der Nethe, sondern auch für die anderen Populationen im Weserbergland, z. B. in Diemel oder Emmer, die beide ebenfalls einmal bedeutende Äschengewässer waren.