Refine
Document Type
- Article (2)
Language
- German (2)
Has Fulltext
- yes (2)
Is part of the Bibliography
- yes (2)
Keywords
- Andrade, Mário de / Macunaíma, o herói sem nenhum caráter (1)
- Berlin <Motiv> (1)
- Bildungsroman (1)
- Chilenischer Flüchtling (1)
- Großstadt <Motiv> (1)
- Kulturkontakt (1)
- Mythos (1)
- Sozialismus <Motiv> (1)
- Subjektivität (1)
Der Artikel untersucht die vielfältigen Verschränkungen zwischen Mário de Andrades Roman "Macunaíma" und der deutschen Kulturtradition, von Hans von Stadens Bericht über die "wilden nacketen grimmigen Menschenfresser Leuthen" bis zu Koch-Grünberg ethnologischer Studie "Vom Roraimo zum Orinoco". Dabei vertritt er die These, dass Andrades Roman, ähnlich wie der deutsche Bildungsroman, im Zusammenhang des Projekts der Herausbildung nationaler Identität zu lesen ist. Allerdings ist die europäische Bildungsidee kein Modell mehr für die Herausbildung von Subjektivität unter den brasilianischen Verhältnissen. Aber Macunaímas Widerstand gegen eine der Modernität verpflichtete Rationalität und ein die Realität dieser Modernität bestätigendes veranwortliches Handeln ist nicht als Gegenmodell zu lesen, sondern als eine Reaktion der Verzweiflung. "Macunaíma" verbindet mit dem Bildungsroman sowohl die Kritik der Moderne (einmal eine Kritik aus ihrer eigenen Mitte, im anderen Falle eine Kritik von aussen), wie auch die Überzeugung, dass (literarisches) Erzählen trotz aller Desillusion und aller Verzweiflung an dem Projekt der Moderne gelingen kann.
Der chilenische Autor Carlos Cerda (1942-2001), der 12 Jahre seines Exils in Berlin – in dem Teil, der Hauptstadt der DDR war – verbracht hat (1973-1985), veröffentlicht nach seiner Rückkehr nach Chile "Morir en Berlin" (1993). Der Roman erzählt vom Schicksal einer kleinen Gruppe chilenischer Exilanten, für die Berlin der Ort eines vielfachen Verlustes – Verlust der Heimat, der politischen Überzeugung und im Fall der beiden Protagonisten Maria und Lorena, auch Verlust ihrer Ehegemeinschaft – wird. Nur von dem Altparteimitglied Don CarIos wird unter Verleugnung seiner eigenen subjektiven Ansprüche der real existierende Sozialismus noch verteidigt.
Das geteilte Berlin, so die These dieses Beitrags, ist nicht nur Schauplatz einer umfassenden Desillusion, sondern es wird zu einem mythischen Ort des Verlustes und des Übergangs vom Leben in den Tod. Dementsprechend werden von der Stadt nur die Bilder und Szenen wahrgenommen, die die im Text selbst zitierten Mythen, vor allem Wagners "Fliegender Holländer" und Euripides' "Medea" noch verstärken.
Diese Mythisierung Berlins, so eine weitere These, geschieht allerdings nicht willkürlich, sondern sie wird von der Gesamtheit der Berlin-Diskurse des 20. Jahrhunderts provoziert.