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Der Nationalsozialismus hat Integrität und Substanz der Psychoanalyse in Deutschland nachhaltig zerstört. Die Autorin, selber maßgeblich an der Wiedereinführung psychoanalytischen Wissens und am Aufbau psychoanalytischer Institutionen beteiligt, erzählt die Geschichte der mühseligen, von Widerständen und Behinderungen geprägten Neuaneignung der Psychoanalyse in der frühen Bundesrepublik und verweist in diesem Zusammenhang auf die besondere Bedeutung der Emigranten, die aus Deutschland und Österreich fliehen mußten, und der angelsächsischen Psychoanalyse, vor allem der Londoner »Schulen« um Anna Freud und Melanie Klein.
Der Fall der Mauer, die Vereinigung der beiden deutschen Staate und die öffentlichen Reaktionen auf den Golfkrieg bilden gemeinsam ein Syndrom, das erneut die Frage aufwirft, wie es in Deutschland um die Fähigkeit zu trauern steht. Die Autorin konstatiert einerseits eine persistierende Abwehr der Zumutung, sich der Vergangenheit erinnernd und trauernd zu vergewissern, andererseits aber auch Anzeichen dafür, daß die individuelle und kollektive Abwehrfront bröckelt und Haltungen fördert, die überlieferte deutsche »Ideale« zunehmend infrage stellen.
Die Erotik der Macht
(1991)
Theorie in der Krise
(1987)
Kritisiert wird die Enge des Denkens in der institutionalisierten Psychoanalyse. Nur das kontinuierliche In-Frage-Stellen eigener Denkgewohnheiten bietet die Chance, kollektive und individuelle Vorurteilsstrukturen in Ausbildung und Behandlung zu erkennen und die Psychoanalyse aus ihrer geschichtslos ideologisierten Erstarrung zu lösen.
Die Mühsal der Trauer
(1986)
Vor zwanzig Jahren bescheinigte das Ehepaar Mitscherlich den Deutschen die Unfähigkeit zu trauern. Wie sich Verdrängung und Verleugnung der Nazi-Zeit noch heute auswirken, warum sich neuer, alter Antisemitismus wieder regt und die Generation der "weißen Jahrgänge" nicht mit der Erbschuld umzugehen weiß, das untersucht Margarete Mitscherlich im folgenden Beitrag
Die gesellschaftliche Vorurteilskrankheit "Antisemitismus" wurde bisher psychogenetisch ausschließlich aus der psychosexuellen Entwicklung des Mannes hergeleitet. Zwischen weiblicher Sozialisation (in der die Angst vor Liebesverlust die Kastrationsangst vertritt) und Antisemitismus besteht kein direktes Korrespondenzverhältnis, vielmehr kommt der Antisemitismus bei Frauen nur über ihre Anpassung an Ideologien der Männerwelt zustande.
Entgegen dem radikalen Wahrheitsanspruch der Psychoanalyse, der diese im Hinblick auf ihre theoretischen Annahmen immer wieder zu Revisionen und Veränderungen zwingt, tendieren die meisten Analytiker dazu, die von Freud entworfene Theorie der Weiblichkeit unkritisch zu akzeptieren. Auf diese Weise wird, nicht zuletzt unter dem Druck, den die Psychoanalytiker als soziale Gruppe ausüben, eine »typisch weibliche« Identität festgeschrieben. Solche Festschreibungen verhindern aber die Erkenntnis und überschreitung von Grenzen, in denen die Psychoanalyse bewußtlos eingesperrt ist.
Kernprobleme der psychosexuellen Entwicklung der Frau - die über-Ich-Entwicklung; die Entdeckung der Vagina; die Bedeutung des Penisneides; die Rolle des Vaters; die Ungleichbewertung männlicher und weiblicher Kinder; Masochismus und Narzißmus - werden anhand der Resultate neuerer sexualwissenschaftlicher und nachfreudscher psychoanalytischer Untersuchungen diskutiert. Die Veränderungen der sozialen Definition und des Selbstverständnisses der Frauen in den letzten Jahrzehnten haben auf die soziale Matrix der Geschlechtsrollen hinter pseudonatürlichen Determinanten der Ontogenese aufmerksam gemacht.