CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Das Modische : Zu Entstehungsbedingungen und Funktionen einer bestimmten Art von Konformismus
(2016)
Das als "modisch" im engeren Sinn Bezeichnete, die Kleidung, ist durch kurzfristige Wandlungsprozesse charakterisiert und steht dem allgemeinen Verständnis nach im Gegensatz zu den Prinzipien der Dauer und der Beständigkeit, durch welche man die traditionellen Trachten bestimmt sieht. Aber wie ist es dann beispielsweise um die Sinnhaftigkeit der Rede von "Trachtenmode" bestellt? Und wie sehr sind die mit der Kleidermode verbundenen Begleitvorstellungen des Modischen für andere Bereiche des Lebens charakteristisch?
This chapter argues against the view that Derrida's emphasis on change makes him complicit in the neoliberal requirement of flexibility that results both in precarity and in the dominance of English. To the contrary, the essay argues that Derrida's idea of 'différance' includes the view that openness both involves loss and is always partial (since incision involves excision), that the singular is precious, and that deconstruction is justice since it is alert to what is excluded even by efforts at inclusiveness. Examples of the preciousness and loss of the singular are circumcision (where incision is excision), hospitality (in which unconditional hospitality has material limitations and conditions), subjectivity (which is never based on full presence), language (which both is my own and comes from an other), and neighbourhoods (since they continue only by incorporating new people). Deconstruction, the essay concludes, need not be complicit in neoliberal dominance but, properly understood, makes us aware of the power dynamics by which the openness of plurilingualism can lead to the dominance of English.
Kunstfälschung und Kunstpolemik in Romanen von William Gaddis, Georges Perec und Sergio Kokis
(2019)
Fälschungen haben das Potential, die Institution der Kunst anzugreifen: Indem ein einhellig bewundertes Kunstwerk als Fälschung entlarvt wird, wird nicht nur die Autorität derer, die ihm Echtheit beschieden haben, in Frage gestellt, sondern der Kunstbetrieb als Ganzer. Man kann Fälschungen somit einen kunstpolemischen Charakter zusprechen. [...] Betrachtet man Fälschungen nicht vom moralischen oder ästhetischen Standpunkt aus, sondern als Diskursphänomen, kann man feststellen, dass sie in besonderer Weise die diskursiven Regeln anschaulich machen, die zu ihrer Akzeptanz als echte Werke führen. Im Moment der Aufdeckung der Fälschung wird deutlich, dass das, was bisher als eine Eigenschaft des Werkes betrachtet wurde, auf einer Zuschreibung beruht. [...] An den Reaktionen auf Fälschungen lassen sich daher zeit- und diskursspezifische Gegenentwürfe ablesen, welche um Begriffe kreisen wie Wahrheit, Authentizität und Originalität. [...] Der folgende Beitrag beschäftigt sich jedoch nicht mit realen Kunstfälschungen, sondern mit der Darstellung von Kunstfälschungen in der Literatur. Es wird um mehrere Beispiele für Erzählungen über Kunstfälscher gehen, ein Sujet, das besonders seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auffallend häufig für die Auseinandersetzung mit Kunst funktionalisiert wird und nicht so sehr zur Diskreditierung einer unlauteren Praxis.
Die vorliegende Studie versteht sich als ein Beitrag zur Geschichte der Kanonbildung, sie führt an eine historische Nahtstelle, an der ein Kanon etabliert, verfestigt und schließlich verändert wird im Laufe von nur wenigen Generationen deutscher Autoren. Es handelt sich um die vielleicht aufregendste Epoche der deutschen Literatur- und Kulturgeschichte: die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts. Ausgangspunkt für diese Beobachtungen bildet nicht ein Text, sondern ein Werk der antiken Kunst, der Torso vom Belvedere, über dessen Wirkung freilich in Texten reflektiert wird. Der Literaturwissenschaftler neigt professionell dazu, sich einseitig auf den Text zu konzentrieren, aber gerade in der Kanondebatte zeigt es sich, daß gravierende ästhetische Entwicklungen sich nicht nur in einem Medium allein formieren: Kanonforschung ist per se interdisziplinäre Forschung.
Wissenschaft, so heißt es, sei ein Projekt, das auf Erkenntnis zielt. Damit verbunden ist die Vorstellung, daß wir heute mehr wissen als gestern und morgen mehr wissen werden als heute. Die Frage ist nur, ob sich das zu Erkennende auch in diese Gedankenfigur fügt. Wie müßten wir vorgehen, wenn jene weißen Flecken auf der Landkarte des Wissens, welche zu besetzen und zu füllen ein konsti-tutiver Bestandteil wissenschaftlichen Selbstverständnisses ist, eo ipso als Wirklichkeiten anzuerkennen sind, die unerkannte Möglichkeiten in sich bergen? Wie können wir diesen virtuellen Realitäten (im emphatischen Sinne der Prägung, nicht dem geläufigen, der auf einem technizistischen Mißverständnis beruht) gerecht werden, ohne sie durch den fixierenden Zugriff, das Aussagen und Ausmalen, Aufschreiben und Aufzeichnen ihrer Virtualität zu berauben? ...
Die Konstruiertheit und Unzuverlässigkeit der Erinnerung wird heute in der kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung nicht bestritten. Aber in Rayk Wielands Roman Ich schlage vor, dass wir uns küssen ist die Erinnerung buchstäblich eine Erfindung oder, genauer gesagt, sie ist das Resultat einer phantasievollen Auslegung und "fehlgeleiteter Schnüffelphilologie" (Reents 2009). Der Träger des individuellen Gedächtnisses ist in diesem Fall nicht das individuelle Gehirn, sondern es sind die Stasi-Akten, und seine Stütze ist eine Erinnerungspolitik, die unbedingt Opfer und Heroen braucht, um ihre Vergangenheitsrekonstruktion zu legitimieren.
The Atlas Group created a digital mixed-media archive of contemporary Lebanese history, made up of produced and found documents. These archives look immediately ambiguous: they don't collect historical documents; they actually contain visual artefacts created by the Lebanese artist Walid Raad. These digital mixed-media archives - partly accessible on the web but also physically exhibited and performed - are not intended to preserve the memory of the past, but they become indeed useful to actualize history by giving it back in the form of a historical fiction. What if archives should not deal with memory, but with amnesia? And what kind of historical temporality do they re-activate?
Es geht um Wahrheit: Und zwar nicht um die uninteressanten Wahrheiten, über die man einfach erzählen kann, sondern um die Wahrheiten, die überall offen zutage liegen und die dennoch niemand sieht – weil die eigenen Erwartungen und Erklärungsmuster einen diese nicht sehen lassen. Damit ist dieses Kino das Gegenteil von einem Kino, das bewußt an den Erwartungen und Erklärungsmustern der Zuschauer entlangproduziert wird (was auch heißen kann, diese um der Effekte willen gezielt zu durchkreuzen), also das Gegenteil von einem Kino, das mit Zuschauern rechnen kann.