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Als Ausgangspunkt dieser Arbeit dienen Ansätze, die eine narrative Perspektive für das Verständnis von Psychopathologie und die psychotherapeutische Praxis vorschlagen. Im Hinblick auf die Fragen, welche Vorteile die Analyse von Patient*innenerzählungen bieten kann, und durch welche Merkmale psychopathologische Narrative sich auszeichnen, wird ein Überblick über ausgewählte Fallberichte, empirische Untersuchungen und theoretische Überlegungen gegeben. Diese werden unter den drei Kategorien Kohärenz, „Agency“ und Perspektiven beschrieben. Die Arbeit mag einen Impuls geben, ein tieferes Verständnis für narrative Dysfunktionen zu entwickeln und ihre Ursprünge sowie ihre Bedeutung für psychische Störungen und deren Behandlung vermitteln.
Im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung der Hochschullehre finden auch verstärkt elektronische Prüfungsformate Eingang in den Alltag von Hochschulen. Insbesondere elektronische Abschlussklausuren (E-Klausuren) bieten hier die Möglichkeit, die Prüfungsbelastung Hochschulehrender durch die Automatisierung weiter Teile der Klausurkonstruktion, -administration und -auswertung zu reduzieren. Die Integration digitaler Technologien in die Prüfungspraxis deutscher Hochschulen ermöglicht dabei nicht nur eine ökonomische Klausurkonstruktion, realitätsnähere Klausuren (z. B. durch die Nutzung fachspezifischer Standardsoftware), und den Einsatz innovativer Testbausteine (z. B. Integration von Multimediadateien in Items), sondern auch die Nutzung aktueller psychometrischer Methoden. Insbesondere die Konstruktion von Hochschulklausuren als kriteriumsorientierte, adaptive Tests (z. B. Spoden & Frey, 2021), hat das Potential Hochschulklausuren individualisierter, messpräzisier und fairer zu machen, sowie die Validität der aus der Klausurbearbeitung abgeleiteten Testwertinterpretationen zu steigern. Um kriteriumsorientierte, adaptive Hochschulklausuren in der Breite nutzbar zu machen, müssen allerdings zuvor einige Herausforderungen gemeistert werden, denen sich diese Arbeit widmet. Die in den vier Einzelarbeiten dieser Dissertation betrachteten Herausforderungen lassen sich auf einer psychometrischen, einer personalen und einer technischen Ebene verorten.
Auf der psychometrischen Ebene ist eine zentrale Herausforderung die ökonomische Kalibrierung des Itempools. Üblicherweise wird bei der Konstruktion adaptiver Tests eine dreistellige Anzahl an Items konstruiert und mittels einer separaten Kalibrierungsstudie im Vorlauf der operationalen Testanwendung mit mehreren hundert Testpersonen kalibriert. Die massierte Konstruktion vieler Items und die Durchführung einer zusätzlichen empirischen Studie lässt sich im Rahmen von Hochschulklausuren nur schwer realisieren. Im ersten Einzelbeitrag wird daher eine neuartige kontinuierliche Kalibrierungsstrategie (KKS) vorgestellt und im Rahmen einer Monte-Carlo-Simulation hinsichtlich ihrer psychometrischen Eigenschaften geprüft. Zusammenfassend ermöglicht die KKS, adaptive Tests während wiederkehrender Testanwendungen bei konstanter Berichtsmetrik, Kontrolle von Itemparameter-Drift und fortlaufender Ergänzung des Itempools zu kalibrieren. Es zeigt sich, dass die KKS selbst für sehr kleine Stichproben eine geeignete Methode darstellt, den Itempool über mehrere Testanwendungen hinweg fortlaufend zu kalibrieren.
Um die Berichtsmetrik dabei über die verschiedenen Testanwendungen hinweg konstant zu halten, und somit Vergleichbarkeit der Ergebnisse verschiedener Testzeitpunkte (z. B. Semester) zu gewährleisten, nutzt die KKS Equating-Methoden (z. B. Kolen & Brennan, 2014) zum Herstellen einer statistischen Verbindung zwischen Klausurdurchläufen. Die Qualität dieser statistischen Verbindung hängt dabei von verschiedenen Parametern ab. Im zweiten Einzelbeitrag werden daher verschiedene Konfigurationen der in die KKS implementierten Equating-Prozedur hinsichtlich ihres Einflusses auf die Qualität der Parameterschätzungen im Rahmen einer Monte-Carlo-Simulation untersucht und auf Basis der Ergebnisse praktische Empfehlungen abgleitet. Hierfür werden unter anderem die Schwierigkeitsverteilung der genutzten Linkitems sowie die verwendete Skalentransformationsmethode variiert. Es zeigt sich, dass die KKS unter verschiedenen Konfigurationen in der Lage ist, die Skala über mehrere Testzyklen hinweg konstant zu halten. Normal- beziehungsweise gleichverteile Schwierigkeitsverteilungen der Linkitems sowie die Stocking-Lord-Skalentransformationsmethode (Stocking & Lord, 1983) erweisen sich hierbei am vorteilhaftesten.
Auf personaler Ebene stellt die Akzeptanz seitens der Hochschullehrenden einen kritischen Erfolgsfaktor für die Implementation neuer E-Learning Systeme in Lehrveranstaltungen dar. Angelehnt an Technologieakzeptanzmodellen (z. B. Technology Acceptance Model; Davis, 1989) wird im dritten Einzelbeitrag ein empirisch prüfbares Modell – das Technology-based Exams Acceptance Model (TEAM) – zur Vorhersage der Intention zur Nutzung von adaptiven und nicht-adaptiven E-Klausursystemen seitens Hochschullehrender vorgeschlagen und anhand der Daten von N = 993 deutschen Hochschullehrenden empirisch geprüft. Das postulierte Modell weist einen guten Modellfit auf. Die Ergebnisse weisen die wahrgenommene Nützlichkeit als Schlüsselprädiktor für die Nutzungsintention aus. Medienbezogene Variablen haben indirekte Effekte auf die wahrgenommene Nützlichkeit, mediiert über vorherige Nutzungserfahrungen mit Bildungstechnologien. Darüber hinaus spielt die subjektive Norm eine wichtige Rolle bei der Erklärung der Akzeptanz von E-Klausuren...
Über zwei Drittel aller Menschen erleben in ihrem Leben mindestens ein traumatisches Ereignis (Kessler et al., 2017). Gerade nach interpersonellen Traumatisierungen ist die Rate der Betroffenen, welche eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) entwickeln, sehr hoch (z. B. ca. 50% nach sexuellem Missbrauch; Hauffa et al., 2011). In der Vergangenheit wurden Angst- und Ohnmachtsgefühle als zentrale der PTBS zu Grunde liegende Emotionen aufgefasst (Foa & Kozak, 1986). Neuere Forschungsbefunde legen jedoch nahe, dass traumabezogene Schuld- und Schamgefühle auch eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung der PTBS spielen (z. B. Badour et al., 2017). Dabei leiden besonders Betroffene von interpersonellen Gewalterfahrungen unter diesen Gefühlen (z. B. Badour et al., 2017).
Im Hinblick auf die psychotherapeutische Behandlung der PTBS haben sich traumafokussierte Verfahren als wirksam erwiesen (z. B. Lewis et al., 2020). Hohe Drop-out (z. B. Swift & Greenberg, 2014) und Nonresponse Raten (Fonzo et al., 2020) geben jedoch Hinweise darauf, dass nicht allen PTBS Patient*innen mit diesen Verfahren ausreichend geholfen werden kann, wobei insbesondere Patient*innen mit interpersonellen Traumatisierungen weniger gut davon zu profitieren scheinen (z. B. Karatzias et al., 2019). Zudem hat sich gezeigt, dass Schuldgefühle auch nach einer erfolgreichen PTBS Behandlung weiter persistieren (Larsen et al., 2019). Demnach besteht ein Bedarf an alternativen Therapieverfahren für Patient*innen mit interpersonellen Traumatisierungen und/oder Schuld- und Schamgefühlen.
Besonders vielversprechend sind hierbei achtsamkeitsbasierte Interventionen, die bereits in der PTBS Behandlung eine zunehmend bedeutsame Rolle spielen (Hopwood & Schutte, 2017). Eine wichtige Voraussetzung für die weitere Erforschung dieser Interventionen sind valide und reliable Verfahren zur Veränderungsmessung von Achtsamkeit (Isbel et al., 2020). So scheinen bisherige Studien jedoch hauptsächlich fragebogenbasierte Maße zur Erfassung von Veränderungen in Trait-Achtsamkeit eingesetzt zu haben, obwohl diese Interventionen eher auf die Steigerung von State-Achtsamkeit abzielen (Goodman et al., 2017). Darüber hinaus kristallisierten sich methodische Kritikpunkte in Bezug auf die Validität von Fragebögen zur Erfassung von Trait-Achtsamkeit heraus (van Dam et al., 2018). Demgegenüber erfassen Experience-Sampling Ansätze (z. B. Mindful-Breathing Exercise, MBE; Burg & Michalak, 2011) eher Aspekte der State-Achtsamkeit, sind jedoch in klinischen Untersuchungsstichproben bisher kaum untersucht worden. Darauf aufbauend fokussierte die erste Forschungsfrage der Dissertation die Untersuchung der MBE im klinischen Kontext. Ein Hauptbefund der Studie zeigte, dass die MBE bei PTBS Patient*innen hinsichtlich ihres Prädiktionswertes für die PTBS Symptome Übererregung und Intrusionen gegenüber fragebogenbasierter Trait-Achtsamkeit überlegen war. Mögliche Wirkmechanismen achtsamkeitsbasierter Interventionen könnten demnach durch den Einsatz der MBE besonders gut abgebildet werden.
Innerhalb der achtsamkeitsbasierten Interventionen kommt in der Behandlung der PTBS am häufigsten die Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR; Kabat-Zinn, 2013) als standardisierte Gruppenintervention zum Einsatz (Boyd et al., 2018). Jedoch scheint die MBSR insbesondere für PTBS Patient*innen mit interpersonellen Traumatisierungen nicht eins-zu-eins anwendbar zu sein (Müller-Engelmann et al., 2017). Buddhistische Metta-Meditationen (dt.: Liebende Güte; Salzberg, 2002) sind vor diesem Hintergrund eine vielversprechende Ergänzung zu achtsamkeitsbasierten Interventionen. Metta-Meditationen zielen darauf ab, sich selbst sowie allen anderen Lebewesen bedingungsloses Wohlwollen und Freundlichkeit entgegen zu bringen (Bodhi, 2010). Metta-Meditationen sind noch weniger gut in der klinischen Forschung etabliert. Erste Befunde deuten jedoch darauf hin, dass sie bei PTBS Patient*innen zu einer Reduktion der PTBS Symptomatik führen können (z. B. Kearney et al., 2021). Folglich wurde im Rahmen der zweiten Forschungsfrage eine neue Intervention entwickelt und evaluiert, welche sich an den Bedürfnissen von PTBS Patient*innen mit interpersonellen Traumatisierungen orientiert. Sie kombiniert kürzere, PTBS spezifische Achtsamkeitsübungen mit angepassten Übungen aus MBSR sowie Metta-Meditationen (= Trauma-MILOKI). Trauma-MILOKI zeigte sich in einer multiplen Baseline Studie wirksam zur Reduktion der PTBS Symptome sowie zur Steigerung des Wohlbefindens.
Ein Wirkmechanismus von Metta-Meditationen ist die Förderung positiver Emotionen sowie des Gefühls sozialer Verbundenheit (Salzberg, 2002), weswegen sie auch besonders gut geeignet scheinen, traumabezogene Schuld- und Schamgefühle zu reduzieren. Darüber hinaus haben sich unter den etablierten Therapieverfahren v. a. kognitive Ansätze zur Reduktion von Schuldgefühlen als wirksam erwiesen (Resick et al., 2008)...
Im Bobsport herrscht Konsens, dass die Startphase von zentraler Bedeutung für eine gute Endzeit ist. Dennoch hat sich die Sportwissenschaft mit der Frage, wie der Bobstart gelingt, bis dato kaum auseinandergesetzt. Der Beitrag holt dies in Form einer leibphänomenologischen Analyse der Startphase im Viererbob nach, indem er sein Augenmerk sowohl auf die leibliche Kommunikation der Athleten untereinander als auch zwischen ihnen und ihrem Sportgerät richtet. Theoretisches Fundament hierfür ist die Leibphänomenologie von Hermann Schmitz, empirische Grundlage sind problemzentrierte Interviews mit acht Kaderathleten des Bob- und Schlittenverbands für Deutschland (BSD). Zentrales Ergebnis der Untersuchung ist erstens, dass für das Gelingen des Viererbobstarts vor allem die antagonistisch-einseitige Einleibung der Athleten untereinander wie auch der Athleten mit dem Bob bedeutsam ist. Zweitens erweist sich die solidarische Einleibung der Athleten als wichtige Bedingung und gleichermaßen spürbarer Ausdruck eines gelungenen Viererbobstarts. Der Text präsentiert damit einen vollkommen neuen Blick auf den Bobsport. Mit seinem theoretisch-konzeptionellen Fokus auf leibliche Kommunikation im Sport liefert er darüber hinausgehend einen innovativen Beitrag zur phänomenologischen Sportforschung, wie er generell die fruchtbare Verbindung von Philosophie und empirischer Sportwissenschaft belegt.