Erziehungswissenschaften
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Das Buch enthält einerseits eine Reihe von Fallstudien zu unterschiedlichen pädagogischen Fragen. Gemeinsam ist ihnen, dass qualitative Methoden angewandt werden, die Studierenden ermöglichen, eine "forschende Haltung" zu entwickeln. Andere Beiträge beschreiben die Bedingungen für eine Integration von wissenschaftlichen Methoden im Rahmen der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern. Das Buch arbeitet keine Theorie auf, sondern zeigt, wie die Analyse empirisch erhobener Daten sinnvoll in der ersten Phase der Lehrerbildung zur Selbstreflexion der Studierenden beitragen kann. Die praktische Philosophie des Freiburger Verständnisses einer Interpretationswerkstatt kann Lehrende zur Arbeit mit Fallstudien ermuntern und Studierenden einen Einblick in die Möglichkeiten von Fallstudien bieten.
Schlusswort Ziel der Arbeit war es, mit Hilfe des gegenstandsbezogenen Ansatzes der Grounded Theory ein Modell zu entwickeln, das die konstitutiven bzw. essentiellen Momente und Dimensionen der Berufswahlberatung darzu-stellen vermag und das als Systematik für Praktiken zur der Umsetzung dienen kann. Durch die mikroanalytische Untersuchung konnten vielfältige Aktivitäten der Akteure erfasst werden, die auf spezifische Anforderungen der Berufswahlberatung und auf Kunstfertigkeiten der Professionellen schließen ließen. Die untersuchten Berufsberatungsgespräche brachten zum Vorschein, welche Schwierigkeiten ein autonomes Berufswahlentscheiden für den Heranwachsenden bedeuten kann. Diese Schwierigkeiten, aber auch die Fraktionierung des Klientels sowie der produktive Umgang mit involvierten Pädagogisch-Professionellen können als die zentralen Herausforderungen, die das Handlungsfeld Berufswahlberatung an die professionellen Berater stellt, angesehen werden. In Anbetracht der gesellschaftlichen Bedeutung von Berufswahl und der diffizilen Aufgabe, eine produktive Berufsberatung hervorzubringen, mutet die gegenwärtige begriffliche Verfremdung der Berufswahlberatung als sog. Vermittlungsgespräch abstrus und unverständlich an. Die damit zum Ausdruck kommende Missachtung des bei der Realisierung einer Berufslaufbahn zentralen Aspekts des autonomen Berufswahlentscheidens muss wohl auf die zunehmende Knappheit von adäquaten Arbeits- und Ausbildungsplätzen zurückgeführt werden, die nicht nur objektiv den Entscheidungsspielraum vieler Heranwachsenden einschränkt, sondern auch antiliberale Stimmung hervorruft. Um so wichtiger erscheint es, dass durch erziehungswissenschaftliche Forschung pädagogisch arbeitende Professionelle unterstützt werden, damit diese sich im Rahmen ihrer Spielräume autonom, d.h. entsprechend den gesellschaftlich verankerten Wertvorstellungen und Grundsätzen sowie bezogen auf die Sachhaltigkeit des jeweiligen Einzelfalls rational verhalten können. Der hier praktizierte Ansatz, systematisch auf der Grundlage der Feldforschung Anforderungen zu rekonstruieren, die die Berufswahlberatung an deren Akteure stellt, und darüber hinaus passende Praktiken zu konstruieren, könnte, so meine ich, ein gangbarer Weg dafür sein, um für die Praktiker im o.g. Sinn relevantes Wissen hervorzubringen, werden hierbei doch begriffliche Vorstellungen darüber gewonnen, welche Anforderungen bei der Durchführung einer Berufswahlberatung unter bestimmten gesellschaftlich verankerten Wertsetzungen gestellt werden und welche Mittel (Praktiken) dafür in der Praxis verwendet werden können. Auch wenn das in der Arbeit entworfene Theoretische Modell empirisch fundiert und gesättigt ist, muss doch schon aufgrund des begrenzten Korpus eingeräumt werden, dass dem Modell eher grundlegender Charakter zukommt. Offen bleibt eine weitergehende, gezielte und differenzierte Auseinandersetzung mit einzelnen Anforderungen und Praktiken der Berufswahlberatung. Dazu können weitere Forschungsanstrengungen unternommen werden, um weitere Gesprächsprotokolle zu erhalten und das Modell weiter auszudifferenzieren. Es können aber auch gedankenexperimentelle Überlegungen angestrengt werden, etwa um weitere entsprechend den Anforderungen geeignete Praktiken zu entwerfen.
Im April 2004 wurde im Rahmen des DFG-Forschungsprojektes „Kokainkonsum in Frankfurt am Main“ eine Repräsentativbefragung in der erwachsenen Wohnbevölkerung in Frankfurt a.M. durchgeführt. Da neben Kokain auch andere illegale und legale Drogen Thema der Befragung waren, eröffnet dies die Möglichkeit, einen Blick auf den Konsum psychoaktiver Substanzen in Frankfurt am Main zu werfen. Insgesamt 1.011 18-59-jährige Frankfurterinnen und Frankfurter beteiligten sich an der postalischen Erhebung. Die Ergebnisse der in diesem Bericht vorgelegte Sonderauswertung können mit ähnlich konzipierten Befragungen für Hamburg und das Bundesgebiet verglichen werden. Tabak 35,9% der Befragten sind aktuelle Raucher/innen, weitere 25,4% haben früher einmal geraucht. Insgesamt 10,3% rauchen täglich mindestens 20 Zigaretten. Etwas mehr Männer als Frauen rauchen aktuell. Bei den Altersgruppen zeigt sich lediglich unter 18-24-jährigen eine Überrepräsentation der Raucher/innen. Der Anteil aktueller Raucher/innen in Frankfurt ist etwa mit denen in Hamburg und dem gesamten Bundesgebiet vergleichbar, allerdings zeigt sich insbesondere im Vergleich zu Hamburg, dass in Frankfurt die Quote starker Raucher/innen relativ gering ist. Alkohol Einen Alkoholkonsum in den letzten 24 Stunden geben 38,4% der Befragten an, darunter deutlich mehr Männer als Frauen; zudem steigt dieser Anteil mit zunehmendem Alter. Demgegenüber geben jüngere Befragte häufiger an, in den letzten 30 Tagen betrunken gewesen zu sein (Gesamt: 15,1%). Die 30-39-jährigen sind die Altersgruppe, die durchschnittlich am frühesten in einen regelmäßigen Alkoholkonsum eingestiegen ist. 10,5% der Befragten sind aufgrund der Intensität ihres Gebrauchsmusters als mindestens „riskante“ Konsumenten einzustufen. Der Alkoholkonsum in Frankfurt unterscheidet sich nur geringfügig von dem in Hamburg bzw. dem im Bundesgebiet. Medikamente 16% der Stichprobe haben in den zurückliegenden 30 Tagen mindestens einmal pro Woche Medikamente eingenommen, dabei dominieren mit 11,8% die Schmerzmittel. Ein deutlicher Schwerpunkt des Medikamentengebrauchs ist bei älteren Befragten auszumachen. Im Unterschied zu den beiden Vergleichsbefragungen konsumieren Frauen in Frankfurt nur etwas häufiger als Männer regelmäßig Medikamente. Cannabis Auch in Frankfurt stellt Cannabis die mit Abstand meistkonsumierte illegale Droge dar; 41,3% verfügen über Erfahrungen mit der Substanz, darunter mehr Männer als Frauen. Dieser geschlechtsspezifische Unterschied zeigt sich in verstärktem Maße bei der 12-Monats- (insgesamt 10,6%) und 30-Tages-Prävalenz (5,0%). Deutliche Schwerpunkte des aktuellen Konsums zeigen sich in den jüngeren Altersgruppen. Etwa der Hälfte der Befragten wurde Cannabis schon einmal angeboten, etwas weniger halten die Droge für leicht beschaffbar und 5,5% der Drogenunerfahrenen würden die Droge bei entsprechendem Angebot möglicherweise probieren. Diese Probierbereitschaft fällt im Vergleich zu Hamburg etwas niedriger aus, wogegen die Beschaffbarkeit in Frankfurt höher eingeschätzt wird. Die Cannabis-Prävalenzraten entsprechen in etwa denen von Hamburg, liegen aber deutlich über den gesamtdeutschen Prävalenzraten (Lebenszeit: Ffm 41,3%, HH 42,4%, D 24,5%). Die Werte für das Einstiegsalter liegen in Frankfurt unter den bundesweit ermittelten, aber über denen aus Hamburg. Andere illegale Drogen 14,0% der Befragten haben schon einmal mindestens eine illegale Droge außer Cannabis konsumiert; 2,2% haben eine derartige Substanz auch in den letzten 12 Monaten und 1% in den letzten 30 Tagen konsumiert. Kokain liegt hier mit einer Lebenszeitprävalenz von 7,5% an erster Stelle, gefolgt von LSD, psychoaktiven Pilzen, Ecstasy und Amphetaminen mit jeweils rund 5%. Auch hier verfügen Männer deutlich häufiger über Konsumerfahrungen als Frauen, aktueller Konsum dieser Substanzen ist unter 25-29-jährigen am stärksten verbreitet. Die Probierbereitschaft für ‚harte Drogen’ ist unter Unerfahrenen ausgesprochen gering, wogegen 11,2% der drogenerfahrenen Personen Kokain und 5,7% Ecstasy bei entsprechendem Angebot konsumieren würden. Je etwa 20% geben an, eine dieser Substanzen leicht beschaffen zu können. In Frankfurt verfügen mehr Personen als in Hamburg und im Bundesdurchschnitt über Erfahrungen mit illegalen Drogen (außer Cannabis), Frankfurt fällt aber hinsichtlich des aktuellen Konsums hinter Hamburg zurück und rangiert hier etwa gleichauf mit dem Bundesdurchschnitt. In der Hansestadt haben im Unterschied zu Frankfurt nahezu so viele Frauen wie Männer Erfahrungen mit ‚harten Drogen’, beim aktuellen Konsum übertreffen sie sogar die Werte für die männlichen Befragten, wogegen in Frankfurt und bundesweit hier die Männer deutlich überwiegen. Freizeitaktivitäten und politische Einstellung Die Befragten in der vorliegenden Stichprobe stufen sich selbst im Schnitt leicht „links“ der politischen „Mitte“ ein. Jüngere Personen weisen eine höhere Ausgehhäufigkeit auf als ältere Befragte. Eine hohe Ausgehhäufigkeit wiederum geht oftmals mit einer höheren Prävalenz des Konsums legaler und illegaler Drogen einher. Konsum psychoaktiver Substanzen unter Frankfurter Jugendlichen und Erwachsenen im Vergleich Im Hinblick auf die Verbreitung im Bekanntenkreis zeigt sich bei den legalen Drogen ein leicht, bei den illegalen ein deutlich erhöhter Wert unter den Frankfurter Schüler/innen. Besonders eindeutig fällt dieser Unterschied bei Cannabis, synthetischen Drogen und psychoaktiven Pilzen aus. Letzteres schlägt sich auch in der Rangliste der Konsumprävalenzen nieder, wo Ecstasy, Amphetamine und Pilze bei den Jugendlichen im Unterschied zu den Erwachsenen vor Kokain rangieren. Eine noch deutlichere Differenz zeigt sich bei den Schnüffelstoffen, die bei den Erwachsenen nahezu gar keine, bei den Schüler/innen hingegen eine vergleichsweise hohe Verbreitung finden. Fazit Die Einwohner/innen von Frankfurt am Main unterscheiden sich im Hinblick auf den Gebrauch legaler Drogen nur unwesentlich von der deutschen Allgemeinbevölkerung wie auch von der in Hamburg. Hinsichtlich der illegalen Drogen sind sowohl in Frankfurt als auch in Hamburg im Vergleich zum Bundesdurchschnitt bezogen auf die Lebenszeit höhere Erfahrungswerte zu beobachten. Bezüglich des aktuellen Konsums rangiert Hamburg leicht vor Frankfurt, und was den aktuellen Konsum ‚harter Drogen’ betrifft, liegt Frankfurt gleichauf mit dem Bundesdurchschnitt.
Entrepreneurship eröffnet aus didaktischer und organisatorischer Sicht vielversprechende Chancen zum Bewältigen der Modernitätskrise dualer Berufsausbildung, birgt jedoch auch Risiken in sich. Sowohl didaktische Konzeptionen, die von der – traditionell – funktional-objektivistischen Entrepreneurship-Definition ausgehen (z.B. der „Medienkoffer Selbstständigkeit“), als auch subjektorientierte Ansätze (z.B. die „Arbeitsorientierte Exemplarik“) zeichnen sich dadurch aus, dass sie, anders als duale Berufsausbildung, allgemeine Bildungsinhalte gegenüber fachbezogenen stärker gewichten, was sich u.a. in Fachgrenzen überschreitenden Lehr-/Lernarrangements (Projektunterricht) konkretisiert. Damit wird nicht nur den – Stichworte Lean Production und Globalisierung – veränderten Qualifikationsbedarfen am Arbeitsmarkt entsprochen. Auch bestehen Anknüpfungspunkte zu einem Teil der subjektiven Wissens- und Rationalitätsgrundlagen, die aus Sicht der Theorie der reflexiven Modernisierung in der Zweiten Moderne für unabdingbar erachtet werden (Anerkennung von Unsicherheit/nicht erwarteten Nebenfolgen, Befähigung zur kooperativen Entscheidungsfindung). Die untersuchten Ansatzmöglichkeiten weisen jedoch auch Schwachpunkte auf. Die „Arbeitsorientierte Exemplarik“ stellt zwar eine geschlossene didaktische Konzeption dar. Ihre Umsetzung beschränkt sich jedoch weitgehend auf die Erwachsenenbildung. Zudem fehlen Daten, die es ermöglichen, die Validität der „Arbeitsorientierten Exemplarik“ im Feld zu evaluieren. Umgekehrt liegt eine Vielzahl praxiserprobter und auch evaluierter „Entrepreneurship Education“-Programme, -Projekte und -Lehrgänge vor, die jedoch nicht bildungstheoretisch fundiert sind. Auch drohen „Entrepreneurship Education“ und die „Arbeitsorientierte Exemplarik“ entweder von neoliberalen wirtschaftspolititischen Interessen vereinnahmt oder unmittelbar in den Dienst der Gewinnerzielungsabsichten global operierender Konzerne gestellt zu werden. Während bildungstheoretische und empirische Lücken vergleichsweise einfach – durch Bildungsforschung – geschlossen werden können, verdichten sich im Spannungsfeld zwischen funktional-objektivistischen ökonomischen Interessen und dem anthropologisch begründbaren Ethos nach Entwicklung und Entfaltung individueller Persönlichkeitspotentiale divergierende politische Implikationen, mit denen Entrepreneurship (nicht nur) im Kontext erwerbsarbeitsbezogener Bildung konfrontiert ist. Hier bieten sich zwei Reaktionsmöglichkeiten an: Einerseits eine separierende Sichtweise, die entweder funktional-objektivistischen oder subjektivistisch-individuellen Rationalitäten Vorrang einräumt. Dies hätte zur Folge, dass Entrepreneurship entweder für unternehmerisches Denken und Handeln zu qualifizieren hätte oder, losgelöst von utilitaristischen Erwägungen, die gattungsspezifischen und individuellen Entwicklungsbedürfnisse des Menschen zu entfalten wären. Mit Blick auf die Herausforderungen der Zweiten Moderne erscheint gegenüber einer separierenden eine bündelnde Sichtweise erfolgversprechender, die versucht, Entrepreneurship als Option zur Gestaltung von Gesellschaft zu interpretieren ohne zu vernachlässigen, dass das Subjekt Resultat und Produzent seiner – durch die gegebene primär marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung beeinflussten – Vernetzung, Situierung, Verortung, Gestalt ist. Eine solche Quasi-Subjektbildung hätte neben den in der „Theorie reflexiver Modernisierung“ denominierten subjektiven Wissens- und Rationalitätsgrundlagen auch auf den Ausgleich wirtschafts-, gesellschafts- und sozialpolitischer Interessen zu zielen. Auch in organisatorischer Hinsicht beeinflussen ökonomische Rationalitäten die Modernisierungsmöglichkeiten erwerbsarbeitsbezogener Ausbildung. Zwar können die in das öffentliche Bildungssystem eingebundenen Schulen in nicht-staatlicher Trägerschaft als Repräsentanten des Entrepreneurship-Gedankens die kraft ihrer Rechtsform gegebenen pädagogischen Gestaltungsmöglichkeiten nutzen, um dem Berufsausbildungssystem Modernisierungsimpulse zu induzieren. In diesem Zusammenhang wären etwa Angebote zu nennen, in denen berufsbildende mit allgemeinbildenden Inhalten unter Einbezug neuartiger Theorie-Praxis-Kombinationen verschränkt werden. Auch sind einige Privatschulen an Modellversuchen zur Erprobung neuartiger Bildungsgänge beteiligt, die in Kooperation mit den Kultusministerien durchgeführt werden. Gleichwohl zeichnet sich ab, dass die Entscheidungsträger privater Schulen dazu übergehen, ihrer Auffassung nach moderne Erwerbsarbeitsqualifikation zunehmend außerhalb des Berufsausbildungssystems anzubieten, etwa in Form studienqualifizierender Bildungsgänge, im Rahmen berufsqualifizierender Bildungsangebote, die ausschließlich Abiturienten vorbehalten bleiben, oder gar indem berufsbildende durch Fachhochschulstudiengänge substituiert werden. Wenn nun aber moderne Erwerbsarbeitsqualifizierung zunehmend außerhalb des dualen Systems offeriert wird, so untermauert dies nicht nur die These, dass sich das duale System in einer Modernitätskrise befindet. Auch verstärkt dieses an leistungsstarken Schülern orientierte Angebotsverhalten die Selektionsfunktion, welche die Privatschulen ohnehin schon ausüben, indem sie regelmäßig Schulgeld erheben. Vieles spricht dafür, dass die staatliche Finanzhilfe, die sowieso nur Ersatz-, nicht jedoch Ergänzungsschulen beanspruchen können, allein nicht ausreicht, um den Finanzmittelbedarf der Einrichtungen zu decken. Sollen die (verbleibenden) von den Schulen in freier Trägerschaft ausgehenden Modernisierungsimpulse als nachhaltige Schrittmacher für zeitgemäße Erwerbsarbeitsqualifikation fungieren, so bedarf es nicht nur in finanzieller Hinsicht staatlicher Unterstützung. Auch die je nach Bundesland mehr oder weniger großzügigen schulrechtlichen Privatschulrechtsnormen einschließlich ihrer Anwendung durch die Aufsichtsbehörden bedürfen zumindest der Angleichung. Nicht umsonst konnten die von den Kaufmannsvereinigungen betriebenen Schulen Ende des 19. Jahrhunderts erst dann eine (allerdings auf berufliche Ertüchtigung) fokussierte Modernisierungsfunktion übernehmen, nachdem der Staat die hierfür erforderlichen, gesellschaftspolitisch motivierten, weil gegen die Sozialdemokratie gerichteten Rahmenbedingungen geschaffen hatte. Einen Rahmen, die herausgearbeiteten Spannungsbögen zwischen Theorie und Praxis, partikularistischem und holistischem Paradigma sowie ökonomischen und pädagogischen Interessen neuartig zu betrachten, vermag die Historische Anthropologie bereitzustellen. Historisch-anthropologische Forschung ist multiparadigmatisch und zeichnet sich durch Transdisziplinarität sowie Transnationalität aus. In transdisziplinären Forschungsprojekten können die Vertreter mehrerer Fachdisziplinen auf unterschiedliche Wissenskonstellationen, Fragestellungen, Begriffe sowie methodische Zugänge zurückgreifen und so – Stichwort „Quasi-Subjektivität“ – neuartige Lösungsvorschläge für konkrete Problemstellungen einbringen (vgl. WULF 2004, 262). Beim Überschreiten von durch Fachgrenzen begrenztem Denken „spielt das Staunen, das radikale Fragen, die philosophische Kritik und Selbstkritik eine wichtige Rolle“ (WULF 2004, 264). Staunen dürfte sich aller Voraussicht dann einstellen, wenn nicht nur ernsthaft diskutiert würde, dass private Schulen – unter Voraussetzung veränderter Rahmenbedingungen – den öffentlichen Bildungsauftrag möglicherweise besser umsetzen können als staatliche Einrichtungen, sondern auch seitens der politisch Verantwortlichen die hierfür erforderlichen Maßnahmen ergriffen würden. Transnationale (historisch-anthropologische) Forschung eröffnet zudem die Gelegenheit, Grenzen, genauer: ethnische oder kulturelle Grenzen zu überschreiten. (vgl. WULF 2004, 268). Bezogen auf Entrepreneurship böte sich insofern die Option, die anglo-amerikanische Färbung des Entrepreneurship-Diskurses ebenso zu erweitern wie den zentraleuropäischen Nexus des historischen Subjektbildungsdiskurses.
Die Person, deren Leben und Werk ich mich in dieser Arbeit zu nähern versuche, kann auch dreißig Jahre nach Erscheinen ihres institutikonenkritischen Werkes "Entschulung der Gesellschaft" in Deutschland 1972 noch immer als vergleichsweise rätselhaft bezeichnet werden. Ältester Sohn einer zum Protestantismus übergetretenen Jüdin und eines katholischen Kroaten aus Split an der Küste Dalmatiens, die Ehe steht unter keinem guten Stern. Der Nationalsozialismus hält in Wien Einzug, die Mutter flieht mit den drei Kindern nach Florenz. Weitere Einzelheiten aus der Kindheit, der Situation der Familie und vor allem zu den Schulerfahrungen, die tragfähig wären, waren nicht bekannt. Ivan Illich wurde Priester, er wirkte in New York und Puerto Rico, wurde später Leiter eines Zentrums für Sprachlernen in Cuernavaca/Mexiko mit dem Namen CIDOC. Fotos zeigen einen entschlossen wirkenden, hageren Mann mit aristokratischen Zügen. Illich forderte unter anderem dazu auf, das Bildungswesen, so wie es war, aufzulösen und radikal neu zu organisieren. Sein Buch über die Entschulung wurde ein Bestseller, immerhin ein Sachbuch, verkaufte es sich in sechs Auflagen von 1973 bis 1981. ...
Allmacht der Medien - Ohnmacht der Schule? : Herausforderungen für die Schule des 21. Jahrhunderts
(2006)
Ausgangspunkt dieser Arbeit ist die Feststellung, dass Medien, insbesondere die öffentlichen Medien, tiefer in den Alltag der Menschen hineinreichen, als dies im Allgemeinen zugegeben wird, und die Annahme, dass diese Allgegenwärtigkeit der Medien samt ihrer Inhalte nicht ohne Folgen für den Einzelnen sowie für das soziale Zusammenleben innerhalb der Gesellschaft bleibt. Postman zufolge vollzieht sich seit dem vergangenen Jahrhundert durch den Übergang vom Buchdruckzeitalter zum Fernsehzeitalter ein folgenschwerer gesellschaftlicher Wandel. Insbesondere beobachtet er eine neue, auf das Fernsehen zurückzuführende Form des Diskurses, welche eine inhaltliche Verschiebung, eine Bedeutungsveränderung des öffentlichen Diskurses insgesamt nach sich zieht. In dieser Entwicklung sieht Postman sogar die Gefahr eines Niederganges der (amerikanischen) Kultur (vgl. Postman, 1985/2006). Die Schule in ihrer heutigen institutionellen Form entstand noch im Zeitalter des Buchdrucks, welches von Postman auch das Zeitalter der Erörterung genannt wird, und hat deshalb traditionell ein anderes Verständnis von Lernen und Erziehung, als die Massenmedien, bei welchen zuallererst die Unterhaltung des Zuschauers im Vordergrund steht und nicht etwa dessen Bildung bzw. Erziehung. Es stellt sich nun jedoch angesichts der Tatsache, dass wir uns im Zeitalter der Massenmedien - des „Showbusiness“ befinden, die Frage, wie die fast schon historisch anmutende Institution Schule auf die Entwicklungen unserer Zeit reagiert, oder zugespitzt formuliert: Machen die Massenmedien die Institution Schule zukünftig überflüssig? Wer hat denn zur Zeit mehr Einfluss bzw. Macht: Massemedien oder Schule? Die folgende Arbeit wird sich mit eben dieser angedeuteten ‚Erziehungskonkurrenz’ beschäftigen, versuchen Lösungsmöglichkeiten für die Schule aus dem Bereich der Medienpädagogik aufzuzeigen, und möchte anschließend die aktuellen Reformbestrebungen unter den zuvor genannten Gesichtspunkten kritisch betrachten. ...