BDSL-Klassifikation: 12.00.00 18. Jahrhundert > 12.04.00 Studien
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Als Franz Horn, Vorreiter einer modernen Literaturgeschichtsschreibung, 1824 nach einer angemessenen Bezeichnung des Zeitraums zwischen 1750 und 1770 suchte, erinnerte er seine Leser daran, dass diese Jahre unlängst noch als das "goldene Zeitalter der deutschen Literatur" bezeichnet worden waren. Dessen Schriftsteller - so Horn bereits 1805 - hätten einen wichtigen Beitrag zum "Wiederaufblühen und der Reife unserer Literatur" geleistet. Genauso sahen es bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein zahlreiche Literaturhistoriker. Karl Herzog bilanziert 1831 die "Selbständigkeit der National-Literatur" unter der Überschrift "Von der Mitte des 18ten Jahrhunderts bis auf unsere Zeit"; für Christian Georg Friedrich Brederlow beginnt das "classische Zeitalter der deutschen Literatur" in der "Mitte des 18. Jahrhunderts", für Werner Hahn setzt die "Zeit der klassischen Vollendung der deutschen Poesie" mit "Klopstock 1748" ein, Karl Gustav Helbig periodisiert "vom zweiten Viertel des 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart", Joseph Hillebrand spricht von einer "nationalliterarischen Reformation unter Lessing", was zugleich "der Anfang ihrer klassischen Wiedergeburt" gewesen sei, und Heinrich Laube sieht mit Lessing gar "diejenige Literatur, welche man die klassische nennt", beginnen.
Was hier immer wieder wie eine zusammenhängende Periode erscheint, die ausgehend von der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis zu seinem Ende reicht, sollte schon bald zu einem mehrstufigen Entwicklungsmodell ausdifferenziert werden, an dessen Ende die Weimarer Klassik steht - als mondäner Gipfel, der einen großen Schatten werfen wird auf die vermeintlichen Niederungen der Literaturlandschaft.
Die folgende Darstellung argumentiert nicht mit Blick auf eine Metahistorik im Koselleck'schen Sinn, sondern beschränkt sich auf die Nachzeichnung einer kurzen Debatte, die unmittelbar an der Wende zum 19. Jahrhundert über die Bedeutung und den angemessenen Gebrauch von 'ahnen' und 'ahnden' geführt wurde. Genauer in den Blick genommen werden drei Fußnoten, in denen Johann Gottfried Herder und Immanuel Kant ihre Einschätzungen zur Gleichheit oder Ungleichheit der Wörter austauschten. Die Passagen entstammen Texten der Jahre 1797 bis 1799 - zweien von Herder, einem vom Kant - die auch sonst einschlägige Positionsbestimmungen zu Problemen der Zukunftserkenntnis vornehmen.
Die zunehmende Bedeutung der Anthropologie zeigt sich [...] in der poetologischen Diskussion des Verses, der Metrik und Prosodie. Während zu Beginn des 18. Jahrhunderts der Vers in der Rhetorik seine Begründung fand, führte die Ausdifferenzierung der Poesie aus der Rhetorik zu einer Grundlagenreflexion, in deren Verlauf in Moritz Versuch einer deutschen Prosodie ein "wesentliche[r] Fortschritt" in der prosodischen Schätzung der Silben erreicht wurde. Die an der Diskussion beteiligten Theoretiker rekurrierten zunehmend auf anthropologische Konzeptionen. Dieser Prozeß ist im folgenden zu rekonstruieren. Einen Überblick über die Ausgangslage bietet Gottscheds Versuch einer Critischen Dichtkunst. Die Diskussion um den Hexameter als Leitfrage der Verslehre des 18. Jahrhunderts bündelte die wesentlichen Argumente und warf Anschlußprobleme auf: die Frage nach der Differenz der Einzelsprachen, die Anreicherung der Verstheorie mit geschichtsphilosophischen Deutungsmustern, d.h. die Verortung von Metrik und Prosodie in einer Theorie des Zivilisationsprozesses, schließlich die Verwissenschaftlichung bis zur Jahrhundertwende.