TY - THES A1 - Röder, Judith T1 - Übergang schizophrener Psychosen in bipolare Störungen im Langzeitverlauf N2 - Schon zu Beginn der Schizophrenieforschung ist man immer wieder auf Fälle gestoßen, die sich nicht oder nur schwer kategorisieren ließen. So erkannte bereits Kraepelin (1920) das Problem von Symptomkonstellationen, die sich nicht eindeutig in sein dichotomes Modell von „Dementia praecox“ und „manisch-depressivem Irresein“ (1896) einfügten. Es handelte sich um Patienten, die schizophrene Symptome und affektive Störungen im Wechsel oder aber auch gleichzeitig aufwiesen. In den folgenden Jahren gab es viele Bezeichnungen für derlei Phänomene. Es wurde von „Mischpsychosen“, einem „intermediären Bereich“ oder von „atypischen Psychoseformen“ gesprochen. Kurt Schneider (1980) bezeichnete sie als „Zwischenfälle“, Kasanin (1933) prägte den heute verwandten Begriff der „schizoaffektiven Psychosen“. Betrachtet man nun Langzeitverläufe über viele Jahre, so können in einigen Fällen Übergänge von der einen in die andere nosologische Entität beobachtet werden. Häufiger und besser belegt handelt es sich um Syndromwechsel von einer primär affektiven Störung hin zu einer schizophrenen Psychose. Wobei Marneros (1991) im Rahmen seiner großen Langzeitstudie, die den Verlauf affektiver, schizoaffektiver und schizophrener Psychosen miteinander vergleicht, deutlich darauf hinweist, dass sich keine typische Richtung eines Syndromwechsels oder Bevorzugung eines bestimmten Verlaufs belegen lässt. In unserer katamnestisch Studie beschäftigen wir uns ausführlich mit fünf Langzeitverläufen, die einen Übergang einer eindeutig diagnostizierten Schizophrenie mit mehreren Schüben und Exarcerbationen in eine bipolare Störung zeigen. Es handelt sich um eine explorative Arbeit, die bei allen Patienten eine mehr als 20-jährige Krankheitsgeschichte beleuchtet. Im Mittelpunkt stand die Untersuchung vieler sorgfältig geführter Krankenakten, die sowohl Aufzeichnungen der behandelnder Psychiater und Pflegekräfte enthielten, als auch Zusatzmaterialien wie Briefe, Postkarten und Bilder umfassten. Als wesentliches Mittel zum Herausstellen des Syndrom wechsels bzw. des Strukturwandels diente uns die genaue Betrachtung der erlaufspsychopathologie. Ergänzt wurden unsere Beobachtungen bezüglich der Krankheitsverläufe durch eigene Einschätzungen und Beurteilungen der Patienten, die in einem freien Interview in den Jahren 2002 und 2003 erhoben wurden. In allen fünf Fällen war ein eindeutiger Wandel der Symptomatik zu erkennen, welcher als solcher auch von den untersuchten Patienten empfunden und in den Interviews eindrücklich beschrieben wurde. Es zeigte sich bei allen fünf männlichen Patienten mit einem durchschnittlichen Ersterkrankungsalter von 22,6 Jahren, dass die erste Manie im Durchschnitt nach 10,4 Jahren und eine erste Depression im Durchschnitt nach folgenden 8,2 Jahren auftrat. Da nach dem Syndromwechsel Symptome aus dem schizophrenen Formenkreis bis heute fehlen, lässt sich in unseren Fällen die Bezeichnung als schizoaffektive Psychose nicht halten. Es handelt sich also um einen Syndromwechsel im Sinne eines Entitätenwechsels, der über Jahre hinweg stabil bleibt. Auch der Ausgang der Erkrankung unterstreicht unsere Beobachtung. Bei allen Patienten ist sowohl subjektiv als auch objektiv ein positiver Ausgang festzustellen. Dieses Phänomen deckt sich mit den Ergebnissen der vielfältig durchgeführten Studien zum besseren Ausgang von affektiven als von schizophrenen Erkrankungen. Konsequenterweise führte eine Phasenprophylaxe mit Lithium in allen Fällen zu einem Behandlungserfolg. In der Literatur fehlen bisher sorgfältig recherchierte und über viele Jahre belegte Krankheitsverläufe mit dem beschriebenen Strukturwandel der Erkrankung. Die Frage, womit ein solcher Übergang zusammenhängen könnte, kann derzeit nicht beantwortet werden. Diskutiert wird die Wirkung von Neuroleptika, hier vor allem deren depressiogene Potenz. Wenn man diese depressiogene Wirkung verantwortlich machen wollte, wäre nach dem Übergang in eine affektive Störung zunächst eine depressive Phase zu erwarten. Das Gegenteil ist bei unseren Patienten der Fall: alle unsere Patienten entwickelten nach einem durchschnittlichen Intervall von 10,4 Jahren zuerst eine Manie und dann im weiteren Verlauf eine Depression. Mit Hilfe eines psychodynamischen Erklärungsversuches könnte der Strukturwandel als ein Prozess verstanden werden, der dazu diente, der drohenden Ich-Destruktion und – Fragmentierung entgegenzuwirken und über Jahre zur Entwicklung eines höheren psychischen Strukturniveaus der Patienten geführt hat. Es bleibt in jedem Fall festzuhalten, dass weitere Studien auf dem Forschungsgebiet des Syndromwechsels wünschenswert wären, um dem Wesen des Wandels und auch der damit verbundenen klinisch relevanten therapeutischen Konsequenzen näherzukommen. N2 - Introduction: Right at the beginning of schizophrenic research many cases were noted that could not be classified. Also Kraepelin (1920) himself recognized the problem of symptoms and characteristics that did not fit in his dichotomic system of "Dementia praecox" and "manicdepressive disease" (1896). The following years these cases were called "intermediate psychotic area", "atypical psychosis" or "cases-in-between". The present term "schizoaffective psychosi" was introduced by Kasanin (1933). Objectives, Subjects, Methods: The aim of our study was to give a report about five male patients who were initially diagnosed as schizophrenic and after 10-15 years developed into manic-depressive psychosis. It is a careful description of the change in psychopathological symptoms during the long-term course of disease. The mean observation time was 46 years and the syndrome-shift could be documented after 10,4 years averagely. This reported change was not only an objective matter of fact, it had also been noted by the patients themselves. This could be verified during the free interviews made by a different investigator. Results: One similar case was reported by Mayer-Gross in 1932 in his study about mixed-psychosis. However, most of the studies published in the past point to a shift into the opposite direction, from bipolar disorders to schizophrenia. Until today we can observe acute exarcerbations in our five patients, which are always symptoms and characteristics of bipolar disorders and are no longer labelled as schizophrenic. Furthermore the patients do not show so-called residual symptoms which are a frequent sign at the end of a schizophrenic long-term course. It is obvious that our patients did not develop schizophrenic and affective symptoms simultaneously, therefore we cannot call it a schizoaffective disorder, but show a real diagnostic shift which is also demonstrated by the better outcome according to the outcome of bipolar disorders. Conclusion: It is an observation concerning a real and rare shift in five male patients from paranoid schizophrenia to bipolar disorder. There is no definite answer as to why some patients experience such a syndrome-shift in the long-run. The effect of neuroleptica has been discussed in this context. In first line, however, they were named to be responsible for a depressiogenic effect. However, after the shift all of our patients showed first a manic episode in contrast to the expected depressive episode. Taking a psychodynamical point of view the shift could be understood as a patients achievement of reaching a higher psychological level and the development of affective symptoms in this context would mean a protection from self-disintegration. Y1 - 2006 UR - http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/frontdoor/index/index/docId/7823 UR - https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hebis:30-53551 N1 - Diese Dissertation steht außerhalb der Universitätsbibliothek leider (aus urheberrechtlichen Gründen) nicht im Volltext zur Verfügung, die CD-ROM kann (auch über Fernleihe) bei der UB Frankfurt am Main ausgeliehen werden. ER -