TY - JOUR A1 - Stüssel, Claudia T1 - Angestellte und die Unwahrscheinlichkeit der Bundesrepublik T2 - Weimarer Beiträge : Zeitschrift für Literaturwissenschaft, Ästhetik und Kulturwissenschaften N2 - Daß die Gesellschaft der Bundesrepublik eine Angestelltengesellschaft und ihre Kultur auch eine Bürokultur ist, belegt noch Volker Reiches erst kürzlich eingesteller STRIZZ-Comic in der FAZ mit seiner Hauptfigur, einer Karikatur auf die topischen Manien und Hypertrophien des Büroalltags und seines Personals: "Bürokultur muss verteidigt werden! Gepflegter Leerlauf hat auch seinen stillen Glanz!" - so der Titelheld in der Episode vom 3. Mai 2007. Mit solchen Attributen der Bürokultur spielt der Comictext sowohl an auf Rilkes "Glanz aus Innen", der die Armut sei, wie auch auf Hesses Schmetterling, der dem lyrischen Ich als "stiller Glanz" vom Paradies bleibe. Und solche Poetisierung des Büroalltags entspricht dem Julian Schmidt entlehnten Postulat und Motto von Gustav Freytags 'Soll und Haben' (1855), daß "der Roman [...] das deutsche Volk dort suchen [soll], wo es in seiner Tüchtigkeit zu finden ist, nämlich bei seiner Arbeit"; im gleichen Atemzug aber widerspricht dies einer Festtäglichkeit der Poesie, wie sie etwa Theodor Storm im Gedicht Märchen beschworen hat: "Ein Sonntagskind ist immer der Poet". Was in der Literatur des bürgerlichen Realismus unter der Opposition von Alltag/Werktag und Festtag erscheint, ist in der westdeutschen Literatur der späten 1950er bis 1990er Jahre etwas anderes: Büroalltag ist hier erstens Allegorie der bundesrepublikanischen, voraussetzungsreichen und unwahrscheinlichen Normalität. Zweitens wird die Büroliteratur der Bundesrepublik lesbar als Reflexion über Rolle und Funktion des Intellektuellen in der bundesrepublikanischen Kultur, die als konformistische und normalistische und transzendenzlose in Erscheinung tritt. Die literarischen Mitschriften der westdeutschen Bürokratie sind, so die These dieses Beitrags, in viel stärkerem Maße von der Beobachtung und Reflexion dieser Trends motiviert als von den Bemühungen, die 'Arbeitswelt' zu literarisieren. KW - Angestellter KW - Weibliche Angestellte KW - Roman KW - Deutschland Y1 - 2019 UR - http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/frontdoor/index/index/docId/49438 UR - https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hebis:30:3-494389 UR - http://www.passagen.at/cms/index.php?id=269 SN - 0043-2199 SN - 2510-7291 VL - 57 IS - 3 SP - 434 EP - 453 PB - Passagen Verlag CY - Wien ER -