Der Begriff Mäzenatentum leitet sich von dem Namen des jungen Römer Gaius Cilnius Maecenas (ca. 70 v.Chr. bis 8. v.Chr.) ab, der als Freund und Berater von Kaiser Augustus schon zu Lebzeiten als Gönner der Künste galt. Es wird überliefert, daß er, ohne Gegenleistungen zu verlangen, junge Künstler finanziell unterstützte. So wurde er zum Vorbild für die nachfolgenden Kaiser.[75] Ob die Hilfe in der Antike tatsächlich uneigennützig war, läßt sich heute nicht mehr sicher überprüfen, ist jedoch zweifelhaft. Seither wird Mäzenatentum definiert als altruistische Kulturförderung, welche sich im Laufe der Jahrhunderte aufgrund gesellschaftlicher, politischer und sozialer Verhältnisse wandelte. Formen und Motivation des Mäzenatentums, wie z.B. finanzielle Unterstützung oder Auftragsvergabe, sind dem Wandel in der Staatenbildung und der Zivilisation unterworfen. |
Kunstsammlungen sind aus den fürstlichen Kunst- und Wunderkammern und den kirchlichen Schatzkammern hervorgegangen, wobei die Kunstwerke in den fürstlichen Sammlungen als Instrument der Herrscherlegitimation dienten.[76] Die italienischen Sammlungen waren Vorbild für diejenigen Privatsammlungen, die in Deutschland im Laufe des 16. bis 18. Jahrhunderts entstanden. Ursachen für das Sammeln waren neben dem beginnenden Reichtum und dem damit verbundenen Selbstdarstellungsdrang auch die bessere Erziehung und Bildung in den Wissenschaften und Künsten, sowie eine verbesserte Kommunikation zu Künstlern vor allem in Italien. Max J. Friedländer umschreibt die Beweggründe der neuen Sammler mit folgenden Worten: "Der Kunstbesitz ist so ziemlich die einzige anständige und von gutem Geschmack erlaubte Art, Reichtum zu präsentieren."[77] |
In Deutschland kam es im 17. Jahrhundert aufgrund politischer Konflikte und folglich finanzieller Krisen zu Auflösungen und Verkäufen vieler Sammlungen. Erst wieder in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts trat ein signifikanter Aufschwung, auch infolge neuer Reproduktions- und Verbesserung der Drucktechniken, ein.[78] |
Die Französische Revolution 1789 war schließlich ausschlaggebend für die vermehrte Sammelbereitschaft, da durch sie ohne großen Aufwand kirchliche und weltliche Kunstwerke zum Verkauf standen, weil auf der einen Seite der königliche Kunstbesitz von Seiten des Volkes zum Nationaleigentum erklärt wurde, anderseits die Säkularisierung begann.[79] |
Bis zum Ende des 18. bzw. Anfang des 19. Jahrhunderts bleibt das Mäzenatentum vor allem in den Händen des Adels, welcher mit der Entstehung der Nationalstaaten und der Bildung von Monarchien seine Macht vergrößert und diese nach außen durch pompöse Bauten, Parkanlagen, Denkmäler und natürlich auch Kunstsammlungen repräsentiert. Fürstliches Sammeln bzw. privates Mäzenatentum mit öffentlichem Charakter und staatliche Kulturförderung waren durchaus noch eins, denn der Staat war noch gleichbedeutend mit der Macht einer Fürstenfamilie bzw. einer Person. Deren Imponiergehabe setzt sich nun zum Ende des 18. Jahrhunderts das erstarkende Bürgertums entgegen. So ist das bürgerliche Mäzenatentum einerseits aus politischen Gründen als Konkurrenz zum Adel entstanden, andererseits ist auch das allmähliche Aufkommen einer Bildungsemanzipation dank der Aufklärung für die Entstehung von bürgerlichen Sammlungen verantwortlich. Die Geschichte der Entstehung von Sammlungen respektive Museen ist demnach eng verwoben mit der Geschichte des Mäzenatentums. |
Durch das allmähliche Wegfallen der Kunstförderung von Seiten der Fürsten fiel die Verantwortung nun den Städten und Gemeinden bzw. dem Staat zu. Bereits während der Aufklärung kam die Forderung auf, die Kunst in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen. So wurde der Staat in die Pflicht genommen, die Erziehung und Bildung des Volkes auch in Kunstfragen zu übernehmen.[80] Der Grundgedanke, die Kunstsammlungen der Allgemeinheit zugänglich zu machen, hatte zur Folge, vollständige Sammlungsüberblicke über die Jahrhunderte zu liefern. Dies führte zur Erstellung von Kopien und Abgüssen, so die Originale nicht verfügbar oder erschwinglich waren. Die Idee des öffentlichen Museums mit Bildungsgedanken im Gegensatz zum Fürstenmuseum, welches politische Ziele hatte, war geboren.[81] Dem Bürgertum gelang es durch eigene Sammeltätigkeit, also durch das Mäzenatentum, ihre kulturellen Ansprüche, in politische Forderungen und Mitbestimmung umzuwandeln. Es etablierte sich eine vom Bürgertum selbst getragene Bildungsarbeit.[82] Es stellt sich natürlich die Frage, ob diese Sammelaktivität seitens des Bürgertums nur als eine Art Liebe zur Kunst - ergo wahres Mäzenatentum - gesehen werden kann, wie dies die Kunstgeschichte gerne tut, oder ob sie nicht eine notwendige Konsequenz auf ihre wirtschaftlich erreichte Macht war, welche nun auch politische und gesellschaftliche Folgen hatte.[83] |
Dennoch ist die Sammelleidenschaft nicht automatisch mit Mäzenatentum gleichzusetzen, denn der Sammler ist an dem Objekt interessiert, nicht jedoch zwangsläufig an der Unterstützung der Künstler. Grund für die gesellschaftlichen Aufsteiger des 19. Jahrhunderts, sich mäzenatisch zu betätigen, war die Tatsache, daß Kunst als Statussymbol für wirtschaftliche Macht, Prestige und politischen Einfluß stand. So konnte Kunst eine Person 'nobilitieren', denn die Herkunft war nun nicht mehr ausschlaggebend.[84] |
Der Staat, zu dem aufgrund des politischen Wandels auch das Bürgertum zählte, löste Adel und Kirche in der staatlichen Kulturförderung ab. In der bestehenden Tradition von Kunst und Mäzenatentum entstanden seitens der Nationalstaaten Monumentalbauten und Denkmäler, deren Dekoration formal und inhaltlich ihre politische Macht symbolisieren sollte. So änderte sich zwar der Auftraggeber, nicht jedoch seine Motivation, die auch schon in früheren Jahrhunderten von einem pompösen Repräsentationsbedürfnis geprägt war. Privates Mäzenatentum wurde daneben fester Bestandteil der Gesellschaft. Da die Bürger mehr Verantwortung für die Gemeinschaft und den Staat übernahmen, versteht es sich, daß sie in die gesellschaftlichen Prozesse eingriffen, wenn Defizite seitens des Staates auftraten. Die Förderung war nicht mehr eigennützig, sondern diente dem Allgemeinwohl. "Mäzene handeln somit als richtungsweisende Anreger und Vermittler, die die staatlichen Aufgaben ergänzen, aber auch zu Änderungen der Politik anzustiften vermögen."[85] Dies war jedoch erst möglich, nachdem die Museen nicht mehr in der Hand der Könige lagen, sondern dem Staat - ergo auch dem Bürgertum - gehörten. "Der Aufschwung mäzenatischer Aktivitäten von seiten des Bürgertums stand also in engem Zusammenhang mit dem Prozeß der Emanzipation staatlicher Einrichtungen von der Person des Königs."[86] |
Der Begriff des Mäzenatentums trifft dabei nicht nur auf den Kunstbereich zu, vielmehr schließt er auch andere Bereiche wie die Wohltätigkeit, das aufkommende Stiftungswesen und alle Wissenschaften mit ein.[87] |
In der Kunstförderung setzte mit der Autonomie der Künstler und der daraus resultierenden sozialen Unsicherheit ein Wandel ein. Die Unabhängigkeit der Künstler hatte zur Folge, daß sich ihre Bedürfnisse änderten. Der Staat versuchte zwar die Künstler durch die Gründung und Fortführung der Kunstakademien und technischen Kunstanstalten, Stipendien und finanziellen Auszeichnungen, sowie durch die Unterhaltung der Museen als bildungspolitische Einrichtungen zu unterstützen. Dennoch reichten diese Maßnahmen nicht aus.[88] Die freie Marktentfaltung und der daraus erwachende Kunsthandel, im 19. Jahrhundert besonders in Frankreich und Amerika, reichten im sozialen Bereich nicht zur Existenzsicherung aus.[89] Von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an wurde das alte Verhältnis fürstlicher Auftraggeber - Künstler schrittweise abgelöst. Zum Teil übernahm der Staat nun kulturpolitische Verantwortung und an die Stelle, an der seine Aktivitäten nicht ausreichten, trat der private Mäzen. Eine Möglichkeit, die mehr und mehr in Mode kam, war die Übereignung einer privaten Kunstsammlung an den Staat, manchmal mit der Auflage, sie der Gemeinschaft zugänglich zu machen und sie als Bildungsmöglichkeit zu nutzen. So war das bürgerliche Mäzenatentum durch Patriotismus gekennzeichnet: der Bürger handelte im Sinne der Allgemeinheit. |
Dieser Stiftungsgedanke entstand nicht nur "als Abwendung des gegen die Aristokratie gerichteten Mäzenatentums, in denen die Selbststilisierung des Mäzens unterbunden werden soll"[90], sondern auch als Reaktion auf die Veränderungen im sozialen Bereich, ausgelöst durch die Industrialisierung. Die großen, reichen Unternehmer sahen es als in ihren Verantwortungsbereich gehörend, für eine Verbesserung in den Bereichen Bildung, Gesundheitswesen und Wissenschaft zu sorgen. Nicht nur aus Pflichtgefühl, sondern auch aus Prestigegründen unterstützten sie sowohl Museen und Bildungseinrichtungen wie Bibliotheken als auch die kirchliche Krankenhilfe. |
Mäzenatisches Handeln blieb im deutschen Kaiserreich wie gesagt nicht auf die bildende Kunst beschränkt, denn |
"die großen Mäzene haben bedeutende Teile ihres Vermögens sozialen, karitativen, pädagogischen, wissenschaftlichen und religiösen Einrichtung übereignet. Zentraler Beweggrund für ein Mäzenatentum war offenkundig nicht nur die Förderung der Kunst, sondern aller Lebensbereiche, in denen Not und Mangel erkennbar war".[91] |
Vor diesem Hintergrund ist auch Victorias Beitrag für eine Verbesserung der Bildung vor allem für die Frauen und ihr Einsatz für das Kunstgewerbe während ihrer Berliner Jahre zu verstehen. Auch als Witwe setzte sie dieses Engagement weiter fort. |