4.3. Mäzenatentum im Bereich der Bildenden Kunst

"Die englische Prinzessin hat sich wirklich um die Förderung der Kultur in Deutschland verdient gemacht - von der Körperhygiene bis zum Museumsbau."[106]
Mäzenatentum tritt dort auf, wo Defizite in der Gesellschaft in Erscheinung treten und der Staat diese nicht beseitigen kann.[107] Der Mäzen setzt sich für unterschiedliche Dinge mit Geldmitteln oder anderen Schenkungen für die Gesellschaft ein. Dazu gehört natürlich auch eine große Portion von Leidenschaft für das jeweilige Gebiet, sei es im Kunst- oder Bildungsbereich. Victoria gehörte zu dieser Art Mensch, die sich unermüdlich für das Wohl und die Bildung der Bevölkerung engagierte und keine Mühen scheute.
"Ich gestehe, ich könnte nicht den Rest meines Lebens so leben, wie man hier in Berlin lebt, im geschäftigen Müßiggang ohne Ruhe, ohne Arbeit nichts Vernünftiges tun und am Ende des Tages müde und erschöpft zu sein."[108]
Dies sagte die preußische Kronprinzessin, die zusammen mit ihrem Mann acht Kinder hatte, sich vorbildlich um diese kümmerte und ihr Familienleben pflegte, daneben ihren repräsentativen Pflichten nachkam und sich trotz all dem unermüdlich für die Kunst und Frauenbildung aktiv und in herausragender Weise einsetzte. Bereits als junges Mädchen von ihrem Vater gründlich mit den immensen Kunstschätzen Londons vertraut gemacht, setzte sie ihren Enthusiasmus in Berlin fort; "schon als junge Prinzessin entschlüpfte sie häufig aus dem Kronprinzenpalais über die Linden in die Museen."[109]
Unterstützt wurde sie in ihrem Engagement durch ihren Gatten Friedrich Wilhelm. Auch er befaßte sich rege mit den Wissenschaften und Künsten und erwarb im Laufe seiner nicht lange währenden Karriere große Verdienste auf diesem Gebiet. Seine Kenntnisse in dem Bereich der Kunst und Architektur hatte er während seines Studiums wie auch auf seinen Reisen nach London, Paris und St. Petersburg vertieft.[110]
Beider Aktivität auf den Gebieten von Kunst und Wissenschaften wurde von den Berliner Mäzenen der Museen, den archäologischen Fachleuten in den Museen sowie den zeitgenössischen Künstlern, führenden Frauen aus der Frauenbewegung und Wissenschaftlern vollste Anerkennung gezollt.[111]
"Mit dem Namen des Kronprinzenpaares verknüpft sich für alle Zeiten diese großartige Entwicklung, die Deutschland in einigen kurzen Jahrzehnten aus den Tiefen künstlerischer Verkommenheit und bureaukratischer Engherzigkeit zu einer maßgebenden Stellung im allgemeinen Wettbewerb der Nationen geführt hat."[112]
Die Ehe der beiden war gekennzeichnet durch Offenheit, Ehrlichkeit und gegenseitige Zuneigung. Nicht nur in politischen Fragen besprachen sie sich, vielmehr in allen Bereichen des Lebens. Oft waren sie einer Meinung, wobei ihr starker Einfluß auf ihn zuweilen von der Öffentlichkeit beklagt wurde, primär natürlich aus dem Grund, daß angenommen wurde, sie wolle ihre englischen Interessen in Preußen durchsetzen. Dennoch waren sich die beiden nicht immer in Kunstfragen einig.
"Der Kronprinz empfand wohl, daß ihm seine Frau an Kunstverständnis überlegen war, handelte aber durchaus nicht immer in ihrem Sinne [...] Sie hat oft wochenlang aus solchem Grunde geschmollt. Über Ankäufe aus England war die Kronprinzessin stets erbost; so versuchte sie den Ankauf der Sammlung Hamilton zu verhindern; und als die Sammlung Marlborough-Blendheim zum Verkauf stand, verpflichtete der Kronprinz sich Schöne gegenüber, davon seiner Frau nichts zu sagen."[113]
Diesbezüglich konnte sie sich wohl nicht gänzlich von England lösen und suchte dessen Interessen zu wahren. Dennoch glichen sich ihre Meinungen in den meisten Fällen. Wir können davon ausgehen, daß alle wesentlichen Maßnahmen von Friedrich nicht nur in Übereinstimmung mit seiner Frau und vice versa, sondern vielleicht sogar aufgrund ihres Einflusses stattgefunden haben. Daher werden auch seine fördernden Tätigkeiten - vor allem als Protektor der Königlichen Museen - im folgenden kurz dargelegt, da davon ausgegangen werden kann, daß vieles in Übereinstimmung des Paares beschlossen wurde.
Die Kunstpassion des Kronprinzenpaares deutete sich bereits in dem Gespött an der den für Kunst desinteressierten Kreisen Kaiser Wilhelms IV. an, welche sie mit "Herrschaft der Malermeister" betiteln, da so viele Künstler[114] am Hof ein und aus gingen. Selbst Maximilian Harden, der Victoria als Dilettantin auf allen künstlerischen Gebieten bezeichnete - "Sie hatte, als Dilettantin[115] in allerlei Künsten, den rechten Respekt vor der Kunst verloren, wollte Meister meistern [...]"- stellte andererseits aber anerkennend fest, "daß sie zum ersten Mal wieder Künstler an einen Hohenzollernhof heimisch werden ließ [...] ".[116] So empfingen sie im Neuen Palais in Potsdam im Oktober und November Donnerstag nachmittags einen Kreis von Künstlern, "um sich mit ihnen [...] über Kunst, Literatur, Archäologie - nur nicht über Politik - zu unterhalten."[117]
Jedoch stand der Hof nicht nur Künstlern, sondern auch Historikern, Naturwissenschaftlern und Medizinern weit offen - "mit Vorliebe verständlicherweise scharfzüngige Liberale und Oppositionelle wie Virchow, Helmholtz und Du Bois Reymond,[118] hauptsächlich aber ihr alter Lehrer Hofmann." Virchow teilte Vickys Interesse an der Entwicklung der Berliner Museumslandschaft und bemühte sich seit 1874 um die Durchsetzung ihrer Interessen und der ihres Mannes durch Reden im Abgeordnetenrat.
Besonders Franz Xaver Winterhalter stand in der Gunst der Kronprinzessin. Er galt bereits am englischen Hof als bester Porträtmaler und kam nun auch nach Berlin, um mehrere Porträts der beiden anzufertigen.[119] Bei dem Besuch 1873 auf der Weltausstellung in Wien versuchte Victoria - wie auf all ihren Reisen - mit den Künstlerkreisen in Kontakt zu treten, um einen guten Porträtisten für das Bildnis ihres Gatten zu finden. So berichtet Baron von Reischach, der letzte Hofmarschall der Kaiserin, von einer Englandreise 1888 zusammen mit derselben:
"Sie besuchte viele Ateliers, wohin ich sie zu begleiten hatte, es war interessant, ihrer klugen Unterhaltung mit den Künstlern zu folgen, taktvoll und zutreffend war ihre Beurteilung der ihr vorgestellten Bilder. [...] In den Galerien war sie ein glänzender Führer."[120]
Nachdem Winterhalter in der Zwischenzeit schwer erkrankt war, konnte der Österreicher Heinrich von Angeli am besten diese Lücke füllen.[121] "Sie bittet ihn, nach Berlin zu kommen, und beabsichtigt, da sie selbst auch Zeichentalent besitzt, bei ihm Stunden zu nehmen."[122] Er kam daraufhin nach Berlin bzw. Potsdam und wurde ihr Lehrer. Im Gegenzug gab sie ihm die Möglichkeit, in Ruhe malen zu können. "Er wird ihr Meister, ihr Kollege und sie seine Sponsorin."[123] Außerdem erhielt er viele Porträtaufträge ihrerseits, die zuvor Winterhalter ausgeführt hatte. Diese fielen nicht Anton von Werner zu, da wohl seine Einstellung zu dem Einzug von Frauen in das Kunststudium sowie zur Frauenbewegung im allgemeinen allzu konträr zu ihren progressiven Ansichten war. Dennoch war das Kronprinzenpaar gut mit von Werner befreundet und übernahm sogar die Patenschaft seines Kindes. Victoria schien im Unterschied zu ihrem Gatten nicht sehr von der Historienmalerei angetan gewesen zu sein. Fritz hingegen, der Anton von Werner, einen der Meister auf diesem Gebiet, als seinen Hofmaler sah, schätzte diese Richtung sehr, wohl aufgrund der von ihm gewonnenen Kriege.[124]
Mit seinen Erfahrungen an deutschen, österreichischen und russischen Höfen, erkor Victoria von Angeli für geeignet, auch am englischen Hof bei ihrer Mutter zu malen.[125] Königin Victoria wandte sich in Kunstfragen nach dem Tod ihres Mannes Albert oft an ihre kunstsinnige Tochter, die ihr gerne ratgebend zur Seite stand.[126]
Bahnbrechend ist diese Vergabe von Aufträgen an Maler jedoch im Hinblick auf ihr mäzenatisches Wirken nicht. Ihr Faible für die Porträtkunst und ihr Interesse an der Malerei im allgemeinen waren ihr bereits durch ihre Eltern in die Wiege gelegt worden, und für eine Fürstin an einem preußischen Hof war es nicht besonders außergewöhnlich, die Verwandtschaft porträtieren zu lassen. Dennoch gab sie auf diese Art Heinrich von Angeli die Möglichkeit, finanziell unabhängig seine Werke zu schaffen. Motivation war in diesem Fall nicht, ihre Hilfe dem Künstler angedeihen zu lassen, sondern der Wunsch nach Familienporträts. Insofern kann nicht von tatsächlichem Mäzenatentum gesprochen werden, denn das primäre Interesse galt nicht der Unterstützung des Künstlers.
Zuweilen wirkte Victoria als Mäzenin ohne ihr eigenes Zutun. So war sie mit der Malerin Hermione von Preuschen gut befreundet: "[...]Meine Freundschaft mit der Kronprinzessin wob mir eine Gloriole ums Haupt [...] Bald nahm sie mich zu sich ins eigene Atelier [...] Wie tief ihr Wissen, ihr Streben und ihre Begabung waren, das lernte ich in diesen Monaten voll erkennen."[127] Einmal schenkte sie von Preuschen ein Gemälde von eigener Hand, welches diese als Werbung für ihre Ausstellungen benutzte. "[...]ich hatte auch mein von der Kaiserin Friedrich gemaltes Porträt dabei."[128]
In diesem Fall war es zwar nicht ihre Absicht gewesen, Hermione von Preuschen zu unterstützen, jedoch verschenkte die selbst künstlerisch tätige Kronprinzessin von Kindesbeinen an ihre Werke bereits zu wohltätigen Zwecken. Nie beabsichtigte sie den Verkauf für ihr eigenes Wohl. So nutzte sie ihre eigene Malerei, um Wohltätigkeitsveranstaltungen zu unterstützen oder aber auch, um das Prestige der kunstschaffenden Frauen in der Gesellschaft zu verbessern.

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