"Es ist oft in verschiedenen Kreisen die Frage aufgeworfen worden, ob die Frauenbewegung in Deutschland eine Förderung durch die Kaiserin Friedrich als Herrscherin erfahren haben würde. Nach mancher Richtung hin jedenfalls."[289] |
Die Kronprinzessin engagierte sich für viele verschiedene Vereine, deren Grundtenor stets die Verbesserung der Bildung und der Erwerbstätigkeit der Frauen war.[290] |
Eine Institution darunter war das Victoria-Lyceum, welches 1868 von der in Deutschland lebenden Engländerin Miss Georgina Archer gegründet worden war. Diese war unter anderem die Lehrerin der Kinder des Kronprinzenpaares. Victoria war daher bestens über das Projekt unterrichtet und wurde dessen Namensgeberin. Archer äußerte sich 1872 diesbezüglich in einer Rede: "Dieser Name, welchen fast jede Frauenbestrebung an der Spitze trägt, ist gleichbedeutend geworden mit Fortschritt im Verein mit edler Freiheit und strenger Pflichterfüllung. Dank dieses Namens sind die Frauenbestrebungen aus einer gewissen Verborgenheit getreten und durch denselben vor Geringschätzung geschützt."[291] |
Dank der Kronprinzessin konnte Professor August Wilhelm von Hofmann als Dozent für die Schule[292] gewonnen werden. Das Ziel war, den Frauen nach Beendigung der höheren Töchterschule eine wissenschaftlich fundierte Allgemeinbildung zu vermitteln. "Und in diesem Sinne, nicht als Seminar, sondern als Hochschule gleich der Universität tritt das Lyceum ein, um das Wissen auszubreiten[...]"[293] |
Später, im Jahre 1888, unterstützte sogar die preußische Regierung "die Eröffnung von Fortbildungskursen für geprüfte Lehrerinnen am Victoria-Lyceum"[294] für die Ausbildung von Lehrerinnen, deren Protektorat wiederum von der Kronprinzessin übernommen worden war. Grund hierfür war die sich in der bürgerlichen Gesellschaft ausbreitende Kritik an den höheren Töchterschulen, welche in der "Gelben Broschüre" zum Ausdruck gebracht worden war. Der Unwille der Regierung, an dem Status quo etwas zu verändern, verärgerte die Gesellschaft ebenso. Jedoch gelang es der Regierung ohne große Schwierigkeiten durch die Duldung der Weiterbildungssituation, den Unwillen der Bevölkerung zu besänftigen.[295] Denn die höheren Töchterschulen boten keine adäquate Ausbildung, "sie waren nur Abrichtungsstätten, in denen so schnell als möglich eine oberflächliche Salonbildung gegeben wurde."[296] Andererseits wurde Kritik an dem Victoria-Lyceum von Seiten der Frauenbewegung laut, denn sie griff nicht an der Wurzel des Übels an. |
"Das Victoria-Lyceum ist [...] ein sehr gutes Institut, aber es ist in gewissem Sinne ein Luxusinstitut. Was uns fehlt, ist jedoch nicht die Turmspitze, sondern ein ordentliches Fundament. Wir brauchen Schulen, Realschulen für Frauen wie für die Männer."[297] |
Neben der allgemeinen Verbesserung der Bildungssituation von Frauen stand die Herausbildung von Berufen im Mittelpunkt der Frauenbewegung. Es entstanden unzählige Vereine, die sich der Berufstätigkeit von Frauen annahmen und deren Protektorat die sozial engagierte Kronprinzessin antrat. An erster Stelle standen zunächst karitative Tätigkeiten auf dem Gebiet der Krankenpflege. Daneben war einer der Schwerpunkte der Lehrberuf, für welchen außerdem das Pestalozzi-Fröbel-Haus im Laufe der Zeit eintrat. |