"Ich will dort alle Erinnerungen an ihn und das ganze Haus seinem geliebten Andenken weihen!"[328] |
Nachdem das Grundstück 1888 erworben wurde, begannen im Jahr darauf die Arbeiten an dem Neubau, der 1893 abgeschlossen worden war. Der Bau wurde im Angedenken an ihrem Mann Friedrichshof genannt. Es entstand ein Schloß im Stil des Historismus mit Elementen der deutschen wie der italienischen Renaissance, gepaart mit heimischem Fachwerk und englischer Tudorgotik. Victorias Architekt war Ernst Eberhard von Ihne,[329] der sich auf vielen Reisen unter ihrer Protektion ein umfangreiches Wissen in der modernen englischen Architektur angeeignet hatte. Jedoch entwarf größtenteils sie selber die Details der Architekturpläne: "[...] so war es doch das Gepräge ihres, die Kunst auf allen Gebieten beherrschenden Geistes, welchen sie dem Ganzen und allen Einzelheiten zu verleihen wußte."[330] Ihr Bibliothekar berichtet, daß sie zusammen mit ihrem Mann auf ihren Reisen, "bei Besuchen fremder Fürstenhöfe, bei Besichtigung öffentlicher Museen und privater Kunstsammlungen eine Fülle künstlerischer Ideen baulicher Art gesammelt hatte, welche dereinst einmal beim Neubau eines Palais Verwendung finden sollten."[331] Nun, "wo sie mit unermüdlichem Fleiß und Sachkenntnis den Bau des Schlosses und die Anlagen des Parks in Friedrichshof leitete [...]",[332] konnten ihr diese Erfahrungen nützlich werden, wobei ihr als künstlerischer Berater der Oberhofmarschall Graf Seckendorff hilfreich zur Seite stand. |
Sie baute Friedrichshof als Gedächnisstätte für ihren verstorbenen Gatten, was auch in der Inschrift 'Friderici Memoriae' über dem Vorbau des Haupteingangs deutlich wird. Die am Berliner Hof erlebten Frustrationen konnte sie hier nun hinter sich lassen, wenn auch nur für die Dauer von acht Jahren: "Ich habe meinen Hafen gefunden. Hoffnung und Glück lebet wohl. Ich habe nun genug von euch, spielt jetzt mit anderen."[333] Die Kaiserin legte beim Bau ihres Schlosses besonderen Wert auf seine Funktionalität. Es wurden nicht nur eine noch heute funktionierende Zentralheizung und eine Belüftungsanlage[334] eingebaut, sondern auch weitere technische Neuerungen, wie Kanalisation und fließendes Wasser zur Vorbeugung verschiedener Krankheiten.[335] Dank ihrer fundierten Kenntnisse auf den Gebieten der Wissenschaft und Technik, die sie während ihrer Studien in England erlangt hatte, erkannte sie die positive Auswirkung von verbesserten hygienischen Bedingungen auf die Gesundheit.[336] Auf diese Art wurde das Schloß zum Vorbild für ihre zahlreichen Gäste, die Victoria in den Sommermonaten willkommen hieß. |
6.1.1. Kunstsammlung |
"[...] sie hat eine wahre Leidenschaft für die Kunst und urteilt darüber wie eine erwachsene Person, und mit seltener Richtigkeit. Das hat sie von ihrem Vater geerbt."[337] |
Während ihrer Berliner Zeit war der Inhalt der Sammlungen noch nicht überall bekannt, obwohl die Ausstellung, welche Wilhelm von Bode zur Silberhochzeit des Kronprinzenpaares[338] organisiert hatte, einen kleinen Einblick gewährte. Nachdem Friedrichshof fertiggestellt worden und sie dort eingezogen worden war, ging der Auftrag, ihre Kunstsammlungen zu katalogisieren, an Bode. Dieser erstellte die Publikation, wohl in der Hoffnung, einige der Objekte nach ihrem Tod für die Berliner Museen gewinnen zu können.[339] Allein das Interesse Bodes für die Sammlung zeigt deren Qualität, denn der Kunstkenner hätte sich nicht für unbedeutende Werke derart eingesetzt. |
Beim Eintreten in das Schloß Friedrichshof besticht zuerst der harmonische Eindruck seiner Innengestaltung trotz oder gerade wegen der Stilvielfalt. In allen Räumen fanden die umfangreiche Kunstschätze einen adäquaten Platz, als sei das Gebäude um die Kunstwerke herum gebaut worden.[340] |
Die Sammlung bestand größtenteils aus Kunstobjekten, die auch in den Kunstgewerbemuseen wie London, Wien oder Berlin zu sehen waren. Kern waren die Sammlungsstücke, die das Kronprinzenpaar von dem Berliner Sammler Tornow geerbt hatte, wobei es sich primär um Objekte der Kleinkunst und des Kunstgewerbes handelte.[341] "Und welche Fülle von Kunstschätzen fesselte das Auge des Besuchers im Saal der Sammlungen."[342] |
Der Kammergerichtsassessor Ferdinand Robert-Tornow (1812 - 1875) kümmerte sich nach dem Tod seines Vaters primär um dessen Kunstsammlung, welche zusammen mit jener des Grafen Wilhelm Pourtalès zu der wertvollsten in Berlin zählte.[343] |
Der Direktor des Kunstgewerbemuseums Lessing war bemüht, diese Sammlung für sein Museum zu gewinnen und versuchte, den Junggesellen Tornow zu der Erbschaft zu überreden. Bode schreibt in seiner Biographie, daß dieser jedoch nicht die Absicht hatte, da er "über Lessings 'Wut im Sammeln von Plunder'" entrüstet war.[344] |
Nachdem Victoria die Sammlung kennengelernt hatte und mit Tornow scheinbar persönlich besser auskam als Lessing -zumindest nach Ansicht Bodes -, hinterließ jener ihr nach seinem Tod 1875 seine Kunstwerke.[345] Vielleicht wollte Tornow nur sicher gehen, daß seine Sammlung nicht auseinandergerissen würde und hinterließ sie daher nicht dem Museum. Nichtsdestotrotz katalogisierte Lessing die Sammlung. Sicher auch mit der Hoffnung, sie nach Victorias Tod dennoch für das Kunstgewerbemuseum gewinnen zu können. Danach fand sie im Kronprinzenpalais Aufstellung und nach des Kaisers Tod in Friedrichshof. |
Die Kunstsammlung des Kronprinzenpaares umfaßte alle Bereiche der bildenden Kunst, vom Kunstgewerbe über Skulpturen bis zu Gemälden aus sämtlichen Jahrhunderten, welche das Paar auf seinen häufigen Reisen erworben hatte oder welche ihnen als Geschenk, so zu ihrer Silberhochzeit 1883, überreicht worden waren. |
Die Sammlung weist einen sehr persönlichen Charakter auf, wobei auffallend ist, daß sie nicht systematisch aufgebaut, sondern nach Geschmack ausgewählt wurde.[346] Bei der Aufstellung in Friedrichshof[347] fiel auf, daß die Objekte als Dekoration der Räume dienen. Für die Witwe war ein harmonischer, stimmiger Gesamteindruck wichtiger als die Komplettierung eines expliziten Sammlungsziels. Das bedeutet jedoch nicht, daß die Werke qualitativ minderwertig waren; Ganz im Gegenteil. Oftmals wählte das Paar einzigartige Stücke aus. Dabei ließen sie sich des öfteren von erfahrenen Sammlern beraten, wie z.B. dem Engländer Sir Richard Wallace, Urheber der Londoner Wallace Collection. Aufgrund der vielen familiär bedingten Englandreisen ist es nur zu verständlich, daß oftmals englische Maler Einzug in die Sammlung fanden. Vermutlich ist es dem Einfluß Victorias zu verdanken, daß Werke englischer Künstler wie Gainsborough oder Reynolds in die Berliner Nationalgalerie gelangten.[348] Ihre Vorliebe galt neben der Landschafts- vor allem der Porträtmalerei. Sie besaß zahlreiche Bildnisse ihrer Kinder und Verwandten, teils aus eigener Hand.[349] |
Besondere Aufmerksamkeit widmete sie der Aufstellung ihrer Kunstschätze, welche nicht nur als Schauobjekte in Vitrinen aufgebahrt wurden, sondern die architektonische Innengestaltung der Räume unterstreichen und dadurch den Gesamteindruck abrunden sollten. |
"Cronberg, 6.5. Nach aufgehobener Tafel gingen wir durch die weitgeöffneten Flügeltüren in die vorderen Säle, die mit künstlerischem Verständnis eingerichtet sind. Besondere [Aufmerksamkeit fand] der Museumssaal, in dem die Kunstsammlungen, z. T. in Glasschränken, Ausstellung gefunden haben."[350] |
Victoria stellte ihre Sammlung nicht nur bildungs- und wissenschaftsorientiert auf, sondern suchte auch die bis dato übliche Trennung der bildenden Künste aufzuheben, um dadurch einen harmonischen Gesamteindruck einer Epoche erstrahlen zu lassen.[351] Es entstand eine Einheit von Architektur und Kunstschätzen; Damals eine neue, recht fortschrittliche Sichtweise, wie man eine solche Sammlung präsentieren konnte, vor allem mit dem Schwerpunkt auf Kunstgewerbeobjekten. Noch hatte sich diese Sichtweise nicht an den Museen durchgesetzt. "'Da könnte mancher Museumsdirektor etwas lernen', äußerte einmal ein hervorragender Leiter eines großen ausländischen Museums."[352] Auch der Museumsmann Wilhelm von Bode war der Ansicht, diese neue Art der Präsentation sollte sich, nachdem sie bereits auf Ausstellungen mehr und mehr Zuspruch gefunden hatte, in den Museen in näherer Zukunft durchsetzen. |
"Kann aber einer nationalen Baukunst eine schönere und sympathischere Aufgabe werden, als die herrlichen Kunstwerke vergangener Zeiten richtig zur Geltung zu bringen? Sollen denn die Museen nur Speicher sein[...]? Könnte man nicht ein herrliches und harmonische Ganzes herstellen, zusammengestellt in schönen Räumen?[...] Hoffentlich bald in Museen."[353] |
In Friedrichshof hatte Victoria dies bereits Wirklichkeit werden lassen. |
Nach dem Tod der Kaiserin Friedrich 1901 ging Schloß Friedrichshof mit seinen Kunstschätzen an ihre Tochter Margarete, Prinzessin von Hessen, die mit Friedrich Karl von Hessen verheiratet war. Vicky hatte verfügt, daß ihr Witwensitz in ursprünglichem Zustand belassen werden sollte, mit Ausnahme einiger Kunstwerke, darunter flämische und italienische Gemälde und Skulpturen, welche dem Kaiser-Friedrich-Museum in Berlin vermacht wurden. Da die Unterhaltung des Schlosses mit seinem angrenzenden Park die Mittel der Erbin überstieg, mußten einige wertvolle Kunstobjekte verkauft werden. Kaiser Wilhelm II. ordnete an, daß die Königlichen Museen der Vorzug beim Erwerb gelassen werden sollte. Bode und Lessing setzten eine Liste der von ihnen gewünschten Objekten mit Preisen auf, jedoch schätzte letzterer den Wert zu gering ein, so daß einige Kunstschätze einem Frankfurter Händler zum Verkauf gegeben wurden. Der Großteil der Sammlung konnte hingegen bis zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges zusammengehalten werden. Während des Krieges und der folgenden Besetzung durch die Amerikaner bis 1953 ging jedoch ein Großteil der wertvollen Sammlung verloren.[354] |
"Schloß Friedrichshof - Gebäude wie Sammlung - ist ein bedeutendes Denkmal für Bemühungen, mit der eine adelige Frau die besten künstlerischen und geistigen Errungenschaften ihrer eigenen geliebten Heimat und des Vaterlands ihres Gatten zum Wohle ihres neuen Heimatlandes zu verschmelzen suchte[...]"[355] |
Während ihrer letzten acht Witwenjahre, die ihr in Kronberg blieben, machte sie aus dem Schloß einen Ort des Zusammentreffens für Künstler, Wissenschaftler, Freunde und Verwandte, die alle zu jeder Zeit herzlich willkommen waren, ähnlich dem Hofleben, welches sie am Berliner Hof seit ihrer Ankunft initiiert hatte. Neben ihrem sozialen Engagement für die Kronberger Bevölkerung und die Restaurierungsarbeiten der Burg wie der Johanniskirche kümmerte sie sich um den Aufbau einer Bibliothek. |
6.1.2. Bibliothek |
"Aus dem reichen Bestande, der in ihrem Besitz befindlichen Bücher, ließ die Kaiserin öfter eine Reihe entbehrlicher Werke auswählen, welche sie dann für verschiedene, unter ihrem hohen Protektorat stehenden Anstalten stiftete."[356] |
In Friedrichshof integrierte Victoria eine umfangreiche Bibliothek mit vor allem wissenschaftlichen und politischen Publikationen neben der kaum vertretenen Belletristik. Stets war sie bemüht, ihre Sammlung zu erweitern. Sie war einerseits Büchersammlerin, auf der anderen Seite zeugte es von ihrem wissenschaftlichen Interesse und ihrer Wißbegier, daß sie jedes Werk, daß sich in ihrer Bibliothek befand, zuvor gelesen hatte.[357] Des weiteren fanden alte Stammbücher sowie eine Sammlung von ungefähr dreihundert Mappen Photographien Aufnahme in die Bibliothek.[358] |
6.1.3. Kaiser-Friedrich-Park |
"Wie die Kaiserin ihr eigener Architekt war, so war sie auch ihr oberster Gartendirektor. Aber jeden Plan, jede Neuanlage formte die neue Schloßherrin erst noch nach ihren eigenen Gedanken und Wünschen um. Und welche Spezialkenntnis besaß die Kaiserin auf dem Gebiete der Gartenbaukunst!"[359] |
In Kronberg zeigte sich neben Victorias architektonischem Talent beim Bau ihres Witwensitzes auch ihre Gabe bei der Gestaltung der Parkanlage.[360] Da sie auch hier wie schon beim Schloßbau neueste Tendenzen umsetzen wollte, wurde der Hofgärtner Hermann Walter (1837 - 1898) nach England gesandt, um diese dort zu studieren. Dennoch macht sich bei der Ausformung ihre persönliche Note bemerkbar, vor allem in dem Rosengarten, welcher im italienischen Barockstil angelegt worden war.[361] |
Die Grundlagen hierzu hatte sie als Kind in England gelernt, wo sie nicht nur die theoretischen Kenntnisse von ihrem Vater gelernt, sondern auch einen eigenen Kräuter- und Gemüsegarten sowie Blumen unter der Anleitung ihrer Mutter und der Gärtner gepflanzt hatte. Ihr Interesse an der Gartengestaltung erlahmte nie und sie hatte im Laufe der Jahre ihr Wissen auf diesem Gebiet immer weiterentwickelt. Prinz Albert schrieb ihr dazu kurz nach ihrem Weggang aus England: |
"Wir haben aber eine Kunst, in welcher auch dieser dritte Bestandteil der Schöpfung - Kraft und Wachstum - geboten ist, und die mich darum in den letzten Jahren, obgleich schon von frühester Kindheit an, so außerordentlich angezogen hat: nämlich die Gartenkunst. Hier hat der Künstler, der das Werk anlegt und einer Gegend ein Gewand anlegt, die Freude, sein Werk stündlich leben und wachsen zu sehen, und kann während des Wachstums daran feilen und zuhauen, ausfüllen, hoffen und lieben".[362] |
Der durch Victoria angelegte Kaiser-Friedrich-Park, heute Stadtpark genannt, mit seiner Vielzahl seltener Bäume wurde eine besondere Sehenswürdigkeit der Stadt. In ihm wurde 1902 ein Denkmal für Friedrich III. aufgestellt, welches die Bürger 1896 beschlossen hatten. Heute noch darf dieses Gebiet nicht bebaut werden. |