Jahreszeitliche Struktur beobachteter Temperatur- und

Niederschlagtrends in Deutschland

 

Christian-D. Schönwiese

Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M.

Institut für Meteorologie und Geophysik

Frankfurt a. M., Deutschland

 

Abstract

In the context of the discussion of global or regional climate change, in addition to extreme events, long-term trends are of outstanding interest. However, because of the pronounced variability of climate in relation to time and space, special regional analyses are necessary. In consequence, such an analysis with focus on Germany and the climate elements surface air temperature such as precipitation is presented. In particular, the seasonal/monthly trend characteristics related to selected time intervals between 1891 and 2000 are considered. One of the most spectacular results is an intensifying warming and wetness in winter whereas the summer warming is accompagnied by a trend change from decreasing to increasing precipitation in recent decades.         

 

Zusammenfassung

Im Rahmen der Diskussion des globalen bzw. regionalen Klimawandels sind, neben Extremereignissen, Langfristtrends von besonderem Interesse. Doch erfordert die ausgeprägte Klimavariabilität in Zeit und Raum spezielle regionale Detailuntersuchungen. Daher wird hier eine solche Analyse für Deutschland und die Klimaelemente bodennahe Lufttemperatur sowie Niederschlag vorgestellt, mit besonderem Blick auf die jahreszeitlichen/monatlichen Besonderheiten der Trends in ausgewählten Zeitintervallen zwischen 1891 und 2000. Am auffälligsten ist dabei die sich verstärkende winterliche Temperatur- und Niederschlagszunahme, während im Sommer, unter ebenfalls Erwärmung, eine Trendwende von abnehmendem zu in den letzten Dekaden zunehmendem Niederschlag eingetreten ist.  

 

 

1. Klimatologischer Hintergrund

 

Das globale Klima ist offensichtlich zeitlich/räumlich variabel und sowohl die beobachteten bzw. rekonstruierten Strukturen dieser Variabilität als auch deren Ursachen sind Gegenstand intensiver wissenschaftlicher wie öffentlicher Diskussionen, insbesondere was mögliche anthropogene Einflüsse im Rahmen der Umweltproblematik betrifft (Houghton et al., 2001; Hupfer, 1991, 1996; Lozán et al., 1998, 2001; Schönwiese, 1995). Die räumliche Variabilität bewirkt, dass das globale Klima regional sehr differenziert in Erscheinung tritt, und zwar nicht nur was den gegenwärtigen Klimazustand betrifft (wie er auch immer definiert sein mag), sondern auch hinsichtlich der verschiedenen Komponenten der zeitlichen Variabilität wie Trends, Varianz und Extremwertverhalten. Leider sind der Aussagekraft der Klimamodellierung, gerade bei der Simulation relativ kleinräumiger regionaler Strukturen, aber auch generell-quantitativ wegen der nicht vollständig verstandenen Rückkopplungen im Klimasystem, deutliche Grenzen gesetzt, wobei hier vorwiegend die globalen gekoppelten Zirkulationsmodelle (GCM) von Atmosphäre und Ozean gemeint sind (Houghton et al., 2001). 

Deshalb, und da die Problematik der Klimaänderungen, insbesondere der anthropogenen, nicht nur auf ihnen selbst, sondern vor allem auf deren Auswirkungen beruht, und da gerade bei diesen Auswirkungen die regionalen Besonderheiten von ausschlaggebender Bedeutung sind, ist es wichtig, auch klimadiagnostische Betrachtungen der Klimavariabilität auf der Grundlage der Beobachtungsdaten durchzuführen. Dies gilt sowohl global in möglichst weitgehender regionaler Differenzierung als auch für Detailanalysen hinsichtlich ausgewählter Regionen. Es liegt nahe, unter anderem auch aus Gründen der Datenverfügbarkeit, dies für Europa bzw. Deutschland zu tun. In Fortführung bzw. Ergänzung zu früheren derartigen Arbeiten  (Rapp und Schönwiese, 1996; Schönwiese und Rapp, 1997; Rapp, 2000; Schönwiese, 2002) wird im folgenden eine neoklimatologische (d.h. auf direkt gewonnenen Beobachtungsdaten beruhende) Trendanalyse der bodennahen Lufttemperatur und des Niederschlags für Deutschland vorgestellt. Der Fokus liegt hier allerdings weniger auf den selbst innerhalb Deutschlands erheblich ausgeprägten (sub)regionalen Besonderheiten (vgl. dazu o.a. Literatur), sondern auf den jahreszeitlichen Strukturen.                        

 

 

2. Methodische Aspekte und Motivation

 

Zeitreihen von Klimaelementen weisen im allgemeinen eine Überlagerung unterschiedlicher Strukturen auf (Erhard et al., 1992; Schönwiese, 2000), nämlich linearer oder nicht-linearer Trend (falls nicht entdeckbar, Mittelwert), Jahresgang (saisonale Komponente), weiteren mehr oder weniger zyklischen Variationskomponenten, ggf. eine sog. glatte Komponente (in der üblichen spektralen Varianzanalyse nicht mehr auflösbarer tieffrequenter Variationsanteil, auch episodische oder polynomiale Komponente genannt) und unregelmäßigen Variationen, die auch das Eintreten damit verbundener extremer Werte beinhalten (konventionell als relativ kurzfristige und relativ starke Abweichungen vom Mittelwert bzw. Trend definiert; alternative Definition siehe Grieser et al., 2000, 2002).

 

Obwohl es sinnvoll ist, beispielsweise das Extremwertverhalten vom Trendverhalten zu trennen, da rein rechnerisch Trends auch allein auf zufällig in der Nähe des Reihenanfangs bzw. -endes auftretende Extremwerte (möglicherweise sogar Messfehler) zurückgehen können, sollen hier die „tatsächlichen“ Trends ohne vorangehende Zeitreihenzerlegung betrachtet werden. Sie können somit unterschiedliche strukturelle (nicht zu verwechseln mit den physikalischen) Ursachen haben.        

 

Trendanalyen sollten darüber hinaus der Frage nachgehen, ob die gefundenen Trends linear sind oder nicht. Bei einer entsprechenden Analyse von 41 europäischen monatlichen Temperaturreihen, die Trends bis zur 5. Ordnung zuließ, stellten sich unter 35 gefundenen signifikanten (Niveau 95 %) Trends 29 als linear und 6 als nicht-linear heraus, von letzteren die Mehrzahl positiv progressiv (Grieser et al., 2000). Dies deckt sich qualitativ mit vielen anderen derartigen Untersuchungen und lässt den Schluss zu, dass bei der Temperatur und nicht zu kurzen (d.h. mindestens mehrere Jahrzehnte) bzw. nicht zu langen (d.h. nicht wesentlich über 100 Jahre hinausgehenden) Zeitintervallen ein lineares Trendverhalten weitaus am häufigsten ist, was die Vergleichbarkeit der Trendwerte von Datenreihe zu Datenreihe sehr erleichtert.

 

Weniger gerechtfertigt ist dieser Schluss i.a. bei Niederschlagsreihen. So zeigte die gleiche oben genannte Untersuchung bei 81 deutschen Niederschlagsreihen nur etwa in der Hälfte der Fälle ein lineares, ansonsten überwiegend ein progressives Trendverhalten. Da zudem Trends im allgemeinen zeitlich nicht stabil sind, worauf noch näher einzugehen ist, lassen sich progressive Trends häufig auf eine Verstärkung linearer Trends zurückführen, wenn sukzessiv unterschiedliche Subzeitintervalle der Analyse zugrundegelegt werden. Dieses Vorgehen, wie es im folgenden angewandt wird, beinhaltet den Vorteil, dass die Vergleichsmöglichkeiten erhalten bleiben.

 

Die Signifikanzprüfung von Trends zielt auf die Frage ab, wie deutlich sie sich von der überlagerten zusätzlichen Variabilität unterscheiden, mit dem Problem, dass auch statistisch nicht-signifikante Trends real und insbesondere wirkungsvoll sein können. Trotzdem sollte auf Signifikanzprüfungen nicht verzichtet werden. Am einfachsten ist dabei die Errechnung des Trend-/Rauschverhältnisses T/R, wobei T der Trendwert und R meist durch die Standardabweichung der Ausgangsdaten repräsentiert ist. Im Fall einer Normalverteilung gilt dann näherungsweise für T/R > 1 ein Signifikanzniveau von Si = 70 % (Irrtumswahrscheinlichkeit a = 0,3) und für T/R > 2 ® Si = 95 % (a = 0.05). Etwas aufwendiger ist der parameterfreie (keine Normalverteilung voraussetzende) Mann-Kendall-Trendtest (Schönwiese, 2000; Schönwiese und Rapp, 1997).

 

 

3.    Ergebnisse

3.1 Temperaturtrends

 

Zunächst soll ein Blick auf die Schätzwerte der bodennahen Lufttemperatur für das Flächenmittel Deutschland, kurz die Deutschland-Temperatur, geworfen werden, die in ihren Jahresanomalien (Referenzzeitintervall 1961-1990; der Anomaliewert 0 entspricht 8,3 °C) nach Rapp (2000) in Abb. 1 dargestellt ist. Dabei stützen sich die Werte ab 1761 auf lediglich 4, ab 1891 auf 31 und ab 1951 auf 75 Stationen ab. Wesentlich mehr Stützstellen weisen die entsprechenden sog. Rasterdaten des Deutschen Wetterdienstes auf (Müller-Westermeier, 2002), die jedoch erst ab 1901 vorliegen. Da ab dieser Zeit die Unterschiede sehr gering sind, ist die in Abb. 1 dargestellte Reihe nur für 1997-2001 durch diese Rasterdaten ergänzt.

 

Ausser den in Säulenform dargestellten Jahresanomalien sind in Abb. 1 noch eine 20-jährige Glättung (Gauß’scher Tiefpaßfilter, Methodik s. Schönwiese, 2000), die obere und untere Grenze der doppelten Standardabweichung (2s) sowie die linearen Trends 1761-1890 und 1891-2000 eingezeichnet. Diese Trends betragen - 0.2 °C (T/R << 1) bzw. + 0.9 °C (T/R = 1.3, entsprechend Si = 70%), wobei die säkulare Erwärmung noch etwas höher als die der entsprechenden global gemittelten Daten ist  (dort + 0,7 °C, T/R = 2.7, entsprechend 99 % Signifikanz; vgl. Schönwiese, 2002; Houghton et al., 2001). Die wesentlich höhere Signifikanz des Globaltrends erklärt sich aus der Tatsache, dass räumliche Mittelung die Varianz (und somit das „Rauschen“) verringert, folglich T/R erhöht. Trotzdem ist der säkulare Temperaturanstieg sicherlich auch in Deutschland real, wie beispielsweise die markante Rückzugsreaktion der Alpengletscher zeigt (Häberli et al., 2001; Escher-Vetter, 2002).

 

Abb 1: Jahresanomalien (Säulen) der bodennahen Lufttemperatur 1761-2001, Flächenmittel Deutschland, Daten nach Rapp (2000), 1997-2001 ergänzt nach Müller-Westermeier (2002), mit 20-jähriger Glättung (dicke Kurve) und linearen Trends 1761-1890 bzw. 1891-2000 (gestrichelte Linien); ausserdem sind die obere und untere Grenze der doppelten Standardabweichung (2 s) eingezeichnet (gepunktete horizontale  Linien) sowie einige relativ warme bzw. kalte Jahre angegeben (mit dem bisherigen Wärmerekord im Jahr 2000).

 

Es soll nun aber der Frage nachgegangen werden, inwieweit die einzelnen Jahreszeiten zur säkularen Erwärmung in Deutschland beigetragen haben und ob es dabei Hinweise auf Trendabschwächungen oder -verstärkungen in den letzten Jahrzehnten gibt. Zu diesem Zweck wurden für die Vergleichszeitintervalle 1891-1990 (säkular), 1961-1990 (letzte CLINO-Periode, CLINO = climate normals) und 1981-2000 (nach Abb. 1 und auch global ungefähr Zeit der stärksten Erwärmung) für alle Monate des Jahres die linearen Trends und Trend-/Rauschverhältnisse (T/R) berechnet. Die Ergebnisse sind in    Tab. 1 zusammengestellt, einschließlich der Trends für die meteorologischen Jahreszeiten (Frühling = März, April und Mai; Sommer = Juni, Juli und August; usw.) und das Jahresmittel.

 

Dabei zeigt sich zunächst, daß die Trends sowohl monatlich als auch zeitlich (d.h. hinsichtlich der Referenzzeitintervalle) sehr unterschiedlich sind, auch wenn die Erwärmungstrends deutlich überwiegen (1891-1990 gar kein Abkühlungstrend, 1961-1990 im April, Juni und September Abkühlungstrends, 1981-2000 im Juli und November sowie, vernachlässigbar klein, im Herbst). Die Signifikanzen (Si) sind, wie bei einer relativ kleinräumigen Untersuchung nicht anders zu erwarten, sehr mager: Nur in wenigen Fällen wird das Niveau 70 % (T/R > 1) überschritten, das Niveau 95 % (T/R > 2) gar nicht. Andererseits sind aber deutliche Trendverstärkungen erkennbar, so bei den Jahresdaten (jeweils pro Dekade von 0.07 °C, 1891-1990, über 0.23 °C, 1961-1990, auf 0.53 °C, 1981-2000), Frühlingsdaten (von 0.05 über 0.18 auf 0.6 °C pro Dekade) und insbesondere Winterdaten (von 0.07 über 0.53 auf 1.08 °C pro Dekade), die den  stärksten Beitrag zur Erwärmung liefern. Da im Winter auch die Varianz relativ hoch ist, bleiben jedoch auch in diesen Fällen die Si-Werte unter 95 %.

 

Tabelle 1: Trends der bodennahen Lufttemperatur (in °C), Flächenmittel Deutschland, für die angegebenen Zeitintervalle, Monate, Jahreszeiten und das Jahresmittel (auf der Datengrundlage nach Rapp, 2000, ab 1997 ergänzt nach Müller-Westermeier, 2002; vgl. auch Schönwiese, 2002). Auf dem Niveau 70 % signifikante Trends sind durch Kursivschrift gekennzeichnet.

 

Monat bzw. Jahreszeit

1891-1990

1961-1990

1981-2000

Januar

  0,78 °C

  1,53 °C

  1,85 °C

Februar

  0,21 °C

  0,04 °C

  4,59 °C

März

  0.52 °C

  1,54 °C

  0,91 °C

April

  0,37 °C

- 1,09 °C

  1,50 °C

Mai

  0,49 °C

  1,18 °C

  1,15 °C

Juni

  0,29 °C

- 0,94 °C

  1,14 °C

Juli

  0,42 °C

  0,57 °C

- 0,37 °C

August

  0,94 °C

  1,10 °C

  1,13 °C

September

  0,99 °C

- 0,34°C

  0,04 °C

Oktober

  1,45 °C

  0,90 °C

  0,04 °C

November

  1,18 °C

  0,20 °C

- 0,34 °C

Dezember

  0,88 °C

  3,27 °C

  0,34 °C

Frühling

  0,46 °C

  0,54°C

  1,19 °C

Sommer

  0,55 °C

  0,24 °C

  0,63 °C

Herbst

  1,20 °C

  0,25 °C

- 0,08 °C

Winter

  0,68 °C

  1,60 °C

  2,15 °C

Jahr (insgesamt)

  0,72 °C

  0,68 °C

  1,06 °C

 

Da es zudem (sub)regionale (d.h. innerhalb Deutschlands) Strukturen der Temperaturtrends gibt, die hier nicht betrachtet werden - erwähnt sei aber beispielsweise, dass 1966-1995 die stärkste winterliche Erwärmung mit über 2.2 °C im Nordosten von Deutschland zu verzeichnen ist, die geringste mit unter 1 °C in Teilen Westdeutschlands (Rapp, 2000; vgl. auch Rapp und Schönwiese, 1996) - ist festzuhalten, dass eine detaillierte Trendanalyse der Beobachtungsdaten ein recht kompliziertes Bild ergibt, mit ausgeprägten Strukturen, denen man mit der Pauschalaussage „Erwärmung“ keinesfalls gerecht wird.

 

 

3.2 Niederschlagtrends

 

Wie im Fall der Temperatur soll auch die Niederschlagsbetrachtung mit einer Zeitreihe des Flächenmittels Deutschland beginnen, vgl. Abb. 2, wo die Monatssummen 1971-2002 (endend mit August 2002) dargestellt sind; Datenquelle sind hier allein die Rasterdaten des Deutschen Wetterdienstes, siehe Müller-Westermeier (2002), wo auch die Jahres- und Jahreszeitenwerte des insgesamt verfügbaren Datenmaterials (ab 1901) in graphischer Form zu finden sind. Die ausgeprägte Monat-zu-Monat-Variabilität ist deutlich zu erkennen, so dass sich das Auffinden von systematischen/signifikanten Trends bei diesem Klimaelement erwartungsgemäß noch wesentlich schwieriger gestaltet als bei der Temperatur. Auf extreme Niederschlagsmonate soll im folgenden nicht eingegangen werden, obwohl beispielsweise die relativ hohen Werte 12/93 (Dezember 1993) und 1/95 (Januar 1995) mit katastrophalen Winterhochwässern im Rhein-Einzugsgebiet, 8/2002 (letzte Säule der Graphik Abb. 2) mit einem noch katastrophaleren Sommerhochwasser im Elbe-Einzugsgebiet verbunden waren. Da die entsprechenden Starkniederschläge, insbesondere im Sommer, aber nicht flächendeckend in Deutschland aufgetreten sind, fallen sie bei dieser Art der Analyse weniger auf als bei regional/zeitlich höheraufgelösten Betrachtungen. (Der deutschlandweite Rekordmonat 1971-2002 war 10/98.)

 

Abb. 2: Monatsanomalien (Säulen) des Niederschlages Januar 1971 - August 2002, Flächenmittel Deutschland, Daten nach Deutscher Wetterdienst (Müller-Westermeier, 2002) bzw. Weltzentrum für Niederschlagsklimatologie, mit Mittelwert (ausgezogene Linie), sowie oberen und unteren Grenzen der einfachen (s) bzw. doppelten (2 s) Standardabweichung (gestrichelte Linien); zudem sind einige Monate (in der Form Monat/Jahr) mit relativ hohem Niederschlag angegeben (Säule ganz rechts: 8/2002).

 

Was nun die Trends betrifft, so sind sie sowohl für das in Abb. 2 gezeigte Zeitintervall, weiterhin für das CLINO-Intervall 1961-1990 (wie in Tab. 1, ansonsten etwas abweichend) sowie das gesamte Zeitintervall (1901-2000) berechnet worden, und zwar wiederum für alle Monate, Jahreszeiten und das Jahr insgesamt. Die Ergebnisse sind in   Tab. 2 zusammengefasst. Dabei zeigen sich wiederum ausgeprägte Strukturen, die sich wie bei der Temperatur in unterschiedlichen Trendwerten für die einzelnen Monate und Zeitintervalle äussern, und die statistischen Signifikanzen sind eher noch geringer: Lediglich das 70 % - Niveau (T/R > 1) wird in einigen Fällen überschritten, und zwar mit einer Ausnahme (August 1961-1990) nur in der Referenzperiode 1971-2000 (Niederschlagsanstiege in den Monaten Februar, März, September und dem Winter insgesamt). Allerdings sind die Beträge der Trends nicht unerheblich, wobei ähnlich wie bei der Temperatur vor allem der Winter hervortritt: Zunahme insgesamt (1901-2000) um rund 19%, Trendverstärkung in jüngerer Zeit auf einen Wert von rund 35 % bezüglich 1971-2000. Dies schlägt auch bei den Jahressummen durch, und zwar mit einer Zunahme insgesamt (1901-2000) um rund 9 % und bezüglich 1971-2000 um rund 15 %.

 

Tabelle 2: Trends der Niederschlagssummen (in mm und Prozent), Flächenmittel Deutschland, für die angegebenen Zeitintervalle, Monate, Jahreszeiten und die Jahressumme (auf der Datengrundlage Deutscher Wetterdienst, Müller-Westermeier 2002). Auf dem Niveau 70 % signifikante Werte sind durch Kursivschrift gekennzeichnet.

 

Monat/Jahreszeit

1901-2000

1961-1990

1971-2000

Januar

+ 6.2 mm (10.5 %)

+ 20.3 mm (33.3 %)

4.2 mm (6.8 %)

Februar

+ 8.7 mm (17.6 %)

+ 6.0 mm (12.1 %)

31.0 mm (64.4 %)

März

+ 16.0 mm (31.4 %)

+ 16.4 mm (29.0 %)

28.2 mm (47.9 %)

April

- 1.2 mm (2.2 %)

- 10.7 mm (18.4 %)

- 0.2 mm (0.4 %)

Mai

+ 7.5 mm (11.5 %)

- 18.2 mm (25.5 %)

- 5.0 mm (7.5 %)

Juni

+ 13.8 mm (17.5 %)

+ 4.1 mm (4.8 %)

- 11.8 mm (14.2 %)

Juli

- 8.3 mm (9.7 %)

- 3.5 mm (4.5 %)

+ 21.5 mm (26.7 %)

August

- 12.2 mm (15.3 %)

- 22.3 mm (28.8 %)

+ 0.6 mm (0.9 %)

September

+ 2.7 mm (4.2 %)

+ 14.7 mm (24.1 %)

+ 22.4 mm (34.9 %)

Oktober

+ 2.5 mm (4.2 %)

+ 14.4 mm (25.8 %)

+ 17.2 mm (28.0 %)

November

+ 11.6 mm (18.9 %)

- 2.4 mm (0.4 %)

- 12.6 mm (19.1 %)

Dezember

+ 18.4 mm (28.5 %)

+ 14.3 mm (20.3 %)

+ 19.3 mm (26.5 %)

Frühling

+ 22.4 mm (13.0 %)

- 12.6 mm (6.8 %)

+ 23.0 mm (12.9 %)

Sommer

- 6.7 mm (2.7 %)

- 21.7 mm (9.1 %)

+ 10.3 mm (4.4 %)

Herbst

+ 16.7 mm (9.1 %)

+ 26.7 mm (14.5 %)

+ 26.9 mm (14.1 %)

Winter

+ 33.1 mm (19.1 %)

+ 39.2 mm (21.9 %)

+ 64.4 mm (35.2 %)

Jahr (insgesamt)

+ 65.7 mm (8.5 %)

+ 33.1 mm (4.2 %)

+ 114.8 mm (14.6 %)

 

 

Im Sommer ist insgesamt eine geringe Abnahme um rund 3 % eingetreten, die innerhalb 1961-1990 mit rund 9 % noch etwas stärker ausfällt, jedoch 1971-2000 in eine Zunahme um rund 4 % übergegangen ist. Wie ein Blick auf die Monatswerte verrät, haben dazu vor allem die Monate Juli und August beigetragen, während der Juni jeweils das umgekehrte Trendverhalten zeigt. Der Frühling hat sich ab 1961 qualitativ ähnlich wie der Sommer verhalten (mit einem höheren Trendwert 1971-2000), der Herbst (mit generell geringeren Trendwerten, insbesondere 1971-2000) ähnlich dem Winter.              

 

 

4. Zusammenschau und Wertung

 

Temperatur und Niederschlag sind nicht unabhängig voneinander und reagieren gemeinsam auf die atmosphärische Zirkulation, die ihrerseits eine Folge der externen Antriebe und internen Wechselwirkungen im Klimasystem ist (Hupfer, 1991, 1996; Hupfer und Kuttler, 1998; Schönwiese, 2003). Allerdings sind die Temperatur-Niederschlag-Korrelationen jahreszeitlich unterschiedlich: Im Winter sind, beispielsweise bei zonal orientierten Großwetterlagen (hoher NAO-Index; NAO = Nordatlantik-Oszillation), Temperatur und Niederschlag relativ hoch, bei Hochdruckwetterlagen tief; es herrscht daher eine positive Korrelation vor. Im Sommer bringen dagegen Hochdruckwetterlagen hohe Temperaturen und geringen Niederschlag bzw.  Nordwestwetterlagen kühl-feuchte Witterung, so daß in dieser Jahreszeit eher negative Korrelationen dominieren. Allerdings können im Sommer hohe Temperaturen, wenn sie mit labiler Schichtung verknüpft sind, auch Starkniederschläge hervorrufen. Generell komplizierter sind die Zusammenhänge in den Übergangsjahreszeiten Frühling und Herbst.

 

Tabelle 3: Übersicht der Temperatur- und Niederschlagtrends in den einzelnen Jahreszeiten in Deutschland; Werte über 1 ° C bzw. 10 % sind durch Fettdruck hervorgehoben (nach Rapp, 2000; Schönwiese, 2002). Beim Winter- und Jahresniederschlag weichen die auf Rasterdaten beruhenden Trendanalysen (vgl. Tab. 2, dort z.T. aber auch andere Zeitintervalle) etwas von den nachstehend wiedergegebenen Werten ab.  

 

Klimaelement, Zeitspanne

Frühling

Sommer

Herbst

Winter

Jahr

Temperatur,     1891 - 1990

 + 0,6 °C

 + 0,7 °C

 + 1,2 °C

 + 0,8 °C

 + 0,8 °C

                        1961 - 1990

 + 0,8 °C

 + 0,4 °C

    0   

 + 1,7 °C

 + 0,7 °C

                        1981 - 2000

 + 1,3 °C

 + 0,7 °C

 -  0,1 °C

 + 2,3 °C

 + 1,1 °C

Niederschlag,   1891 - 1990

 + 11 %

     0 %

 + 16 %

 + 19 %

   + 9 %

                        1961 - 1990

 -    9 %

   - 8 %

 + 10 %

 + 20 %

   + 3 %

                        1971 - 2000

 + 13 %

  + 4 %

 + 14 %

 + 34 %

 + 16 %

 

 

Vergleicht man nun die Temperatur- und Niederschlagtrends in Deutschland für verschiedene Jahreszeiten und Zeitintervalle (auf einen monatlichen Vergleich soll hier verzichtet werden, obwohl die Tabellen 1 und 2 dies erlauben; siehe dazu Rapp, 2000), wie das in Tab. 3 geschehen ist (dort einheitliche stationsbezogene Datenbasis nach Rapp, 2000, daher im Fall des Niederschlags leichte Abweichungen zu den in Tab. 2 angegebenen Rasterdaten-bezogenen Trends), so ist im Winter die Temperaturzunahme erwartungsgemäß mit einer Niederschlagszunahme konsistent, und dies trifft sogar auf die Trendverstärkung der letzten Jahrzehnte zu. Dies erhöht sozusagen die physikalische Signifikanz der Ergebnisse, obwohl die statistische nach wie vor bescheiden ausfällt.

 

Im Sommer sind trotz sich ebenfalls (bei insgesamt geringeren Werten) verstärkender Erwärmung die Niederschlagtrends unterschiedlich gewesen: Langfristig ist kein, 1961-1990 ein gering abnehmender und 1971-2000 ein gering zunehmender Trend festzustellen. Während die Abnahme mit der oben genannten negativen Korrelation konsistent ist, könnte eine Zunahme von extremen Niederschlagsereignissen diese Korrelation sozusagen umkehren. Auch wenn die jüngsten Hochwasserereignisse (Oder im Sommer 1997, Elbe und Nebenflüsse sowie weitere Regionen vorwiegend Osteuropas im Sommer 2002; vgl. u.a. Bissolli et al., 2002) als Indiz dafür angesehen werden könnten, sind diese Entwicklungen noch unklar, so dass gerade hinsichtlich extremer Witterungsereignisse noch großer Forschungsbedarf besteht (zeitlich/regional verfeinerte Analysen).

 

Der Herbst hat sich besonders eigenartig verhalten: Während er säkular den höchsten Temperaturtrend zeigt, verbunden mit einem deutlichen Niederschlagsanstieg (somit eine Korrelation ähnlich den Wintergegebenheiten), ist in den letzten Jahrzehnten - bei anhaltendem Niederschlagsanstieg - kaum mehr ein Temperaturtrend zu entdecken. Im Frühling gibt es gewisse Ähnlichkeiten mit den Sommer-Trends, einschließlich der Trendumkehr beim Niederschlag in den letzten Jahrzehnten.               

 

Zurück zu den Winter- und Sommerbetrachtungen: Hier kann eine Beziehung zu den Trends der Großwetterlagen hergestellt werden, wie sie aus Tab. 4, bezogen auf die Station Potsdam, nach Hupfer (cit. Hupfer und Schönwiese, 1998) ersichtlich ist. Danach haben im Vergleich der CLINO-Perioden 1901-1930 bis 1961-1990 die winter-milden Großwetterlagen in letzter Zeit und die sommer-warmen systematisch zugenommen, die sommer-kühlen entsprechend abgenommen. Im Winter hat es erst eine Zunahme und dann (1961-1990) eine leichte Abnahme der kalten Großwetterlagen gegeben. Ähnliches, insbesondere bei den damit zusammenhängenden Temperatur- und Niederschlagtrends, zeigt sich auch in Klimamodellsimulationen (GCM) zum anthropogenen Treibhauseffekt (Houghton et al., 2002), obwohl diese Simulationen eher großräumige Relevanz haben und dort die Niederschlagssignale besonders unsicher sind. Dies gilt auch für Versuche, den anthropogenen Treibhauseffekt und damit konkurrierende weitere anthropogene sowie natürliche Steuerungsmechanismen (z.B. Sonnenaktivität, Vulkanismus, El Niño, NAO) in den Bobachtungsdaten nachzuweisen (Grieser et al., 2000).

 

Tabelle 4: Häufigkeit der Großwetterlagen mit unterschiedlichen Temperaturbedingungen in Europa, bezogen auf die Station Potsdam (nach Hupfer, hier nach Hupfer und Schönwiese, 1998).

 

Periode

Sommer-warm

Sommer-kühl

Winter-mild

Winter-kalt

1901 - 1930

31.6 %

51.0 %

39.3 %

27.1 %

1931 - 1960

40.4 %

49.3 %

35.8 %

33.3 %

1961 - 1990

46.7 %

42.3 %

43.1 %

31.2 %

 

 

Und bei beiden Vorgehensweisen, Modellsimulationen und Beobachtungsdatenstatistik, zeigt sich, einschließlich der Querverbindungen zur NAO, im Winter (Erwärmung, Niederschlagszunahme, anscheinend auch Zunahme extremer Niederschläge) ein deutlicheres und konsistenteres Bild als im Sommer (wo nach GCM-Simulationen in Mitteleuropa, verbunden mit der Erwärmung, eher eine Niederschlagsabnahme erwartet wird). Die weiter bestehenden Unsicherheiten sowie die Ursachenfrage der Klimavariabilität erfordern, dass Modellrechnungen und Klimadiagnostik Hand in Hand vorankommen, wobei es bei der Erfassung zeitlich und vor allem räumlich differenzierter Klimaänderungsstrukturen deutliche Vorteile im Bereich der Klimadiagnostik gibt.

 

 

Danksagung

Herrn Kollegen P. Hupfer danke ich für viele wertvolle Kontakte und insbesondere für die gute Kooperation bei unserem gemeinsamen Beitrag für die deutsche und englische Ausgabe des von ihm zusammen mit J.L. Lozán und H. Graßl herausgegebenen Buchs „Warnsignal Klima“. Hinsichtlich der Datenbeschaffung danke ich dem beim Deutschen Wetterdienst angesiedelten Weltzentrum für Niederschlagsklimatologie, insbesondere unserem dortigen gemeinsamen Mitarbeiter (im Rahmen eines DEKLIM-Projektes) Dr. J. Grieser, meiner Mitarbeiterin Frau Dipl.-Met S. Trömel für die Unterstützung bei der Berechnung der Niederschlagtrends.    

 

 

 

 

 

Literatur

Bissolli, P., L. Göring und C. Lefebvre: Extreme Wetter- und Witterungsereignisse im 20. Jahrhundert. Deutscher Wetterdienst (Hrsg.), Klimastatusbericht 2001 (2002), 20-31.

Erhard, U., et al.: Praktisches Lehrbuch Statistik. 4. Aufl., Verlag moderne industrie, Landsberg/Lech 1992, 326 S.

Escher-Vetter, H.: Zum Gletscherverhalten in den Alpen im zwanzigsten Jahrhundert. In Deutscher Wetterdienst (Hrsg.): Klimastatusbericht 2001 (2002), 51-57.

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