Deutsche Zusammenfassung In der vorliegenden Arbeit wurde ein integrativer Netzwerkmodellierungsansatz gewählt, um die Rolle des Endothels im Kontext der Arteriosklerose zu untersuchen. Hierbei wurden bioinformatische Analysen, laborexperimentelle Versuche und klinische Daten vereinigt und aus dieser Synthese neue klinisch relevante Gene identifiziert und beschrieben. Das Endothel trägt maßgeblich zur Homöostase des vaskulären Systems bei und eine Dysfunktion des Endothels fördert die Entstehung der Arteriosklerose. Im Zuge der Atherogenese entstehen vermehrt reaktive Sauerstoffspezies, die Lipide in der Membran von Plasma-Lipoprotein-Partikeln und in der zellulären Plasmamembran oxidieren. Eine Gruppe solcher oxidierter Membranlipide ist oxPAPC, das in erhöhter Konzentration in arteriosklerotischen Plaques und lokal an Orten chronischer Entzündung im vaskulären System vorkommt. Weitherhin findet sich diese Gruppe von oxidierten Phospholipiden in oxidierten LDL-Partikeln, in denen oxPAPC die Bindung an Makrophagen vermittelt und hierdurch maßgeblich zur Bildung der Schaumzellen und damit zum arteriosklerotischen Prozess beiträgt. Die durch oxPAPC verursachte Veränderung der Endothelzelle ist bisher wenig erforscht. Es ist jedoch bekannt, dass oxPAPC die Transkriptionslandschaft in Endothelzellen tiefgreifend verändert. Um der Komplexität der Endothelzellveränderung gerecht zu werden, wurde ein bayesscher Ansatz angewendet. In einem ersten Schritt wurden Expressionsprofile von humanen Aortenendothelzellen (HAEC) aus 147 Herztransplantatspendern verwendet. Diese Expressionprofile enthalten Transkriptionsinformationen der 147 HAEC, die mit oxPAPC oder Kontrollmedium behandelt worden waren. Es wurden signifikant koexprimierte Gene identifiziert und hiervon Gen-Paare berechnet, die einen differentiellen Vernetzungsgrad zwischen Kontroll- and oxPAPC-Status aufweisen. Dieses Netzwerkmodell gibt darüber Aufschluss, welche Gene miteinander in Verbindung stehen. 26759 Gene-Paare, die differentiell verbunden und signifkant koexprimiert waren, wurden hierarchisch gruppiert. Es wurden neun Gen-Gruppen mit einer erhöhten und elf Gen-Gruppen mit einer verminderten Konnektivität nach oxPAPC identifiziert. Gruppe 6 der erhöhten Konnektvitäts-Gruppen wies hierbei die höchste kohärente Konnektivität von allen Gruppen auf. Eine Analyse signifikant überrepräsentierter kanonischer Gensätze ergab, dass diese Gruppe insbesondere Serin-Glycin-Aminosäuremetabolismus, tRNA- und mTOR-Aktivierung wiederspiegelte. Der hier gewählte Netzwerkmodellierungsansatz zeigte auf, dass der Aminosäuremetabolismus durch oxidizerte Phospholipide massiven Veränderungen unterworfen ist. Um den Mechanismus der Veränderung des Aminosäuremetabolismus näher zu untersuchen, wurden bayessche Netzwerkmodelle verwendet. Dieses Netzwerkmodell enthält im Gegensatz zum differentiellen Koexpresssionsmodell gerichtete Informationen innerhalb des Netzwerkgraphes. Die Gen-Gen Verbindungen sind kausal, wodurch sich eine Hierarchie bildet und Schlüsselfaktoren innerhalb des Netzwerks bestimmt werden können. Durch die Integrierung von Expressionsprofilen und Genomprofilen derselben HAEC-Kohorte und der Inferenz von kausalen Gen-Gen-Verbindungen ergaben sich zwei bayessche Netze: Kontroll- und oxPAPC-Netzwerk. Permutationsuntersuchungen und systematische Beurteilung im Vergleich zu Gen-Gen-Verbindungen in Online-Datenbanken zeigten eine erhöhte Prognosefähigkeit der beiden HAEC bayesschen Netze. Es wurden die Schlüsselfaktoren und deren Teilnetzwerke berechnet und auf biologische Wege hin untersucht. Hierbei wurde das mitochondriale Protein MTHFD2 als ein Schlüsselfaktor für ein Teilnetzwerk des oxPAPC bayesschen Netzes identifiziert. Dieses Teilnetz zeigte eine ähnliche Gensatzanreicherung wie GOC-AA und überlappte mit diesem signifikant. MTHFD2 ist Teil des 1C-Metabolismus und katalysiert im Mitochondrium die Umwandlung von 5,-10-mTHF zu 10-fTHF, einem reaktiven 1C-Donor. Diese Reaktion ist Teil des mitochondrialen Folat-Zyklus, der Serin in Glycin umwandelt und gleichzeitg 1C-Donoren synthetisiert, die in Form von Format ins Cytosol gelangen. Glycin und Format werden im Cytosol in das Purin-Rückgrat eingebaut. Serin speißt diesen Zyklus und wird aus dem Glykolysezwischenprodukt 3-Phosphoglycerat synthetisiert. Es konnte experimentell validiert werden, dass oxPAPC den Schlüsselfaktor MTHFD2 und weitere Gene des Teilnetzes induziert: SHMT2, das Serin in Glycin umwandelt, PHGDH und PSAT1 die Serin aus der 3-Phosphoglycerat synthetisieren, die tRNA-Aktivatoren CARS und GARS und die Aminosäuretransporter SLC7A5 und SLC7A1. Eine siRNA vermittelte Herunterregulierung des Schüsselfaktors MTHFD2 induzierte die Expression der Gene des Netzwerks während die Herunterregulierung von PSAT1, das in der Hierarchie des bayesschen Netzes weiter unten stand, einen deutlich geringeren Einfluss hatte. Somit konnte anhand des bayesschen Netzes MTHFD2 als Schlüsselfaktor für ein Teilnetzwerk identifiert werden, das für eine metabolische Verlagerung zur Aminosäure-Aufnahme und Glycin-de-novo-Synthese der Endothelzelle codierte. RNA-Sequenzierung nach Herrunterregulierung von MTHFD2 ergab eine signifikant differentiell exprimierte Gensignatur, die mit dem MTHFD2 bayesschen Netz und dem GOC-AA signifikant überlappte. 18 Gene des Serin-Glycin-Metabolismus, der Aminosäureaktivatoren und SLC-Transporter wurden hierbei als Kern-Gene der Antwort identifiziert. Massenspektrometrische Untersuchungen des Aminosäure-Profils zeigten eine intrazelluläre Depletion von Glycin nach kurzzeitiger oxPAPC-Behandlung und nach Herrunterregulation von MTHFD2. Die Expressions-Induktion von Genen des MTHFD2-Netzes nach Herrunterregulierung von MTHFD2 konnte durch Glycin wieder normalisiert werden. Glycin stellte ebenfalls die nach MTHFD2-Herunterregulation reduzierte endotheliale Angiogenese und Migration wieder her. In dieser Stude wurde hierdurch herausgestellt, dass das MTHFD2 bayesssche Netz maßgeblich zur Glycinsynthese in Endothelzellen beiträgt und die angiogene Funktion der Endothelzellen hiervon abhängt. Es konnte weiterhin gezeigt werden, dass MTHFD2 vom Transkriptionsfaktor ATF4 abhängig ist und dass die Induktion der Gene des MTHFD2-Netzes durch mTOR-Inhibierung gehemmt wird. Um zu ergründen, warum oxPAPC das Netzwerk induziert, wurden Purin-Nukleoside massenspektrometrisch gemessen. Es konnte gezeigt werden, dass Purin-Nukleoside extrazellulär angereichert waren. Durch weitere Untersuchungen wurde bestätigt, dass oxPAPC zur ATP-Sezernierung führt. Die ATP-Freisetzung durch Endothelzellen trägt maßgeblich zur Aktivierung von purinergen Signalwegen im vaskulären System bei. Die ATP-Freisetzung nach oxPAPC wurde durch den ATP-Freisetzungsinhibitor FFA verhindert. Übereinstimmend hemmte FFA auch die Expressionsinduktion der Gene des MTHFD2-Netzes. Auf physiologischer Ebene blockierte oxPAPC die Angiogenese, welche durch FFA wiederhergestellt wurde. Die physiologische Bedeutung des MTHFD2-Netzes wurde durch die Untersuchung einer GWAS-Studie über die Plasmakonzentration von Metaboliten unterstrichen. Die genomische Variante rs10174907 im MTHFD2-Lokus war signifikant mit der N-Acetylglycin-Konzentration im Plasma assoziiert. SNPs assoziiert mit N-Acetylglycin waren angereichert in Genen des MTHFD2-Netzes. Weiterhin ergab die Untersuchung der CARDIoGRAMplus4CD GWAS-Studie eine Anreicherung von kardiovaskulär krankheitsrelevanten Genvariationen in Loci des MTHFD2-Netzwerks. Auch waren Genexpressionsänderungun von Genen des Teilnetzes in 32 humanen atheromen Plaques im Vergleich zu gesunden Proben ähnlich wie Genexpressionsänderungen in oxPAPC exponierten HAEC. In dieser Arbeit wurde die Aktivierung des mitochondrialen 1C-Metabolism und damit assoziiertem Aminosäuremetabolism durch pro-atherogene Lipide aufgezeigt. MTHFD2 wurde als Schlüsselfaktor dieser Aminosäure-Reprogrammierung anhand eines endothelspezifischen bayessches Netzes identifiziert. Das Netzwerk wurde durch den Verlust von ATP, das als Signalautakoid freigesetzt wurde, aktiviert. Das bayessche Netz erwies sich als prädiktiv und wurde daher verwendet, um epigenetische Signaturen der Endothelzelle näher zu untersuchen. Epigenetik beschreibt den Einfluss der Chromatin-Struktur und der DNA-Modifizierung auf die Expression und das Verhalten der Zelle. Eine große Gruppe der epigenetischen Enzyme mit über 20 Mitgliedern sind Histondemethylasen mit einer Jumonji (JmjC) Domäne. Diese Enzyme entfernen Methylgruppen von Histonen und aktivieren oder reprimieren hierdurch die Genexpression. KDM1-7 sind Untergruppen dieser Familie und viele dieser KDM-Histondemethylasen spielen eine wichtige Rolle im vaskulären System. Die drei Enzyme der KDM7, auch Plant-Homeodomain-Finger (PHF)-Familie genannt, PHF2, PHF8 und KDM7A, sind jedoch noch unzureichend im kardiovaskulären System untesucht. Daher wurde das Endothelzell-Netzwerk verwendet, um endothelzellspezifische Netzwerkstrukturen der Signaturen von KDM7A und PHF8 zu untersuchen. Diese beiden Enzyme demethylieren die Lysine 9 und 27 des Histons 3 und beeinflussen, meist aktivieren, hierdurch die Genexpression. Zunächst wurde eine endothelzellspezifische PHF8-Signatur, die durch RNA-Sequenzierung in HUVEC nach siRNA-Behandlung gewonnen und als differenziell exprimierte Gene definiert wurde, auf das Netzwerk projiziert und mit den direkten Nachbarn des Netzwerks extrahiert. Die Analyse des sich hieraus ergebenden größten PHF8-spezifischen Teilnetzwerks ergab eine signifikante Anreicherung von Gensätzen der Zellzyklus-Regulation. Weiterhin wurden zentrale Schlüsselgene des PHF8-Netzwerks identifizert und experimentell validiert. Hierzu zählten die bisher wenig beschriebenen Gene TIPIN, GINS1 und ZWILCH. Durch diesen Ansatz wurden daher neue potenziell durch PHF8-regulierte Gene identifiziert. In einem analogen Analyseweg wurde ein KDM7A-spezifisches Teilnetz identifiziert und analysiert. Dieses Netzwerk zeigte Wege der Interfon-, Stimulus- und Immun-Antwort als signifikant angereichert. Als Schlüsselfaktor wurde IFIT1 identifiziert und experimentell verifiziert. Hiermit übereinstimmend korrelierte die Expression von KDM7A in humanen Plaques mit Genen der Virus-Antwort. Die Untersuchung der CARDIoGRAMplus4CD GWAS-Studie zeigte, dass von allen JmjC Histondemethylasen der KDM7A-Locus die signifikantesten Genvariationen mit Assoziation zu kardiovaskulären Krankheiten aufwies. Weiterhin war die Expression des LDL Rezeptors, der Teil des KDM7A-Netzes war, durch die Herunterregulation von KDM7A, aber nicht durch PHF8, vermindert. Die KDM7A-Expression war auch in humanen Blutproben von Patienten mit der Autoimmunkrankheit Lupus erythematodes, die durch erhöhte Interferon-Werte gekennzeichnet ist, erhöht. Es wurde gezeigt, dass die Expression von KDM7A und deren sich im KDM7A-locus befindlichen lncRNA JHDM1D-AS1 PKC-abhängig ist. Die Expression wurde durch die Transkriptionsfkatoren EGR1, der Teil des KDM7A-Netzes war und durch PKC aktiviert wird, und BRCA1 beeinflusst. In dieser Teilstudie wurde KDM7A als potenzieller Regulator in der interferon-abhängigen Immunantwort und der Arteriosklerose identifiziert. Zusammenfassend wurden in dieser Arbeit die ersten umfassenden endothelzellspezifischen Bayesschen Netze analysiert. Das Bayessche Netz wurde erfolgreich verifiziert und ein neuer deregulierter biologischer Weg nach oxPAPC-Aktivierung entdeckt. Weiterhin wurde anhand der Gensignatur-basierten Anwendung des Bayesschen Netzes gezeigt, dass dieses auch als Filter für Omics-Daten verwendet werden kann, um in Gen-Signaturen krankheitsrelevante Wege und Gene zu identifieren.