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Entwicklung und Analyse von Mausmodellen zur Untersuchung von Glyzinrezeptordefekten in vivo

  • Die Erhaltung des Muskeltonus, der die Grundlage für die aufrechte Körperstellung und die Feinabstimmung von Bewegungsabläufen bildet, erfordert ein Gleichgewicht der inhibitorischen und exzitatorischen Impulse, die in den neuronalen Regelkreisen des Rückenmarks verarbeitet werden. Im Rückenmark und Stammhirn von Wirbeltieren wird die synaptische Inhibition vom Strychnin-sensitiven Glyzinrezeptor (GlyR) vermittelt. Dieser liganden-gesteuerte Ionenkanal ist ein pentamerer Proteinkomplex aus drei a- und zwei ßUntereinheiten, der durch ein peripheres Membranprotein, das Gephyrin, in der neuronalen Membran verankert ist. Für die ligandenbindende a-Untereinheit konnten eine Vielzahl von Varianten isoliert werden, die für die Bildung verschiedener GlyR-Isoformen verantwortlich sind. Mutationen, die die Gene für die GlyR-Untereinheiten betreffen, sind stets mit chronischen Bewegungsstömngen assoziiert. So sind Punktmutationen im Gen für die GlyR al-Untereinheit für die Hyperekplexie (Startle Disease) verantwortlich, eine humane Erbkrankheit, die durch ausgeprägte Schreckreaktionen und episodische Muskelsteifheit charakterisiert ist. Die spontanen Mausmutanten spastic (spa), spasmodic (spd) und oscillator (ot), die vergleichbare Bewegungsstömngen manifestieren, tragen ebenfalls Mutationen in den Genen für die GlyR-Untereinheiten. Bei der Mausmutante spa führt eine Transposoninsertion, die im Gen für die GlyR ß-Untereinheit lokalisiert ist, zu einer Störung der GlyR ßExpression. Bei den Mausmutanten spd und ot wurden, wie bei Hyperekplexiepatienten, Mutationen im Gen für die a 1-Untereinheit identifiziert. Diese Mutation führt bei der spasmodischen Maus zu veränderten Rezeptoreigenschaften und bei oscillator zum völligen Verlust der al-Untereinheit. Die Analogie der murinen und humanen Erbkrankheiten ermöglicht die Verwendung der Mausmutanten bei der Entwicklung von in vivo Tiermodellen, die zur Erforschung der molekularen Grundlagen der Glyzinrezeptorfunktion und zur Untersuchung von GlyR-Defekten des Menschen geeignet sind. Für die Entwicklung solcher Tiermodelle wurde in der vorliegenden Arbeit versucht, die hereditären Bewegungsstörungen der Mausmutanten spa, spd und ot durch therapeutischen Gentransfer zu komplementieren. Hierbei sollten die in den Mausmutanten defekten Rezeptorstmkturgene durch solche fremder Spezies ersetzt werden. Für die genetische Rettung der spastischen Mausmutante wurden transgene Mäuse entwickelt, die die ß-Untereinheit der Ratte in ihrem Nervensystem überexprirnieren. Durch Einbringen der Transgenallele in den genetischen Hintergrund der spastischen Maus konnte deren Menge an funktionellen GlyR ß-Transkripten vergrößert werden. Hierdurch konnte eine Zunahme an funktionellen GlyR-Molekülen erreicht und die Manifestierung ihres mutanten Phänotyps verhindert werden. Dies liefe11e zum einen den formalen Beweis für den Zusammenhang von identifiziertem Gendefekt und mutantem Phänotyp und zeigte, daß GlyR-Untereinheiten über Speziesbarrieren hinweg wirksam sind. Zum anderen wurde deutlich, daß das Erscheinen der adulten GlyR-Isoform (GlyRA) an der Membranoberfläche in vivo direkt von der Verfügbarkeit funktioneller ß-Untereinheiten abhängig ist. Darüber hinaus konnte zum ersten Mal gezeigt werden, daß die normale Funktion des glyzinergen Systems bereits dann gewährleistet ist, wenn nur 25% an funktionsfähigen ß-Transkripten gebildet werden bzw. wenn nur ca. die Hälfte der im Wildtyp vorhandenen GlyRA-Moleküle die neuronale Membranoberfläche erreichen. Zur genetischen Rettung der Mausmutanten spasmodic und oscillator wurden, in analogen Versuchsansätzen, transgene Mauslinien etabliert, die die GlyR al-Untereinheit des Menschen in ihrem Nervensystem überexprimieren. Nach Einbringen der Transgenallele in den genetischen Hintergrund der ot Maus konnte deren Phänotyp partiell komplementiert werden. Eine vollständige Rettung dieser Mausmutante bzw. eine Komplementation des spasmodischen Phänotyps konnte, vermutlich aufgrund zu niedriger Transgenexpressionsrate, nicht erreicht werden. Dennoch zeigte das Ergebnis, daß die humane al-Untereinheit in der Maus Funktion übernehmen kann, eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung von Mausmodellen, die zur Untersuchung des Pathomechanismus mutierter GlyR-Untereinheiten des Menschen geeignet sind. Zweites Ziel der vorliegenden Arbeit war die Entwicklung von transgenen Mäusen, die die rekombinante GlyR-Untereinheit "Chl" in ihrem Nervensystem exprimieren, für die in vitro gezeigt wurde, daß sie eine dominant negative Wirkung auf die GlyR-Aktivität entfaltet. Durch den Einsatz dieser Untereinheit sollte die GlyR-Aktivität in vivo gezielt reduziert werden und damit der Pathomechanismus der al-Untereinheit in Hyperekplexiepatienten, die ebenfalls als dominant negative GlyR-Untereinheit wirkt, simuliert werden. Die molekularbiologischen Analysen der etablierten Chl-transgen Linien zeigten, daß die transgene Untereinheit, anders als erwartet, die Expression der ligandenbindende al-Untereinheit beeinflußt. Diese Erkenntnis steht im Gegensatz zu den Ergebnissen aus entsprechenden Experimenten mit in vitro Systemen und macht deutlich, daß in vitro Modelle die in vivo Situation nicht unbedingt repräsentieren müssen. Dies unterstreicht die Bedeutung von Tiermodellen bei der Untersuchung der molekularen Grundlagen der glyzinergen Nervenübertragung und bei der Erforschung von humanen Glyzinrezeptordefekten.
  • The maintenance of the muscle tone, which is the prerequesite for balance, posture and movement, depends on the balance of excitatory and inhibitory impulses, that are processed by the neuronal circuits of the spinal cord. In vertebrate brain stem and spinal cord, the postsynaptic inhibition is mediated by the strychnine-sensitive glycine receptor (GlyR). This ligand gated ion channel is a pentameric protein composed of three copies of the a subunit and two copies of the ß subunit. The receptor protein is further associated with a peripheral membrane protein, named gephyrin, that is thought to be responsible for anchoring and synaptic localization of the GlyR. Several isoforms of the ligand binding a subunit create regional and developmental heterogeneity of the GlyR. Mutations in the GlyR subunit genes are associated with neuromotor diseases in mouse and man. In particular, pointmutations in the al subunit have been identified in patients suffering from dominant and recessive forms of hereditary hyperekplexia (startle disease), a disease characterized by exaggerated startle reaction and generalized hypertonia. Related recessive mouse mutants exist, which suffer from similar symptoms and carry defects in either their GlyR al or ß subunit gene, respectively. The mutations spasmodic (spd) and oscillator (ot) represent a partial or complete loss of function mutation of the al subunit. The mutant spastic (spa) has an intronie insertion of a transposable element in the GlyR ß subunit gene leading to disturbed GlyR ß expression. Because of the analogy of thesemurirre and human diseases, the GlyR mouse mutants comprise unique experimental models of human hyperekplexia. To exploit this potential, it was attempted to rescue the mutant phenotype of the mouse mutants by introducing functional GlyR al and ß subunit transgenes derived from other species. For the complementation of the spa phenotype, transgenic mice were created that show neuronal overexpression of the GlyR ß subunit gene of the rat. By introducing the transgene allele into the genetic background of homozygous spa mice, their amount of functional ß transcripts and thereby GlyR level was increased. First, these experiments proved that the spa mutation is causal for the phenotype of the spastic mouse as expression of the transgene rescued the mutant phenotype. Second, by using a transgene derived from another species, it was shown that in glycinergic neurotransmission species barriers can be overcome. Third, it became clear that in vivo the adult GlyR subtype (GlyRA) is only stable when complexed with the GlyR ß subunit. Furthermore, it was demonstrated that partial restoration of GlyR ß expression, i.e. 25% of full length ß transcripts, and around 50% of functional GlyRAmolecules are sufficient for proper function of glycinergic neurotransrnission. To rescue the spasmodic and oscillator phenotype, first transgenic mouse lines were generated showing neuronal overexpression of the human GlyR al subunit. Introducing the transgene allele into the genetic background of the homozygous ot mouse allowed the partial rescue of its mutant phenotype. A complete rescue of their phenotype and a complementation of the spasmodic phenotype, respectively, has not been achieved, presumably because of low transgene expression level. However, by these experiments it has been demonstrated, that the human al subunit can substitute for the murine protein, a prerequesite for the development of transgenic mouse models expressing glycine receptors containing the human hyperekplexia mutations. These models will be an excellent tool to examine the precise effects of human startle mutations on the synaptic physiology in vivo. Finally, transgenic mice were created that show neuronal overexpression of the recombinant GlyR subunit 'Chl '. This GlyR subunit was shown to exert a dominant negativ effect on the electrophysiological properties of the native GlyR in vitro. By using this subunit as a transgene, it was attempted to reduce GlyR activity in vivo and therefore to model the pathomechanism of the mutated al subunit of hyperekplexia patients, that also affects GlyR function in a dominant negative manner. Surprisingly, the expression of this molecule in the central nervaus system of the Chl transgenic mice impaired their endogenaus GlyR al expression. This finding is in cantrast to the results obtained from corresponding experiments in vitro, pointing out the importance of in vivo systems to study the molecular aspects of glycinergic neurotransmission and the pathomechanism of human neuromotoric disorders, caused by GlyR defects.

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Metadaten
Author:Bettina Hartenstein
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-485522
DOI:https://doi.org/10.5445/IR/200038840
ISSN:0947-8620
Parent Title (German):Wissenschaftliche Berichte des Forschungszentrums Karlsruhe ; 5714B
Publisher:Forschungszentrum Karlsruhe GmbH
Place of publication:Karlsruhe
Document Type:Doctoral Thesis
Language:German
Year of Completion:1996
Year of first Publication:1996
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Date of final exam:1995/01/01
Release Date:2019/03/14
GND Keyword:Muskeltonus; Glycinrezeptor; Defekt; Tiermodell; Maus
Page Number:130
HeBIS-PPN:447898507
Institutes:Biowissenschaften / Biowissenschaften
Dewey Decimal Classification:5 Naturwissenschaften und Mathematik / 59 Tiere (Zoologie) / 590 Tiere (Zoologie)
6 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften / 61 Medizin und Gesundheit / 610 Medizin und Gesundheit
Sammlungen:Universitätspublikationen
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