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Arzneimittel als Umweltrisiko? : Ökotoxikologische Untersuchung und Risikobewertung für vier in der aquatischen Umwelt nachgewiesene Pharmaka

  • 1.) Zahlreiche Medikamente werden nach Einnahme nahezu unverändert wieder ausgeschieden und gelangen über Abwasser und Kläranlagen in die aquatische Umwelt. 2.) Die gemessenen Konzentrationen erscheinen gegenüber anderen Kontaminantengruppen vergleichsweise niedrig, sind jedoch angesichts der Tatsache, dass Medikamente biologisch hoch aktive Substanzen sind, besorgniserregend. Das Beispiel Ethinylöstradiol zeigt, dass bereits im ng/l-Bereich Effekte auftreten. Abgesehen vom Beispiel Ethinylöstradiol lagen bislang keine Erkenntnisse über chronische Effekte von Medikamenten bei umweltrelevanten Konzentrationen vor. 3.) Die in der Umwelt festgestellten Arzneimittelwirkstoffe werden fast ausschließlich in Ab-, Oberflächen- und Grundwasser detektiert. Angaben über Medikamentanreicherungen in Sedimenten liegen nur vereinzelt vor. 4.) Angaben über die Ökotoxizität von Medikamenten beruhen bislang fast ausschließlich auf bei sehr hohen Substanzkonzentrationen durchgeführten Akuttests. Die Übertragung auf umweltrelevante Verhältnisse erfolgte durch Einbeziehung hoher Sicherheitsfaktoren. 5.) Die vorliegende Arbeit zeigt, dass in komplexeren Tests bereits bei sehr viel niedrigeren Konzentrationen Effekte auftreten. Diese Effekte sind nicht unmittelbar toxisch, beeinträchtigen jedoch die Entwicklung und Fortpflanzung der Versuchsorganismen nachhaltig. 6.) Als Modellsubstanzen für die in Oberflächengewässern nachgewiesenen Pharmaka wurden das Antiepileptikum Carbamazepin, Clofibrinsäure als Metabolit zahlreicher Lipidsenker, das Antibiotikum Ciprofloxacin und das Antidepressivum Fluoxetin ausgewählt. Sämtliche Pharmaka werden in der Umwelt weit verbreitet nachgewiesen. 7.) Als Testorganismen dienten die Zuckmücke Chironomus riparius, die Zwergdeckelschnecke Potamopyrgus antipodarum und der aquatische Annelide Lumbriculus variegatus. C. riparius ist ein bereits standardisierter Versuchsorganismus, L. variegatus ist zur Zeit im Standardisierungsverfahren (OECD 2004B) und für ökotoxikologische Untersuchungen empfohlen (ASTM 1995). Außerdem wurde mit den Einzellern Blepharisma japonicum und Tetrahymena thermophila ein Destruentenmikrokosmos entwickelt. Beide Einzeller sind ebenfalls erprobte Versuchsorganismen (PAULI 1996, FOX & MORIN 2001). 8.) Von den vier untersuchten Pharmaka erwiesen sich im getesteten Konzentrationsbereich Carbamazepin und Fluoxetin für jeweils einen der Testorganismen als schädlich. Carbamazepin blockierte ab einer Sedimentkonzentration von 234 µg/kg Sediment (Trockengewicht) die Entwicklung von C. riparius. Fluoxetin führte ab einer Testkonzentration von 2 µg/l zu einer Reduzierung der Embryonenzahl bei P. antipodarum. Die EC10 für Carbamazepin wurde zu 113 µg/kg Sediment berechnet, die EC10 für Fluoxetin zu 0,81 µg/l. Beide Konzentrationen sind bei Berücksichtigung der im TGD vorgesehenen Sicherheitsfaktoren umweltrelevant (PEC/PNEC > 1). Als Grundlage dieser Berechnung dienten gemessene Umweltkonzentrationen im Sediment beziehungsweise Wasser. Ein negativer Effekt von Ciprofloxacin auf L. variegatus erschien anhand der Daten zwar möglich, konnte jedoch nicht statistisch belegt werden. Für Clofibrinsäure ergaben sich keine Hinweise auf negative Effekte im getesteten Konzentrationsbereich. 9.) Die vorliegenden Berechnungen sind weitaus tragfähiger als bisher vorliegende, da sie auf chronischen Toxizitätsdaten und gemessenen Umweltkonzentrationen beruhen, statt auf Akutdaten und geschätzten Umweltkonzentrationen. 10.) Die in den Versuchen festgestellten, sehr niedrigen Effektkonzentrationen lassen Effekte auch bei umweltrelevanten Konzentrationen als wahrscheinlich erscheinen. Indirekte Effekte wie vermindertes Futterangebot für Prädatoren oder Verschiebungen im Artenspektrum sind denkbar. 11.) Der Destruentenmikrokosmos erwies sich als prinzipiell geeignet, Effekte von Xenobiotika auf Einzeller zu untersuchen, da die Positivkontrolle funktionierte. Die Daten aus den Versuchsansätzen zeigen jedoch, dass Versuchsdesign und Haltung der Testorganismen weiter entwickelt werden müssen. 12.) Die vorliegenden Daten zeigen, dass Pharmaka bei umweltrelevanten Konzentrationen ein ökologisches Risiko darstellen können. Maßnahmen zur Risikominderung sind dringend erforderlich. Angesichts des therapeutischen Nutzens der Substanzen erscheinen Verbote nicht durchsetzbar.
  • A great number of pharmaceuticals can be detected in ground and surface waters. Concerns about the introduction of pharmaceutical residues into the environment arose already 50 years ago (DEMOLL 1954) and first detections date from the 1970s and 1980s (HIGNITE & AZARNOFF 1977, RICHARDSON & BOWRON 1985). Although the concentrations of pharmaceuticals in surface waters are sometimes quite high (up to 2,1 µg/l for carbamazepine in the Rhine in 1996, SACHER ET AL. 1998), nearly nothing is known about potential environmental hazards. Present data about ecotoxicity derive almost exclusively from acute tests under laboratory conditions, making it difficult to extrapolate detected toxic effects from the laboratory to environmental conditions. Additionally, little is known about sediment contamination by pharmaceuticals. Present data about the occurrence of pharmaceuticals are acquired by measurements in the water compartment. The aim of the present Ph. D. Thesis was to assess the chronic effects of four frequently detected pharmaceuticals, the antiepileptic agent carbamazepine, the lipid lowering agent clofibric acid, the antibiotic ciprofloxacin and the antidepressant fluoxetine. Effects were assessed on the non-biting midge Chironomus riparius, the freshwater mudsnail Potamopyrgus antipodarum and the aquatic annelid Lumbriculus variegatus. C. riparius and L. variegatus were exposed via sediment, thereby assessing the importance of this exposure pathway. Additionally, effects on the destruent food web were assessed using a protist microcosm with the ciliates Blepharisma japonicum and Tetrahymena thermophila. While clofibric acid and ciprofloxacin did not show any significant effects, carbamazepine and fluoxetine proved to be harmful. Carbamazepine inhibited the development of C. riparius. The EC10 was calculated to 0.11 µg/kg sediment (dry weight). Fluoxetine drastically reduced the embryo numbers in P. antipodarum with an EC10 of 0.81 µg/l. These concentrations are environmentally relevant and the PEC/PNEC-ratios are >1. The protist microcosm did not show any effects. These results are interesting in several ways, one the one hand because they are the first effects of non-hormone pharmaceuticals detected at environmentally relevant concentrations and on the other hand because the risk assessment was carried with measured environmental concentrations, not with predicted concentrations. The results indicate that pharmaceuticals can even at very low concentrations be environmentally relevant and may pose an ecotoxicological risk. More data are needed to estimate the hazards of these residues and efforts to limit the introduction of pharmaceuticals and to remove residues from sewage are strongly needed.

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Metadaten
Author:Gerrit Nentwig
URN:urn:nbn:de:hebis:30-30700
Place of publication:Frankfurt am Main
Referee:Jörg OehlmannORCiDGND
Advisor:Jörg Oehlmann
Document Type:Doctoral Thesis
Language:German
Date of Publication (online):2006/07/27
Year of first Publication:2006
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Date of final exam:2006/07/19
Release Date:2006/07/27
Page Number:186
First Page:1
Last Page:170
HeBIS-PPN:179978705
Institutes:Biowissenschaften / Biowissenschaften
Dewey Decimal Classification:5 Naturwissenschaften und Mathematik / 57 Biowissenschaften; Biologie / 570 Biowissenschaften; Biologie
Sammlungen:Sammlung Biologie / Biologische Hochschulschriften (Goethe-Universität)
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht