Land ohne Steine : die Rohmaterialversorgung in Nordost-Nigeria ; von der Steinzeit bis zur Eisenzeit

  • Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Bewältigung eines extremen Mangels an Rohstoffen in der Zeit von etwa 1800 v. Chr. bis 500 n. Chr., was nach herkömmlicher Periodisierung der Endsteinzeit und frühen Eisenzeit Nordost-Nigerias entspricht. Dieser Mangel bestand an Gesteinen zur Fertigung von verschiedenen Geräten. Im betrachteten Gebiet, dem Tschadbecken in Nordost-Nigeria, bedecken mächtige Beckenablagerungen anstehende Gesteine, sodass die Versorgung von außerhalb erfolgen musste. Was für die prähistorischen Siedler ein Nachteil war - vor allem in den prä-metallurgischen Abschnitten muss das Fehlen von Steinen ein ernstes Problem dargestellt haben - ist archäologisch ein Glücksfall mit selten klaren Ausgangsvoraussetzungen. Da jeder im archäologischen Kontext vorgefundene Stein von Menschen dorthin gebracht worden sein muss, ergeben sich neben der üblichen Betrachtung der Geräteformen vor allem Fragen nach Art und Herkunft des verwendeten Rohmaterials sowie nach deren eventueller Veränderung im Laufe der betrachteten Zeit. Von zentraler Bedeutung war dabei die Frage, ob und wie sich die in anderen Fundkategorien dokumentierten sozio-ökonomischen Umbrüche im ersten vorchristlichen Jahrtausend auch in der Versorgung mit lithischen Rohmaterialien widerspiegeln. Die Datengrundlage bilden rund 13000 Steinartefakte aus unterschiedlichen Fundkontexten (Ausgrabungen, Lesefunde, systematische Beprobungen). Sie stammen aus etwa 400 Fundstellen, die alle chronologischen Phasen abdecken und über den gesamten Betrachtungsraum verteilt sind. Durch diese breite Datengrundlage kann den Ergebnissen eine relativ hohe Repräsentanz zugerechnet werden. Sämtliche Artefakte wurden nach archäologischen und petrologischen Kriterien klassifiziert. Die auf diese Weise gebildeten Gesteinsgruppen wurden dann mit Proben potentieller Gesteinsquellen verglichen, um die Herkunft des im Fundkontext vorliegenden Materials zu erschließen. Die entsprechenden Gesteinsproben wurden bei geoarchäologischen Prospektionen in Nigeria, Kamerun und Tschad geborgen. Sämtliche potentielle Lagerstätten für die Versorgung des engeren archäologischen Betrachtungsgebietes in Nordost-Nigeria sind hierbei berücksichtigt. Das Geräte- wie Rohmaterialspektrum ist überschaubar. Ein Großteil (80%) besteht aus Mahlgeräten aus Granit und Sandstein, gefolgt von Beilklingen aus vulkanischen Gesteinen. Seltener vorkommende Geräteformen sind Pfeilspitzen oder Perlen, die meist aus Kieselgesteinen gefertigt sind, sowie Steinkugeln, Rillensteine oder Steinringe aus verschiedenen Gesteinsarten. Die Artefakte sind nur selten vollständig erhalten und zeigen in vielen Fällen Spuren von Überarbeitung und Mehrfachverwendung. Darin drückt sich besonders deutlich der Mangel und generell hohe Wert von Steinen aus. Von den klassifizierten Gesteinstypen wurde die Herkunft in drei Fällen genau lokalisiert. Andere Teile wurden zumindest regional eingegrenzt. Abbaustellen sind jedoch unbekannt. Beim chronologischen Vergleich der Rohmaterialspektren in den Inventaren der Fundstellen zeigten sich sodann markante Veränderungen, die in die Zeit sozio-ökonomischer Umbrüche in der Mitte des ersten vorchristlichen Jahrtausends fallen. Die Veränderungen betreffen eine völlige Umorganisation der Rohmaterialherkunft und –verteilung und sind Ausdruck einer verbesserten Versorgung und erweiterter oder sogar neuer Kontakte.
  • The title “Land without Stones” characterises a research topic which deals with the complete lack of any lithic raw materials. In the Chad Basin the rocks of the basement are covered by the Chad Formation. This formation is composed of clay and sand deposits several hundred meters thick which does not allow any access to the rocks below. Prehistoric people had to find strategies to supply the demand for stones from outside. This situation, which must have been a real disadvantage for the prehistoric settlers on the one hand, provides exciting implications for archaeological work on the other hand: every stone found on the settlement sites, must have been transported by the prehistoric inhabitants. The main topic was, to find out, where the rocks came from and whether the supply with lithics changed in the course of time. Another important question was, whether the socio-economic changes of the first millennium BC which are well recognised in other archaeological categories, have affected the provision with stones as well. The data base consisted of c. 13000 stone artefacts from different contexts (excavations and systematically sampled inventories) They derived from 400 sites, which cover all chronologically differentiated phases and which spread all over the research area. Due to this substantial data base the results can be considered as being well representative. All artefacts were classified due to their archaeological and petrological criteria. The resulting groups of stones were compared with potential geological deposits of raw material to find their original sources. The corresponding samples of raw material were taken during geo-archaeological prospections in Nigeria, Cameroon and Chad. The spectrum of tools and raw material is restricted. Most of them (80%) are grinding tools made from granite and sandstone, followed by ground stone axes from volcanic material. Rarely found are arrow points and beads, which are mostly made from cherts, as there are stone balls, grooved stones and stone rings made from different raw materials. The artefacts are in most cases not completely preserved and show very often signs of re-working and secondary use. This demonstrates very clearly the lack of and therefore the high value of the stones. From the classified rocks, for three cases their origins could be located. For others, the sources could be limited regionally. The quarry sites are yet unknown. The comparison of the raw material showed fundamental changes which could be dated to the middle of the first millennium BC. The changes concern a complete re-organisation of the provenance and the distribution of the raw material and can be interpreted as a sign for a better supply and more widespread or new contacts.

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Metadaten
Author:Nicole Rupp
URN:urn:nbn:de:hebis:30-23551
Referee:Peter BreunigGND
Document Type:Doctoral Thesis
Language:German
Date of Publication (online):2005/12/23
Year of first Publication:2005
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Date of final exam:2004/01/29
Release Date:2005/12/23
Tag:sozio-ökonomische Umbrüche
Final Stone Age; Geoarchaeology; Nigeria; provenance study
GND Keyword:Rohmaterial; Steinzeit; Nigeria; Geoarchäologie; Neolithikum; Borno <Nigeria>
HeBIS-PPN:134910818
Institutes:Philosophie und Geschichtswissenschaften / Geschichtswissenschaften
Dewey Decimal Classification:9 Geschichte und Geografie / 93 Geschichte des Altertums (bis ca. 499), Archäologie / 930 Geschichte des Altertums bis ca. 499, Archäologie
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