Fremdgehen mit Folgen? : Kosten und Nutzen von Fremdkopulationen bei Vögeln

Consequences of being unfaithful : costs and benefits of extra pair copulations in birds

  • Die bedeutendste Entdeckung der letzten 30 Jahre in Bezug auf das Fortpflanzungsverhalten von Vögeln war die Erkenntnis, dass es bei mehr als 80% aller sozial monogamen Singvogelarten regelmäßig zu Kopulationen außerhalb des Paarbundes kommt („extra-pair copulations“; EPCs). In der Folge setzte sich eine beeindruckende Zahl von Untersuchungen mit verschiedenen Aspekten dieses Verhaltens auseinander. Neben Studien, die sich mit Unterschieden in der Häufigkeit des Auftretens von „Fremdvaterschaften” bei verschiedenen Vogelarten beschäftigten, wurden vor allem Untersuchungen zum Kosten und Nutzen von EPCs für Männchen und Weibchen durchgeführt. Auf der Basis eigener Untersuchungen, die dazu dienten, das genetische Paarungssystem von sozial monogamen Kohl- und Tannenmeisen (Parus major and P. ater) zu ergründen, werden hier einige Resultate dieser Bemühungen und auch die ihnen zugrundeliegenden Überlegungen dargestellt. Kosten von EPCs beinhalten für Weibchen möglicherweise eine Reduktion in der Brutfürsorge durch die Männchen, weil die Anzahl eigener Nachkommen und damit der Fortpflanzungswert einer Brut für „betrogene“ Männchen abnimmt. In Übereinstimmung mit dieser Hypothese fanden wir, dass sich die Brutverteidigung männlicher Kohlmeisen nach der Anzahl eigener Nachkommen und nicht nach der Brutgröße richtet. Außerdem fütterten „betrogene“ Männchen ihre Bruten weniger als nicht „betrogene“ Männchen. Wenn EPCs den Weibchen Kosten verursachen, so muss auf der anderen Seite ein entsprechender Nutzen vorhanden sein, da Selektion sonst zum Verschwinden dieses Verhaltens führen sollte. Während männliche Kohl- und Tannenmeisen ihren Fortpflanzungserfolg durch EPCs direkt erhöhen können, ist ein Nutzen für die Weibchen nicht derart offensichtlich. Bei der Analyse einer großen Zahl von Tannenmeisenbruten konnten wir keinerlei Hinweis dafür finden, dass die vieldiskutierten „Gute Gene”-Modelle den Nutzen von EPCs für Weibchen erklären. Würden Weibchen durch EPCs „bessere“ oder „kompatiblere“ väterliche Gene für die betreffenden Nachkommen erhalten, wäre zu erwarten, dass EPY ihren Halbgeschwistern in irgendeiner Form überlegen sind. Zwischen den beiden Halbgeschwistergruppen fand sich jedoch weder in Bezug auf die Überlebenswahrscheinlichkeit noch in Bezug auf den Fortpflanzungserfolg im ersten Brutjahr ein Unterschied. Aus diesen und anderen Befunden wird geschlossen, dass „Gute Gene”-Modelle das weit verbreitete Auftreten von EPCs bei Vögeln alleine kaum erklären können und dass wahrscheinlich mehr als ein einzelner Selektionsfaktor die Evolution dieses Verhaltens bei Vögeln beeinflusst hat.
  • The most important discovery with respect to avian mating systems in the last three decades was the finding that extra-pair paternity occurs regularly in over 80% of all passerine bird species that were cursorily classified as monogamous in the past. Not surprisingly, this insight entailed an impressive body of research focussing on different aspects of this behavioural pattern. Besides analyses of the variation in the frequency of extra-pair paternity, particularly potential costs and benefits of xtra-pair copulations for (individual) males and females had been analysed. Some results of this effort and the rationales behind it are exemplified here, by detailing own work that was performed to investigate the genetic mating systems of socially monogamous great and coal tits (Parus major and P. ater). Costs of extra-pair copulations for females potentially involve a decrease in paternal care, since the number of own offspring and therefore the reproductive value of a brood decreases for cuckolded males. In agreement with this hypothesis we found, that nest defence of male great tits was related to the number of offspring fathered by themselves, but not to brood size per se. Furthermore, cuckolded males fed their broods less frequently than non-cuckolded males. Since extra-pair matings seem to be costly to females, also some benefits of extra-pair copulations have to be postulated, as otherwise selection should act against its occurrence. While male great and coal tits benefit through extra-pair paternity by directly increasing their reproductive success, the benefits for females are far less clear. By studying a large number of coal tit broods, we were unable to provide evidence that “good genes” models can explain the benefits resulting from extra-pair copulations for females. Neither survival probability nor first year reproductive performance of extra-pair young and their maternal half-siblings differed, indicating that females cannot increase their reproductive success by obtaining “higher quality” or “more compatible” paternal genes through extra-pair matings. Based on these and other results it is argued, that “good genes” models alone can hardly explain the occurrence and maintenance of extra-pair paternity in birds in general and that presumably more than a single selective pressure has shaped the evolution of female multiple mating in birds.

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Metadaten
Author:Thomas Lubjuhn
URN:urn:nbn:de:hebis:30-1106529
ISSN:0049-6650
Parent Title (German):Vogelwarte : Zeitschrift für Vogelkunde
Publisher:DO-G-Geschäftsstelle
Place of publication:Wilhelmshaven
Document Type:Article
Language:German
Date of Publication (online):2008/09/03
Year of first Publication:2005
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Release Date:2008/09/03
Volume:43
Issue:1
Page Number:11
First Page:3
Last Page:13
HeBIS-PPN:203863143
Dewey Decimal Classification:5 Naturwissenschaften und Mathematik / 59 Tiere (Zoologie) / 590 Tiere (Zoologie)
Sammlungen:Sammlung Biologie / Sondersammelgebiets-Volltexte
Zeitschriften / Jahresberichte:Die Vogelwarte : Zeitschrift für Vogelkunde / Die Vogelwarte : Zeitschrift für Vogelkunde, Band 43 (2005), Heft 1
:urn:nbn:de:hebis:30:3-311002
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht