Literatur des technokratischen Bewußtseins : zum Sachbuch im Dritten Reich

  • Die Literatur der Bundesrepublik hat zwei Ursprünge: einen legitimen in Gestalt der während des Dritten Reiches verbotenen, verschlüsselten oder in der Emigration entstandenen Literatur und einen illegitimen, verleugneten in Gestalt von damals wie heute gelesenen, immer wieder aufgelegten und teilweise massenhaft verbreiteten Werken. Um einige der letzteren soll es im folgenden gehen. Dabei ist in der Frage der Kontinuität ein Trennungsstrich notwendig. Für die Literaturwissenschaft ist die Infragestellung des "Nullpunkts", des "Kahlschlags" nach 1945 in der belletristischen Literatur noch immer ein Thema, das emotional geführte Kontroversen auslöst. Im Bereich der Sachliteratur begann erst Ende der siebziger Jahre das Bewußtsein davon zu erwachen, daß ein Nullpunkt hier gar nicht vorhanden war. Für die Sekundärliteratur der fünfziger und sechziger Jahre scheint die Sachbuchproduktion des Dritten Reiches innerhalb der Gattungstradition entweder nicht zu existieren oder unbefragt-selbstverständlich zu sein! Sicher hängt dies damit zusammen, daß die Literaturwissenschaft insgesamt sich mit Sachliteratur nur marginal befaßt hat und dann meist nur als heftige Kritik an der literarischen Qualität. Typologisierungs- und Definilionsfragen, Probleme der Abrenzung von und in "Trivialliteratur" hatten den Vorrang vor inhaltlichen Analysen. Es erscheint manchmal auch nicht abwegig zu vermuten , daß die Beschränkung auf typologische Probleme auch eine Reduktion biographischer Art darstellt, etwa bei Autoren wie C. W. Ceram oder Erwin Barth von Wehrenalp.s Generell scheint es aber so zu sein, daß das Selbstverständnis von Sachbuchautoren und -lesern für bestimmte ideologische Implikationen blind blieb. Auch in dem 1978 als Teil von Kindlers Literaturgeschichte der Gegenwart erschienenen voluminösen Band "Die deutschsprachige Sachliteratur" wird nur in wenigen Artikeln (z. B. "Medizin", "Geographie") auf die ja für fast alle Gebiete vorhandene Tradition des Dritten Reiches wertend zurückgegriffen. Hervorzuheben ist allerdings, daß Ulf Diederichs in seiner Einleitung zu diesem Band sich ausführlich mit diesem Abschnitt der Gattungsgeschichte auseinandersetzt. Diese Einleitung gehört ebenso wie die Literaturgeschichte von Schütz/Vogt zu den Texten, die die oben angedeuteten Sicht blenden aufzureißen beginnen.

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Metadaten
Author:Thomas Lange
URN:urn:nbn:de:hebis:30-1121388
Parent Title (German):LiLi
Document Type:Article
Language:German
Date of Publication (online):2009/02/16
Year of first Publication:1980
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Release Date:2009/02/16
GND Keyword:Sachbuch; Drittes Reich
Volume:40
First Page:52
Last Page:69
Source:(in:) LiLi, 40, 1980, S. 52-69
HeBIS-PPN:209268239
Dewey Decimal Classification:8 Literatur / 83 Deutsche und verwandte Literaturen / 830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
Sammlungen:Germanistik / GiNDok
BDSL-Klassifikation:17.00.00 20. Jahrhundert (1914-1945) / BDSL-Klassifikation: 17.00.00 20. Jahrhundert (1914-1945) > 17.14.00 Literatur der NS-Zeit. 1933-1945
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