Reizspezifische Fehlwahrnehmungen von erwachsenen Personen mit Amblyopie
- Amblyopie (griech.: amblyopia = stumpfes Auge) bezeichnet eine nichtorganische Sehschwäche eines, oder deutlich seltener beider, Augen, die durch eine beeinträchtige Seherfahrung während der frühkindlichen Entwicklung des visuellen Systems entsteht. Die durch die Amblyopie entstehenden Beeinträchtigungen sind sehr gravierend und können die Sehschärfe, die binokulare Interaktion sowie die Kontrastsensitivität betreffen. Darüber hinaus können auch Fehllokalisationen visueller Reize sowie ausgeprägte räumliche Verzerrungen und zeitliche Instabilitäten beobachtet werden (Sireteanu, 2000a). Zielsetzung der vorliegenden Arbeit war es, die funktionellen Defizite in der amblyopen Sicht in drei verschiedenen Studien zu untersuchen und Hinweise auf die Beeinträchtigungen des ventralen und auch dorsalen kortikalen Verarbeitungspfades zu finden. Die erste Untersuchung, an der 22 amblyope bzw. alternierende Versuchspersonen teilnahmen, befasst sich mit der qualitativen Erfassung der amblyopen visuellen Wahrnehmung bei vier standardisierten Reizmustern. Bei allen Versuchsteilnehmern treten Verzerrungen auf, die jedoch schwächer sind, als in der Literatur bislang beschrieben. Die ausgeprägtesten Verzerrungen finden sich bei der Gruppe der Schielamblyopen. Unabhängig von der Ätiologie zeigt sich jedoch, dass das Ausmaß der Verzerrung bei stärkerer Amblyopie größer ist. Die von Barrett et al. (2003) vorgeschlagenen Kategorien konnten weitgehend repliziert werden und erweiter werden (Schattierungen, partiell vergrößerte bzw. verkleinerte Wahrnehmungen sowie Farbwahrnehmungen). In der zweiten Studie, an der 22 amblyope bzw. alternierende Versuchspersonen und neun normalsichtige Kontrollprobanden teilnahmen, wurde das zweidimensionale Verzerrungsmuster anhand einer Punkt-Lokalisations-Aufgabe im zentralen visuellen Feld untersucht. Schieler mit und ohne Anisometropie zeigen konsistente Verzerrungen, in Form von Erweiterung, Einschrumpfung oder Drehung von Bereichen des getesteten visuellen Feldes. Reine anisometrope Amblyope und Schieler mit alternierender Fixation weisen eine erhöhte räumliche Unsicherheit, jedoch keine konsistenten Verzerrungen auf. In der dritten Studie, einem Streckenteilungsparadigma, nahmen 23 amblyope bzw. alternierende Versuchspersonen sowie sieben normalsichtige Kontrollprobanden teil. Die Aufgabe bestand darin, eine horizontale Strecke in der Mitte zu teilen. Normalsichtige Kontrollprobanden weisen eine konsistente Linksverschiebung („Pseudoneglect“), Schieler mit und ohne Anisometropie hingegen eine konsistente Rechtsverschiebung („Minineglect“) auf. Die Rechtsverschiebung ist bei beiden Augen vorhanden, jedoch beim amblyopen Auge stärker ausgeprägt. Reine anisometrope Amblyope zeigen ähnliche Effekte das amblyope Auge betreffend. Die Gruppe der Schieler mit alternierender Fixation unterscheidet sich nicht signifikant von der Kontrollgruppe. Die Ergebnisse der durchgeführten Studien bestätigen und ergänzen die bekannten Beeinträchtigungen des ventralen visuellen Pfades und liefern darüber hinaus Hinweise auf eine funktionelle Dysfunktion des dorsalen visuellen Pfades.
- Amblyopia (“lazy eye”) is a non-organic visual impairment of one or (less often) both eyes which is caused by a disturbed view in the development of the visual system during early childhood. The impairment resulting from amblyopia is devastating and may concern visual acuity, binocular interaction and contrast sensitivity. Additionally, spatial misperception of visual stimuli, heavy spatial distortions and temporal instability can occur (Sireteanu, 2000). The objective of this work was to investigate the functional deficits in the visual amblyopic view through three different studies in order to discover indications for the impairment of the ventral and dorsal cortical processing pathways. The first investigation on 22 amblyopic or alternating amblyopes deals with the qualitative detection of visual amblyopic perception at four standardized stimulus patterns. Distortions were observed in all participants and were most distinct in the group of strabismic amblyopes, but still observed distortions were weaker than described in the literature so far. Regardless of the etiology severe amblyopia shows the greatest extent of distortion. Four of the five categories proposed by Barrett et al. (2003) were replicated and the range of distortion pattern was extended by some more categories (shadow or color experiencing). The second study that comprised 22 amblyopic or alternating subjects and nine control subjects investigated the two-dimensional distortion model on the basis of a point-mapping task in the central visual field. Strabismics with and without anisometropia experienced consistent distortions in the tested visual field in form of extension, shrinking or rotation of areas. Pure anisometropic ablyopes and strabismics with alternating fixation show an increased spatial uncertainty, but no consistent distortions. The third study on 23 amblyope or alternating normal subjects and seven control subjects consists of a line bisection paradigm, in which the subjects were asked to bisect a horizontal line in the middle. Normal control subjects show a consistent shift to the left (”Pseudoneglect”), whereas strabismic with and without anisometropia show a consistent shift to the right (“Minineglect”). The rightward bias is present in both eyes but is more pronounced in the amblyopic eye. Pure anisometropic amblyopes show similar effects on the amblyopic eye, however the group of Strabismic with alternating fixation do not differ significantly from the control group. The results of these studies confirm and expand the known limitations of the ventral visual pathway and also suggest a dysfunction of the dorsal visual pathway.