Rote Liste der Brutvoegel Deutschlands : 4. Fassung, 30. November 2007
The Red List of breeding birds of Germany : 4th edition, 30 November 2007
- Die 4. Fassung der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands wurde durch das "Nationale Gremium Rote Liste Vögel" erarbeitet, in dem die wissenschaftlichen Institutionen der Ornithologie und Avifaunistik in Deutschland vertreten sind. Die Rote Liste ersetzt die 3. Fassung aus dem Jahr 2002 (BAUER et al. 2002); sie wurde erstmalig nach dem für alle Tier- und Pflanzenartengruppen sowie den Pilzen in Deutschland entwickelten Kriterienschema (5. LUDWIG et al. 2007) erarbeitet. Somit wird ein direkter Vergleich der Gefährdungssituation zwischen diesen Gruppen ermöglicht. Bestandsgröße, kurzfristiger (25 Jahre) und langfristiger (50-150 Jahre) Bestandstrend sind die wichtigsten Parameter zur Gefahrdungseinstufung der einzelnen Arten. Zusätzlich wurde jeweils die Wirksamkeit von Risikofaktoren artspezifisch identifiziert und berücksichtigt. Alle Einstufungen werden transparent vorgenommen und in der Anhangsliste publiziert. Der Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) hat zur Erstellung der Datengrundlagen mit Stand 2005 für die Gefahrdungseinstufung ein neues Abfrageschema entwickelt, in dem die relevanten Informationen aus den nationalen Vogelmonitoring-Programmen aufgearbeitet und als Hintergrunddaten für die Einschätzungen von Bestandstrend und -größe auf Landesebene bereitgestellt wurden. Dadurch gewinnen die Einstufungen an Verlässlichkeit und Nachvollziehbarkeit. Der langfristige Trend wurde vom "Nationalen Gremium Rote Liste Vogel" ermittelt. Vor der Einstufung der Brutvogelarten wurde je Art eine Statuszuordnung vorgenommen, von denen nur die regelmäßig brütenden einheimischen Arten den weiteren Weg der Rote Liste-Erstellung durchlaufen. In der Roten Liste 2007 werden insgesamt 260 regelmäßige einheimische Brutvogelarten in Deutschland berücksichtigt, 25 weitere Arten brüteten nur unregelmäßig ('vermehrungsgäste': Status II), zudem wurden 29 Neozoen-Arten ermittelt (Status III), von denen 20 regelmäßig brüten. Dies ergibt zusammen 314 Arten, die höchste Zahl an Brutvogelarten, die je für eine Rote Liste zu Grunde gelegt wurde. Insgesamt befinden sich 110 regelmäßige Brutvogelarten in den Kategorien der Roten Liste 2007 (0 = ausgestorben, 1 = vom Aussterben bedroht, 2 :: stark gefährdet, 3 :: gefährdet und R = extrem selten), das entspricht 42,3 % der Arten, was einer minimal geringeren Gefahrdungsquote gegenüber der Vorgängerliste entspricht. Erfreulich ist, dass mit dem Bruchwasserläufer und dem Steinrötel zwei ehemals in Deutschland ausgestorbene Arten zwischen 2000 und 2005 wieder regelmäßig gebrütet haben. Dem entgegen ist mit der Blauracke eine weitere Art ausgestorben. Schwarzstorch, Wanderfalke, Seeadler und Uhu sind hier erstmals seit der ersten deutschen Roten Liste 1971 nicht mehr aufgeführt - ein Erfolg jahrzehntelanger direkter Schutzmaßnahmen der ehrenamtlichen und amtlichen Vogelschützer und gleichzeitig ein Beweis, dass sich Vogelschutz bei stark gefährdeten Arten lohnen kann. Andererseits sind mit Schreiadler, Zwergseeschwalbe oder Großem Brachvogel Alien in die höchste Gefährdungskategorie eingestuft worden, die zwar auch im Fokus des Vogelschutzes standen und stehen, bei denen aber bislang Maßnahmen nicht ausreichend erfolgreich umgesetzt werden konnten. Gerade die Kategorie "vom Aussterben bedroht" umfasst mit nunmehr 30 Arten den höchsten Wert seit Erscheinen der gesamtdeutschen Roten Liste. Der Analyse der aktuellen deutschen Brutvogelfauna zufolge sind die Boden brütenden Vogelarten, Großinsektenfresser und Langstreckenzieher am stärksten von Gefährdungen betroffen. Vogelgruppen mit einem hohen Anteil gefährdeter Arten sind demzufolge Hühnervögel, Rallen, Limikolen und Würger, während Eulen und Schnäpperverwandte derzeit vergleichsweise wenig gefährdet sind. Zudem erfolgt deutschlandweit ein weiteres Ausdünnen der typischen Vögel in der Normallandschaft, was sich vor allem in den Trendanalysen manifestiert, aber in der Roten Liste noch nicht sehr stark zum Ausdruck kommt. Die Nutzungsintensivierungen von Land- und Forstwirtschaft in jüngster Zeit geben hier großen Anlass zur Sorge in diesen Großlebensräumen. Diese Rote Liste stellt erneut ein kritisches Zeugnis über den Zustand der deutschen Vogelwelt aus. Aufgrund der in jüngster Zeit stark ausgeweiteten Monitoringprogramme wird es in Deutschland zukünftig noch besser möglich sein, die Gefahrdung aufzuzeigen. Um den dauerhaften Rückgang der Vogelbestände zu stoppen oder wenigstens zu verlangsamen, müssen die wirksamen Gefahrdungsfaktoren reduziert und minimiert werden. Dem gezielten Vogelartenschutz stellen sich dabei folgende vordringliche Aufgaben: Erhaltung der offenen Kulturlandschaft, Erhaltung strukturreicher Walder, Erhaltung nährstoffarmer Lebensräume, Sicherung der Schutzgebiete - insbesondere Natura 2000, Stärkung der internationalen Zusammenarbeit im Vogelschutz, Reduktion der Populationsverluste durch Unfälle und menschliche Verfolgung sowie Förderung des vogelkundlichen Nachwuchses.
- This paper represents the fourth Red List of the breeding birds of Germany since the re-unification in 1989. It was again compiled by the German Committee for Red Data Birds and replaces the third Red List published in 2002 (BAUER et al. 2002a). For the first time it adopts the classification system developed by LUDWIG et al. (200S) for all organismic groups, thus allowing a direct comparison of the threat situation between different taxonomic entities. Population size, short-term trend (25 years) and long-term trend (50-150 years) form the basic parameters of red list categorization of species, with specific threat factors serving as a tool to elevate the category in case of negative future prospects. The categorization process is documented fully in the appendix list for each individual species rendering it completely transparent. The DDA developed a new tool to gather data from the 16 federal states incorporating the available information from all national monitoring schemes in order to alleviate regional trend and population assessments. This in tum made the trend and population data received from the 16 federal states even more reliable and comprehensible. The long-term trend was worked out in the Red List Committee in a multiple-step process. Before entering the actual classification process, species were assigned to different status categories with only the regularly breeding native birds finally being subjected to the red-listing process. All in all, the Red List of 2007 encompasses 260 regular breeding birds in Germany, with a further 25 sporadic breeding species confined to status II and 29 non-native species to status III (20 of which being regular breeders). lhe total number of breeding bird species initially assessed thus reached 314, the highest number ever reported on in German Red Lists. Altogether, 110 species had to be assigned to one of the five threat categories of the Red List 2007 (0 = extinct, 1 = critically endangered, 2 = endangered, 3 = vulnerable, R = extremely rare), this represents 42.3 % of all regularly breeding species, a slightly smaller share than in the previous list. It was gratifying to note that two formerly "extinct" species have again bred regularly during the assessment period (2000-2005), namely Wood Sandpiper and Rock Thrush, whereas in contrast one has been lost as a breeding species, the Roller. It is for the first time since the inception of German Red Lists in 1971 that species such as Black Stork, Peregrine, White-tailed Eagle and Eagle Owl could be removed completely from any threat category, a huge success of decades of intensive protection measures introduced by large numbers of volunteer (and professional) bird conservationists. This is ample evidence that conservation can be worthwhile in threatened species. Yet, with Lesser Spotted Eagle, Little Tern and Curlew (among others) the trend is opposite, despite massive conservation action, showing that some concepts and measures have been far from successful. Furthermore, the category "critically endangered" now encompasses 30 species, the highest number ever to be listed there since the re-unification of Germany. Birds facing the most marked threats among the German avifauna are ground-nesting species, large-insect eaters and long-distance migrants. The highest percentage of threatened species is thus found in gallinaceous birds, rails, waders, and shrikes, whereas owls and "chats/thrushes" are under comparatively little threat. In addition, typical "ordinary" birds of Germany have lost cunsiderable parts of their populations, which is manifested in their population size and trends, hut less in the threat categories of the current Red List. Further intensification of land use in agriculture and forestry in recent years are very worrying and could get even more "every-day" species into trouble. The present Red List again gives ample evidence of the rather poor state of the German avifauna. In future, the assessment of population sizes and threats will be made easier due to the massively expanded national monitoring programmes in Germany. But meanwhile, well-directed conservation of species and policies towards more "nature-friendly" land use systems need to be surported even more vigorously in order to stop the continuing decline in bird diversity (per unit area) or at least to reduce its speed of decline.