Der Einfluss bedrohlicher Gesichter auf die Orientierung der Aufmerksamkeit : die Rolle des Bewusstseins

  • Verschiedene Studien konnten bereits demonstrieren, dass Versuchspersonen dazu tendieren, ihre Aufmerksamkeit eher zu Gesichtern mit bedrohlichem Ausdruck als zu solchen mit neutralem Ausdruck zu orientieren. In der vorliegenden Studie wurde mittels neurokognitiver Verhaltensexperimente versucht, diesen als „Attentional Bias“ in Millisekunden messbaren Ef-fekt zu replizieren und unter Wahrnehmungsbedingungen von unbewusst bis bewusst zu un-tersuchen. Entscheidend war hierbei, in wie weit die verschiedenen Wahrnehmungsbedingun-gen zu einem Attentional Bias unterschiedlicher Stärke oder sogar verschiedener Polarität führen, i.e. einer Hinwendung oder einer Abwendung der Aufmerksamkeit gegenüber bedrohlichen Gesichtern. Die Gegenüberstellung von bewusster und unbewusster Wahrnehmung bedrohlicher Gesichter stand hierbei im Kontext der Hypothese, dass unbewusst und bewusst wahrgenommene bedrohliche Gesichter über zwei verschiedene neuroanatomische Wege verarbeitet werden und deshalb die Orientierung der Aufmerksamkeit unterschiedlich beeinflussen. Zur Messung des Attentional Bias wurde die „Dot-Probe-Aufgabe“ verwendet. Um die verschiedenen Wahrnehmungsbedingungen zu stellen wurden dabei vier verschiedene Präsenta-tionszeiten (17, 34, 100 und 400 ms) sowie die Technik der Rückwärtsmaskierung benutzt. Da in anderen Studien häufig ein Einfluss der Ängstlichkeit von Probanden auf deren Aufmerksamkeitsorientierung dargestellt werden konnte, wurde auch eine Gruppierung der Probanden in hoch-, niedrig- und durchschnittlich ängstliche vollzogen; dies jedoch primär in dem Interesse, die Ängstlichkeit als entscheidende Einflussgröße ausschließen und möglichst allgemeingültige Aussagen machen zu können. Unter unbewusster Wahrnehmung (17 ms Präsentationszeit) zeigte sich ein signifikanter, negativer Attentional Bias von -5,46 ms (t (29) = -2,57, p = 0,02), hingegen waren die Attentional Bias-Werte bei den längeren Präsentationszeiten nicht signifikant von Null verschieden. Für die Präsentationszeit als eigener Faktor zeigte sich ein marginal signifikanter Einfluss auf den Attentional Bias (F (3, 87) = 2,20, p = 0,09). Die nach Gruppierung der Probanden in über-, unter- und durchschnittlich ängstliche erfolgte Auswertung konnte sowohl für die unter- wie auch die überdurchschnittlich ängstlichen Probanden (nicht jedoch für die durchschnittlich ängstlichen) einen Trend zu einer Abwendung der Aufmerksamkeit von bedrohlichen Gesichtern bei unbewusster Wahrnehmung zeigen. Angesichts dieses Befundes bleibt offen, wie sehr die Gesamtergebnisse gerade durch diese Gruppen geprägt worden sind. Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass unter Bedingungen unbewusster Wahrnehmung bedrohliche Gesichter zu einer Abwendung der Aufmerksamkeit (negativer Attentional Bias) führen. Dies steht im klaren Kontrast zu den Ergebnissen von Mogg und Bradley (1999a) und Fox (2002). Es wird somit in Frage gestellt, dass bedrohliche Gesichter bei unbewusster Wahrnehmung Aufmerksamkeit auf sich ziehen und nicht zu einer Abwendung dieser führen. Weiter deuten die Ergebnisse darauf hin, dass bei zunehmendem Einfluss bewusster Wahrnehmung zwischen bedrohlichen und neutralen Gesichtern kein Unterschied bezüglich ihrer Wirkung auf die Aufmerksamkeitsorientierung besteht. Verschiedene Ansätze werden hier als mögliche Erklärung eines negativen Attentional Bias bei unbewusster Wahrnehmung diskutiert. Die unterschiedliche Richtung der Aufmerksamkeitsorientierung unter bewusster im Vergleich zu unbewusster Wahrnehmung spricht für eine frühe, unbewusst erfolgende, grobe Ver-arbeitung bedrohlicher Gesichter, sowie eine später erfolgende, komplexere Verarbeitung die-ser, welche mit einer Neubewertung einhergeht. Im Kontext der bestehenden Literatur macht das Ergebnis der Studie deutlich, dass die Zusammenhänge zwischen der Orientierung unserer Aufmerksamkeit, emotionalen visuellen Eindrücken und unserem Bewusstsein noch nicht ausreichend geklärt sind. Es bedarf weiterer Forschung
  • Several studies have already shown that subjects tend to direct visual attention to threat-ening faces rather than to neutral ones. The present study tried to replicate this effect called attentional bias, which is measurable in milliseconds by the use of neurocognitive behavioral experiments and to examine this effect under conditions of unconscious to conscious perception. Here it was crucial to figure out how the different conditions of awareness lead to an at-tentional bias of different size or even different direction, i.e. to direct attention to threatening faces or to direct attention away from them. The comparison of unconscious and conscious perception of threatening faces was put in the context of the hypothesis that unconsciously and consciously perceived threatening faces are processed by two different neuroanatomical pathways and therefore affect the orienting of attention in different ways. The attentional bias was measured by means of the “dot-probe” task. To manipulate levels of consciousness, four different stimulus durations (17, 34, 100 and 400 ms) were used. In addition, stimuli were backward masked. As other studies have frequently shown an influence of subjects´ anxiety levels on the orienting of attention, subjects were divided into three groups: above average trait anxious, under average trait anxious und average trait anxious subjects. This was primarily done to rule out anxiety as a confounding factor so that conclusions about the general population could be made. Under conditions of unconscious perception (17 ms stimulus duration) there was a significant negative attentional bias of -5,46 ms (t (29) = 2,57, p = 0,02), but for longer stimulus durations there was no attentional bias. There was a marginally significant effect of stimulus duration on attentional bias (F (3, 87) = 2,20, p = 0,09). When subjects were subdivided according to their level of anxiety, the above average trait anxious group as well as the under average trait anxious group tended to direct attention away from threatening faces under conditions of unconscious perception. Thus it cannot be determined to what extent the pooled results presented in this paper were driven by these two groups. The findings suggest that under conditions of unconscious perception, we direct attention away from threatening faces (negative attentional bias). This conflicts with the findings of Mogg and Bradley (1999a) and Fox (2002) who found the opposite effect. Hence, here it is questionable whether threatening faces attract attention under conditions of unconscious perception or lead to avoidance. In addition, the results suggest that with an increasing degree of conscious perception there is no difference between threatening and neutral faces with respect to their influence on the orienting of attention. There are several explanatory models for the negative attentional bias, found here, under conditions of unconscious perception. All will be discussed in the discussion section. The different ways of orienting attention under conditions of conscious and unconscious perception indicate an early, unconscious and raw processing of threatening faces and a later, conscious and more complex processing coming along with a new appraisal of the faces. In the context of the existing literature these results show that the relation between the orienting of attention, emotional visual stimuli and our awareness has not yet been examined sufficiently. Further studies will be needed.

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Metadaten
Author:Christian Brocksieper
URN:urn:nbn:de:hebis:30-93785
Referee:Notger Müller
Document Type:Doctoral Thesis
Language:German
Date of Publication (online):2011/03/21
Year of first Publication:2010
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Date of final exam:2010/12/13
Release Date:2011/03/21
Note:
Diese Dissertation steht außerhalb der Universitätsbibliothek leider (aus urheberrechtlichen Gründen) nicht im Volltext zur Verfügung, die CD-ROM kann (auch über Fernleihe) bei der UB Frankfurt am Main ausgeliehen werden.
HeBIS-PPN:425124339
Institutes:Medizin / Medizin
Dewey Decimal Classification:6 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften / 61 Medizin und Gesundheit / 610 Medizin und Gesundheit
Sammlungen:Universitätspublikationen
Licence (German):License LogoArchivex. zur Lesesaalplatznutzung § 52b UrhG