Laktat im Gehirn: Modulation durch Anästhetika und neuroprotektive Eigenschaften

  • Im Rahmen der in dieser Arbeit vorgestellten Daten konnten zwei Erkenntnisse gewonnen werden: 1. Der Einsatz volatiler Anästhetika bei der Narkose erhöht die extrazellulären Laktatspiegel im Gehirn der Maus. 2. Die Applikation von Laktat entfaltet neuroprotektive Wirkung im fokalen Schlaganfallmodell der Maus und zwar in Abhängigkeit von dem für das Modell verwendete Anästhetikum. Im 1. Teil der Arbeit wurde in ersten Voruntersuchungen mit Hilfe der Mikrodialysetechnik ein starker Anstieg extrazellulärer Laktatspiegel im Gehirn von Mäusen unter einer Narkose mit Isofluran detektiert. Ein Kernthema dieser Arbeit war die Untersuchung der neuroprotektiven Wirkung von Laktat im Schlaganfallmodell der Maus. Da dieses Modell zwingend eine Narkose erforderte und Isofluran eine deutliche Wirkung auf den zerebralen Laktatstoffwechsel aufwies, wurden die metabolischen Wirkungen weiterer, in der tierexperimentellen Forschung gebräuchlichen, Anästhetika untersucht. In mehreren Mikrodialyseexperimenten wurden die metabolischen Wirkungen inhalativer (Sevofluran, Isofluran und Halothan) und injizierbarer Anästhetika (Ketamin/Xylazin, Chloralhydrat, Propofol und Pentobarbital) auf die extrazellulären Glukose- und Laktatspiegel im Gehirn von Mäusen untersucht. In separaten Versuchen wurde für das jeweilige Anästhetikum zusätzlich die Glukose- und Laktatwerte im Blut und CSF der Tiere bestimmt. Begleitet wurden diese Versuche mit der Untersuchung physiologischer Parameter (Blutgase und zerebraler Blutfluss) innerhalb der Narkose mit verschiedenen Anästhetika. Abschließend wurde in einem in vitro-Experiment mit inkubierten Hirnschnitten die lokale, metabolische Wirkung von Isofluran untersucht. Die Experimente zeigten, dass volatile Anästhetika spezifisch die extrazellulären Laktatwerte im Gehirn von Mäusen erhöhen (um das 3-4 fache) und so eine metabolische Wirkung auf den zerebralen Laktatstoffwechsel besitzen, welcher bisher in der Literatur nicht beschrieben worden ist. Mit dem Vergleich der Laktatdaten aus den CSF/Blut-proben, aus den in vitro-Versuchen, sowie aus der Analyse der physiologischen Parameter konnte zusammenfassend folgendes festgestellt werden: die durch inhalative Anästhetika induzierte Laktaterhöhung ist dosisabhängig, tritt unabhängig von peripheren Einflüssen lokal im Gehirn auf und wird weder durch eine Hypoxie noch durch eine Hypotension verursacht. Injizierbare Anästhetika (Ketamin/Xylazin, Chloralhydrat und Propofol) besaßen diese Wirkung auf die Laktatwerte nicht und fielen vielmehr durch eine moderate Erhöhung der Glukosekonzentrationen (um das 1,5-2 fache) im Blut und Extrazellularraum des Gehirns auf, die wiederum bei den volatilen Anästhetika nicht zu beobachten war. Nur Pentobarbital zeigte als einziges Anästhetikum keine Veränderungen in den extrazellulären Glukose- und Laktatwerten im Gehirn der Tiere und verminderte sogar die Laktatspiegel im Blut. Ausgehend von den durchgeführten Untersuchungen wird für inhalative Anästhetika die Stimulation von „Two-pore“-Kaliumkanälen als Ursache für die Erhöhung der extrazellulären Laktatwerte vermutet. Dieser stellt für die Gruppe der volatilen Anästhetika einen spezifischen Wirkmechanismus dar. Andere Wirkmechanismen von Anästhetika wie der NMDA-Rezeptor- Antagonismus und der GABA-Rezeptor-Agonismus konnten ausgeschloßen werden, da eine Erhöhung der extrazellulären Laktatspiegel im Gehirn der Tiere unter Ketamin/Xylazin- und Pentobarbitalnarkose nicht auftrat. Der genaue Wirkmechanismus muss aber in weiteren Versuchen näher geklärt werden. Die aus den Mikrodialysedaten gewonnenen Erkenntnisse bildeten eine wichtige Grundlage für ein besseres Verständnis der Schlaganfallexperimente und deren Zusammenhang zwischen Laktat, Neuroprotektion beim Schlaganfall und der zerebralen, metabolischen Wirkung einzelner Anästhetika. Im 2. Teil der Arbeit wurde, als eine der ersten Arbeiten, die neuroprotektive Wirkung von Laktat im permanenten und transienten Schlaganfallmodell der Maus getestet. Dies bot sich vor dem Hintergrund der derzeit stattfindenden Neuinterpretation des Laktats als wichtigem Energiemetabolit an. Für den Schlaganfall in der Maus wurde ein silikonbeschichteter Nylonfaden verwendet, mit welchem die mittlere Zerebralarterie der Tiere verschlossen wurde. Im permanenten Schlaganfallmodell verblieb der implantierte Faden die gesamte Zeit über im Gehirn der Maus, während beim transienten Modell der Faden nach einer gewissen Okklusionszeit (30-60 min) wieder entfernt und der zerebrale Blutfluss wieder hergestellt wurde. Laktat (250 mg/kg) wurde im permanenten Modell zu unterschiedlichen Zeitpunkten (45, 30, 15 min vor und 15 min nach der Okklusion) intraperitoneal verabreicht. Als Anästhetika kamen Isofluran und Pentobarbital zum Einsatz. Die Applikation im transienten Modell erfolgte direkt nach der wiederhergestellten Reperfusion ebenfalls intraperitoneal. Hierbei kamen Isofluran und Ketamin/Xylazin als Anästhetika zum Einsatz. Einen Tag später wurde für jedes Tier das allgemeine Verhalten, die motorische Koordination im Cornertest sowie der Gewichtsverlust dokumentiert. Anschließend wurde das Gehirn entnommen, eine TTC-Färbung durchgeführt und das Infarktvolumen und der Schweregrad des Infarkts anhand der Graustufendifferenz bestimmt. Eine neuroprotektive Wirkung des Laktats konnte sowohl im permanenten und als auch im transienten Schlaganfallmodell der Maus nachgewiesen werden. Im permanenten Modell war unter Isoflurannarkose eine neuroprotektive Wirkung erkennbar, die sich durch Reduktion des Infarkvolumens, Verminderung der Graustufendifferenz sowie eine Reduktion des Gewichtsverlusts bei Gabe von Laktat (30 und 15 min vor der Okklusion) nachwiesen ließ. In der allgemeinen Verhaltensanalyse und im Cornertest war kein signifikanter Unterschied zu erkennen. Unter Pentobarbitalnarkose trat diese Form der Neuroprotektion nicht auf. Im transienten Schlaganfallmodell war eine Neuroprotektion des Laktats (bei Gabe direkt nach der Reperfusion) sowohl unter Isofluran- als auch unter Ketamin/Xylazin-Narkose nachzuweisen. Diese äußerte sich in der Reduktion des Infarktvolumens und der Graustufendifferenz. Eine Veränderung in der Reduktion des Gewichtverlustes, in der allgemeinen Verhaltensanalyse und im Cornertest war jedoch nicht zu sehen. Unter Bezugnahme der Mikrodialysedaten verschiedener Anästhetika, ist festzustellen, dass die neuroprotektive Wirkung des Laktats davon abhängt, welches Anästhetikum zum Einsatz kommt und wie dieses den Laktatstoffwechsel moduliert. So war eine Neuroprotektion durch Laktat unter Verwendung von Anästhetika feststellbar, die die peripheren Laktatspiegel im Blut erhöhen (Isofluran) oder nicht beeinflussen (Ketamin/Xylazin). Bei Pentobarbital, welches die peripheren Laktatwerte im Blut der Tiere verminderte, zeigte die exogene Laktatgabe keine Wirkung. Die Experimente konnten also nachweisen, dass Laktat neuroprotektive Wirkungen im Schlaganfallmodell von Mäusen besitzt.Weiterführende Versuche bieten sich hier an, um Aussagen über die optimale Dosierung und den geeignetsten Therapiezeitpunkt zu ermöglichen, bevor eine Untersuchung des klinischen Nutzens beim Menschen sinnvoll erscheint.

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Metadaten
Author:Tobias HornGND
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-244178
Referee:Gunter P. EckertORCiDGND, Jochen KleinORCiDGND
Document Type:Doctoral Thesis
Language:German
Year of Completion:2012
Year of first Publication:2011
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Date of final exam:2012/01/20
Release Date:2012/05/30
Note:
Diese Dissertation steht außerhalb der Universitätsbibliothek leider (aus urheberrechtlichen Gründen) nicht im Volltext zur Verfügung, die CD-ROM kann (auch über Fernleihe) bei der UB Frankfurt am Main ausgeliehen werden.
HeBIS-PPN:425319970
Institutes:Biochemie, Chemie und Pharmazie / Pharmazie
Dewey Decimal Classification:6 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften / 61 Medizin und Gesundheit / 610 Medizin und Gesundheit
Sammlungen:Universitätspublikationen
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