Internetbezogene Störungen im Jugendalter : Diagnosen, Risiken und Hilfsangebote

  • Mit der zunehmenden Relevanz des Internets in den letzten zwei Jahrzehnten geht auch die Gefahr einer dysfunktionalen, suchtartigen Nutzung von verschiedenen Internetanwendungen und insbesondere von digitalen Spielen einher. Jugendliche sind von Internetbezogenen Störungen (IbS) in besonderem Maße betroffen. Die vorliegende Dissertation leistet in vier Einzelstudien einen Beitrag zur Beantwortung offener Forschungsfragen auf dem Gebiet der IbS. Studie 1 setzt sich damit auseinander, ob und inwiefern die Aufnahme der „Gaming Disorder“ in die Neuauflage der internationalen Klassifikation der Krankheiten der WHO (ICD-11) gerechtfertigt ist und kommt zu dem Schluss, dass die neue Diagnose sowohl für die Forschung als auch für die klinische Praxis mehr Vor- als Nachteile bietet. Der Gefahr einer Überpathologisierung und Stigmatisierung kann durch eine gründliche Diagnosestellung durch geschulte Fachpersonen begegnet werden. Studie 2 untersucht schulbezogene Risikofaktoren von IbS. Dazu wurden N=418 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 11 bis 21 Jahren, die vorab auf ein erhöhtes Risiko für IbS gescreent wurden, per Fragebogen nach ihrem Internetnutzungsverhalten, nach IbS-Symptomen, nach Schulnoten und Fehltagen, nach ihrem Lern- und Sozialverhalten sowie nach Prokrastinationstendenzen befragt. Die Daten entstammen dem ersten Messzeitpunkt der PROTECT-Studie (Professioneller Umgang mit technischen Medien). Aufgrund der hierarchischen Datenstruktur wurde zur Analyse ein Mehrebenenansatz gewählt. Die Ergebnisse zeigen, dass Online-Zeit, vermehrtes Gaming und Prokrastination auf der Individualebene sowie Sozialverhalten auf der Schulebene Symptome einer IbS vorhersagen. Studie 3 und Studie 4 befassen sich mit der Prävention von IbS. Studie 3 gibt einen Überblick über den internationalen Stand der Forschung im Bereich der Prävention und Frühintervention und stellt die derzeit verfügbaren deutschsprachigen Präventionsprogramme vor. Während in den westlichen Ländern vor allem gruppenbasierte, verhaltensorientierte Programme zur Anwendung kommen, werden im ostasiatischen Raum auch verhältnispräventive Maßnahmen eingesetzt, wie etwa Spielzeitbeschränkungen für Minderjährige. In Deutschland sind derzeit 12 Präventionsprogramme für IbS verfügbar. Für zwei dieser Programme wurde die Wirksamkeit in randomisiert-kontrollierten Studien nachgewiesen. Studie 4 ist eine dieser Untersuchungen. Sie stellt die Ergebnisse der Wirksamkeitsprüfung für das von unserer Arbeitsgruppe entwickelte PROTECT-Präventionsprogramm dar. Dazu wurden N=422 Schülerinnen und Schüler, die vorab auf ein erhöhtes Risiko für IbS gescreent wurden, nach Clustern (Schulen) randomisiert in eine Interventions- und eine Beobachtungsgruppe eingeteilt. Während in der Interventionsgruppe das kognitiv-verhaltenstherapeutisch orientierte 4-wöchige PROTECT-Programm in Kleingruppen durchgeführt wurde, füllten die Teilnehmenden der Beobachtungsgruppe lediglich zu vier Messzeitpunkten (vor und nach der Intervention, nach 4 Monaten und nach 12 Monaten) diagnostische Fragebögen zur Soziodemografie, zur Internetnutzung, zur IbS-Symptomatik, zu komorbiden psychischen Störungen, zur Emotionsregulation, zum Sozial- und Lernverhalten, zu Prokrastinationstendenzen sowie zum Selbstwertgefühl aus. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen eine Reduktion der IbSSymptomatik in beiden Gruppen. Die Reduktion ist jedoch in der Interventionsgruppe signifikant stärker, was für die Wirksamkeit des PROTECT-Programms spricht. Die Ergebnisse von Studie 1-4 ergänzen bisherige Forschungsbefunde zu IbS im Bereich der Diagnostik, Entstehung und Prävention.

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Metadaten
Author:Sophie Kindt
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-675351
DOI:https://doi.org/10.21248/gups.67535
Place of publication:Frankfurt am Main
Referee:Katajun LindenbergORCiDGND, Florian SchmiedekORCiDGND
Document Type:Doctoral Thesis
Language:German
Date of Publication (online):2022/03/22
Date of first Publication:2022/03/18
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Date of final exam:2022/02/23
Release Date:2022/03/30
Tag:Internetbezogene Störungen
Gaming Disorder
Page Number:160
Last Page:160
Note:
Kumulative Dissertation – enthält die Verlagsversionen (Versions of Record) und Manuskriptversionen (Author Accepted Manuscripts) der folgenden Artikel:

Sophie Kindt (2019): Machen Computerspiele süchtig? Eine klinisch-psychologische Perspektive zur
Aufnahme der „Gaming Disorder“ in die Neuauflage des Internationalen Klassifikationssystems der
Krankheiten (ICD-11) der WHO. In: Junge, Thorsten/Schumacher, Claudia (Hrsg.): Digitale Spiele
im Diskurs. URL: www.medien-im-diskurs.de

Kindt, S., Szász-Janocha, C., Rehbein, F., Lindenberg, K. School-Related Risk Factors of Internet Use Disorders. Int. J. Environ. Res. Public Health (2019), 16, 4938. https://doi.org/10.3390/ijerph16244938
Szász-Janocha, C., Kindt, S., Halasy, K., Lindenberg, K. Prävention und Frühintervention bei Internetbezogenen
Störungen – (inter-)nationaler Stand
der Forschung. Suchtmed 21 (4) 259 – 271 (2019).

Lindenberg K, Kindt S, Szász-Janocha C. Effectiveness of Cognitive Behavioral Therapy–
Based Intervention in Preventing Gaming Disorder and Unspecified Internet Use Disorder in
Adolescents: A Cluster Randomized Clinical Trial. JAMA Netw Open. 2022. https://doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2021.48995
HeBIS-PPN:492445281
Institutes:Psychologie und Sportwissenschaften
Dewey Decimal Classification:6 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften / 61 Medizin und Gesundheit / 610 Medizin und Gesundheit
Sammlungen:Universitätspublikationen
Licence (German):License LogoDeutsches Urheberrecht